Kanada: In „Omas Schrankwand“ von Calgary nach Vancouver – Inside Passage und noch mehr schöne Campgrounds, Teil 3

Die Inside Passage in British Columbia

Nach dem Frühnebel glänzt das Wasser

Ein Reisebericht von Susanne Baade und Dirk Lehmann

Trööt, trööt, trööt. Der Warnton aus dem iPhone ist kein schönes Geräusch. Erst recht nicht um 4.30 Uhr morgens an einem Wochenende in den Ferien. Doch schon seit Monaten wissen wir, dass dieser Tag mitten in der Nacht beginnen wird. Seit Wochen planen wir unsere Reise auf diesen Term hin. Und manchmal hat es uns auch genervt, dass wir all die vielen Kilometer fahren „müssen“, um in Prince Rupert auf die Fähre zu rollen, die uns nach Port Hardy auf Vancouver Island bringen wird. Es entschädigt uns aber das Wissen, dass die Inside Passage als Schmuckstück in der Motiv-Sammlung für jeden Seh-Fahrer gilt. Dass sie auch so viel kostet wie ein Einkaräter, soll ebenfalls nicht unerwähnt bleiben. Und doch haben wir uns von Anfang auf die Fahrt durch die Inselwelt vor der Küste British Columbias gefreut.
Frühmorgens warten wir auf die Fähre  Rauf auf die Fähre

Jetzt stehen wir auf dem Parkplatz, halten uns mit frisch gekochtem Instant-Espresso wach (das ist einer der Vorteile, in einem Wohnmobil wie „Omas Wandschrank“ unterwegs zu sein, man kann besseren Kaffee trinken als die meisten Tankstellen und Automaten einem andrehen wollen) und warten darauf, dass das Beladen beginnt. Kurz vor sieben Uhr rollen wir in den Bauch der Fähre. Es ist doch immer wieder verblüffend, dass sich so ein Schiff überhaupt nicht mit dem Bug aus dem Wasser hebt, wenn es mit Autos, Wohnmobilen und Trucks voll gestopft wird. Und noch verblüffender ist, dass man sich vor der Buchung einer solchen Reise nicht die Bohne mit dem Gedanken befasst, wie viel Spaß die teure Fährfahrt wohl macht, wenn man nichts sieht. Noch als das Schiff vom Kai ablegt, liegt so fetter Nebel über Prince Rupert, dass man kaum den eigenen Schlepper vor Augen sehen kann.

Anfängliche Enttäuschung – es ist neblig

Gegen elf Uhr reißt der Nebel nicht etwa auf, nein, wir lassen ihn einfach hinter uns, fahren aus dem Nebel heraus. Wie wir an diesem Tag überhaupt das schlechte Wetter einfach hinter uns lassen, das uns den Norden des Landes doch ein wenig vergällt hat. So großