Ich packe meinen Rucksack: 500 Bücher und 30 Kleider

Buch gegen Reader  Der Sony-Reader

Ein Bilderrätsel: Es ist Ferienzeit, man trägt Sandalen, und freut sich darauf, Jonathan Franzens „Freiheit“ zu lesen. Doch leider wiegt das 730-Seiten-Werk verdammt rucksackunfreundliche 850 Gramm. Die Lösung: Susanne hat jetzt einen E-Book-Reader. Das Modell von Sony, das Prs-t1 heißt (dafür gehört der Produktmanager in die Entwicklungsabteilung für Radiowecker versetzt), ist knapp 700 Gramm leichter als der Roman und speichert mehr als 1000 Bücher. Beste Voraussetzungen für eine erfüllte Auszeit – eine feine Privatbibliothek

Auf Reisen, so die Hoffnung, schafft man es endlich, all die Romane zu lesen, die schon lange die ganz private Leseliste der verpassten Bücher füllen. Denn mit Büchern ist es wie mit Filmen, die neu in die Kinos kommen, schafft man es nicht, in der Zeit, in der alle über ein Werk sprechen, es selbst auch kennen zu lernen, verliert man es langsam aus dem Blick. Wer will sich jetzt noch durch die „Feuchtgebiete“ schlagen? Wer durch den Blödsinn von Tilo Sarrazin? Aber es gibt auch Romane, die man unbedingt lesen möchte. Ich freue mich auf „Freiheit“ von Jonathan Franzen.

Doch leider hat das Buch ein Problem: Es wiegt 850 Gramm, fast ein Kilo! Das ist so viel wie mein Schlafsack wiegt, beinahe halb so viel wie unser Zelt, und ich möchte das Gewicht erst gar nicht in Kleidung umrechnen. Viele meiner liebsten Stücke müssen in Hamburg bleiben, denn ich habe mir fest vorgenommen, nicht mit mehr als 12 Kilogramm zu reisen. Da allein der Rucksack rund 1300 Gramm wiegt, habe ich grob gerechnet pro Monat nur zwei Kilo. Freiheit ist also schlicht zu schwer.

Es gibt den Roman aber auch als E-Book. Nach einigen Recherchen waren die Vor- und Nachteile klar: Gegen das – nach gebundener, Hörbuch- und Taschenbuch-Ausgabe – vierte Format spricht, dass man es eigentlich nicht kauft sondern leiht. Ein echtes Buch kann man an Freunde weiter geben, das E-Book nicht, es lässt sich nur auf dem eigenen Reader lesen. Den muss man zusätzlich kaufen, ca. 50 Euro kosten die günstigsten Geräte. Ist der Akku des E-Book-Readers leer, ist zudem Schluss mit Lesen. Und inzwischen weiß ich, dass man sich vor allem an das elektronische „Umblättern“ gewöhnen muss, wenn der Bildschirm flackernd die nächste Seite lädt. Doch die Vorteile überwiegen: So ein Gerät wiegt kaum mehr als 150 Gramm, sein interner Speicher hat Platz für rund 1000 Bücher, und das matte Schwarzweißdisplay ist unter fast allen Bedingungen gut ablesbar. Franzens Freiheit kostet für den Reader nicht mehr als die Taschenbuch-Ausgabe. Aber auch nicht weniger.

Und dennoch hat man als Nutzer eines E-Readers Kostenvorteile. Viele Bücher, deren urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist, kann man kostenlos downloaden. Das geht über Amazon oder auch über das Projekt Gutenberg. So kann man sich nach Herzenslust die virtuellen Regale mit den Klassikern füllen, die man als junger Mensch nie gelsesen hat. In der Hoffnung, dass man Dostojewski heute spannender findet als einst.

Wie man sich an seine Reise-Bücher gemacht, wissen wir alle: Am Reiseziel angekommen, nimmt man voller guter Vorsätze das Buch mit an den Strand, guckt aber dann doch nur den Beach-Ball-Spielern zu. Später im Bett greift man wieder nach dem Buch. Doch erfüllt vom Tag und voll von neuen Eindrücken, schläft man nach den ersten fünf Seiten ein. Am nächsten Tag ein weiterer Versuch. Nach ein paar Seiten schaut man auf, der Blick schweift, die Gedanken kreisen und verschwinden in den Wolken. Wohlig döst man ein, das Buch rutscht vom Bauch. Und nach einer Woche sammeln sich alle Eselsecken, Fingerabdrücke und Waffelkrümel auf den ersten 83 Seiten. Wie das beim E-Reader sein wird, muss sich noch zeigen.

Maike Winnemuth hat dieses Phänomen, „im Urlaub endlich mal ein gutes Buch zu lesen“ in ihrer Kolumne „Schundpropaganda“ in Geo Saison (05/12) wunderbar aufs Korn genommen. Ihrer Meinung nach ist Airportliteratur viel befriedigender – diese Schundromane kann man getrost nach zwei Wochen im Hotelmüll entsorgen. Wir müssen unsere Bücher nach der Lektüre nicht im Altpapier entsorgen, wir können sie einfach löschen.

Bücherstapel

E-Book-Reader gibt es inzwischen viele (hier eine Übersicht). Nach langem Abwägen haben wir uns für das Modell von Sony entschieden. Am ersten Abend mit dem neuen Gerät wollte ich im Bett lesen und versuchte den Monitor heller zu stellen wie beim iPad. Aber so ein E-Ink-Display leuchtet nicht. Ehrlich gesagt, fand ich es ein wenig enttäuschend, dass ich die Nachtischlampe brauche, um ein solches High-Tech-Buch zu lesen – im Zelt muss dann die Stirnlampe ran. Aber weil diese Technik nur wenig Strom verbraucht, hat der Akku eine Laufzeit von mehreren Wochen, 8000 mal umblättern heißt es in der Produktbeschreibung.

Und doch lautet die große Frage: Welche Bücher sollte man unbedingt dabei haben? Hier meine Top-Fünf:

1. Das Buch der Bücher – und ich meine damit nicht die Bibel oder den dOCUMENTA (13) Katalog mit dem selben, kaum bescheidenen Titel – ist für mich „Überleben in Natur und Umwelt“ von Heinz Volz. Es mag paradox klingen, sich ein Überlebenshandbuch auf den Reader zu laden, aber der Akku hält wirklich sehr lange. Und strandet man auf einer einsamen Insel, bietet die Paperback-Ausgabe auch nur einen Vorteil – man kann damit Feuer anfachen helfen.

2. „Die wundersame Heilkraft des Atmens: der Weg zur Harmonie von Körper, Geist und Seele“ von Ruediger Dahlke. Jetzt nicht gleich aufschreien und stöhnen, „Dahlke, dieser Esoteriker!“ Reisen erfordert Toleranz und die Bereitschaft, sich Neuem zu öffnen. Dieses Buch kann ein Anfang sein. Und wenn es dazu führt, die kommenden Ereignisse durch bewussteres Atmen besser zu zulassen, hat sich die Lektüre schon gelohnt.

3. „Die Geschichte vom wilden Wassertrinker“ von John Irving. Dieser Roman ist zugegebener Maßen nicht der neuste Irving, die Geschichte ist von 1972 und wurde 1989 ins Deutsche übersetzt. Aber die Lust an seinem zuletzt veröffentlichten Roman „Letzte Nacht in Twistet River“ ist mir auf Malta nach 234 Seiten vergangen. Da mich Irving bisher aber immer gut unterhalten hat und 496 Seiten auf jeden Fall für den neun Stunden Flug nach Calgary reichen, wird das Buch auf den Reader geladen.

4. Nicht fehlen darf ein Tantra-Buch. Und zwar nicht nur – wie viele jetzt vermuten werden – für lange Nächte in einsamen Hütten in den Wäldern Kanadas, oder als Vorbereitung auf unsere Indienreise. Sondern weil mir der Geist von Tantra gefällt: Die Hindus glaubten, dass Shakti durch die spirituelle und sexuelle Vereinigung mit Shiva dessen Geist Form verlieh und das Universum erschuf. Im Tantra ist die Schöpfung der Welt also ein Liebesakt, der sich in allen Lebewesen als Lust, Schönheit und Glück manifestiert. So erklärt es Autorin Margot Anand in ihrem Vorwort zu „Tantra, oder die Kunst der sexuellen Ekstase“. Bei solcher Lektüre kommt noch ein Vorteil des E-Book-Readers zum Tragen: Andere bekommen nicht mit, was man liest, man erntet keine schiefen Blicke. Bücher wie „Shades of Grey“ verdanken dieser Diskretion beim Lesen ihren Erfolg.

5. Bei der schweren Hardcoverausgabe von „Freiheit“ von Jonathan Franzen sind mir regelmäßig die Arme eingeschlafen. Seit Silvester bügelt das Weihnachtsgeschenk deshalb das Deckchen auf dem Nachtisch. Nun freue ich mich zu erfahren, wie es mit Patty und Walter Berglund weiter geht. Genug Zeit habe ich jetzt.

Packen für 5 MonatePacken für 5 Monate Weltreise

DIRK: Das gute alte Rucksack-Ritual: Man baut Stapel mit all den Dingen, die man gern mit nehmen möchte, stopft sie in den Rucksack. Der ist dann meist schon allein davon so voll und schwer, dass die Dinge, die man mit nehmen muss nicht mehr hinein passen. Also packt man den Rucksack wieder aus und legt alles fein säuberlich auf den Boden. Und beginnt zu reduzieren: ein T-Shirt weniger, eine Unterhose raus, ein Paar Strümpfe raus, noch ein Hemd, und dann stopft man alles wieder in den Rucksack. Ist der immer noch zu schwer, heißt es noch einmal….

Vor mir liegt meine Kleidung für fünf Monate: vier Unterhosen, fünf T-Shirts, ein Hemd, ein Pullover, eine Fleece-Jacke, eine lange und eine kurze Wanderhose, eine feine lange und eine feine kurze Hose, eine Regenjacke, Wanderstiefel, Flipflops. Die überschaubare Kleidersammlung besteht aus zwei größeren Blöcken: Outodoor-Klamotten und Straßenkleider. Das Outdoor-Equipment ist fast durchweg von Mammut, vier Produkte möchte ich hervorheben: den riesigen (85 Liter!) und trotzdem perfekt auf dem Rücken sitzenden Rucksack, den leichten Daunenschlafsack in Übergröße (weniger als 1 kg bei 195 cm), die sehr elastische Trekkinghose und die Wanderstiefel, die in der mir passenden Größe von 48 schon allein einen Rucksack brauchen könnten, shoe pack statt day pack.

Die gelbe Rolle am linken oberen Bildrand enthält das Zelt und zwei Isomatten, extrem kompakt und sehr leicht. Der amerikanische Hersteller MSR ist Spezialist für Leichtbau, eines seiner leider sehr teuren Zelte wiegt weniger als zwei Kilogramm – inklusive Stangen und Heringen! –, ein kombiniertes Schlafsack- Isomattensystem kommt ganz ohne Reißverschlüsse aus und wiegt zusammen weniger als die Mumie von Mammut allein. Doch in den Bergen Kanadas kann es auch im August nachts kühl werden, ich habe mich gegen den Gewichtsvorteil und für den Schlafkomfort entschieden. Und hoffe, dass ich das nicht bereue.

Bei der Streetwear haben wir uns fast durchgängig für Icebreaker entschieden (okay, es gibt auch ein paar Stücke von H&M), die Neuseeländer verwenden nur Merinowolle. Die aus dem Material gefertigten Kleidungsstücke sind leicht, tragen sich sehr angenehm und stinken nicht, selbst wenn sie schon ein paar Tage im Einsatz sind. Mein Lieblingsstück ist ein hauchzartes blau-graues Polo-Hemd, das wahrscheinlich im Dauereinsatz sein wird. Bis der erste Kanadier in meiner Nähe die Nase rümpft, die Nähe eines Bären vermutend.

Vorn rechts liegt unser technisches Equipment. Die Kamera ist eine Canon 600 D. Ich fotografiere seit meiner Jugend mit Canon, habe mir einst eine AE 1 Programm gegönnt, eine der ersten Spiegelrefelxkameras mit Blenden-, Zeit- und Vollautomatik. Seit vier Jahren benutze ich vor allem eine G 11, eine Kompaktkamera, die fast so gute Bilder macht wie eine digitale Spiegelreflexkamera. Dachte ich zumindest. Bis ich die 600 D in Händen hielt. Wow. Die macht Bilder! Video kann sie auch, die Kamera hat zudem einen Mikrofoneingang. Einziger Nachteil: Zum günstigen Einsteiger-Set gehört ein Objektiv, das erfahrene Fotohändler abfällig als „Scherbe“ diffamieren.

Wir haben die Kamera um ein kompaktes Reise-Zoom von Tamron ergänzt, bei gleicher Lichtempfindlichkeit wie das Canon Set-Objektiv hat das Tamron eine fast drei mal größere Brennweite – 18 bis 270 Millimeter. Beinahe hätten wir uns für ein anderes, extrem lichtstarkes Tamron-Objektiv entschieden, es zoomt zwar nur von 18 bis 70 Millimeter, doch das bei einer durchgängigen Lichtempfindlichkeit von 2,8. Und leider bei einem Gewicht von deutlich über einem Kilogramm.

Getragen wird die große Kamera vom wohl genialsten Stativ der Welt (links neben der Stirnlampe). Das Magic System Pod von Cullmann lässt sich ganz flach zusammen legen, so dass es im Rucksack kaum mehr Platz einnimmt als ein Laptop; es wiegt ungefähr ein Kilogramm. Der Stab neben dem Stativ ist übrigens das Mikrofon, ein Eigenprodukt des Musik-Händlers Thomann, es hat zwei Charakteristiken, kann Richt- oder Nahfeldmikro, quasi Teleobjektiv oder Weitwinkel. Für den kleinen Film zwischendurch haben wir noch eine Bloggie dabei, die Videokamera von Sony ist nicht größer als ein Smartphone und kann sogar in 3-D aufnehmen…

Die grünen Tüten am oberen Bildrand enthalten das Essen für unser Hüttentrekking. Die Fast Natural Food- Fertiggerichte von Farmers Outdoor sind vor allem nahrhaft und geschmacklich eher „okay“. Aber das ist schon eine Auszeichnung. Outdoorküche ist nie wirklich gut. Ich erinnere mich noch immer ungern an die miserablen Nudelgericht während einer Kanutour, weiche Spaghetti, eine undefinierbare Tomatensauce, die der Tourguide abends mit großem Stolz selbst zubereitete und von den Teilnehmern mit stummer Begeisterung vertilgt wurde (ich habe während der Reise mehr als drei Kilo abgenommen). Dagegen sind die Nudeln „aglio-olio“ und das „Risotto Toskana“ beinahe ein Genuss.

Und jetzt alles wieder in den Rucksack. 26 Kilogramm zeigt meine Kofferwaage an. Und es fehlen noch ein paar Dinge: der Kulturbeutel, die Reiseunterlagen, die Wasserflasche. Mist! Also: alles wieder raus. In ein paar Stunden geht es los.


SUSANNE: Jetzt liegen die Sachen vor mir auf dem Fussboden. Fein säuberlich getrennt zwischen Stadtoutfits – ein paar Kleider und eine Strickjacke – und Outdoor-Kleidung – Fleece, Wanderhose und -stiefel –, daneben Strandsachen, Unterwäsche und Socken. Hinzu kommen Kosmetika, Reiseapotheke, Wasch- und Geschirrspülmittel und die Abteilung, bei der mir immer noch etwas einfällt: Nützliches, etwa Notizbuch, Stirnlampe. Tja, und dann liegen da noch unzählige Ladegeräte, Netzteile und Kabel. Und weil das so viele sind, habe ich schon vor Wochen beschlossen, meine Ultraschall-Zahnbürste nicht mit zunehmen.

Die Herausforderung, mit dem Inhalt eines Rucksacks durch Indien und die Antarktis reisen zu können, durch den Sommer in Australien und die spätsommerliche Kühle der Rocky Mountains. Und wie schaffe ich es, mich dabei jeden Morgen, auch nach vier Monaten, gerne anzuziehen? Natürlich werden wir uns zwischendurch auch mal etwas neues kaufen, aber grundsätzlich sollte alles wichtige dabei haben. Zwar raten einige Blogger davon ab, die Lieblingssachen mitzunehmen, denn die könnten geklaut werden. Aber, Moment mal, – es wird eine sehr besondere Zeit, ich werde Fotos machen, tolle Menschen treffen – sollen die mich in meiner ausgeleierten Joggingshose kennen lernen?

Und so sehe ich unsere Auszeit nicht als lange Reise, sondern als Leben an unterschiedlichen Orten. Ich möchte in Lissabon nicht mit praktischen Outdoorhosen unterwegs sein, deren Beine man durch einen Reißverschluss abtrennen kann. Ich möchte auch weiterhin Kleider tragen, und wenn wir abends essen gehen einen Lippenstift auftragen. Bloß wie schaffe ich es, dass all das zusammen weniger als 12 Kilo wiegt?

Am Flughafen dann Gewissheit: Mein Rucksack wiegt 11,8 Kilogramm. Nicht viel für fünf Monate. Dirks Riesenrucksack wird mit 23 Kilogramm gemessen, allerdings hängen auch noch Zelt, Isomatten und Kocher an seinem Rucksack. Das alles werden wir aber von Portugal aus zurück schicken. Für das geplante Lodgetrekking im Himalaya brauchen wir keine Camping-Ausrüstung.

* die Produkte wurden uns von den Herstellern leihweise zur Verfügung gestellt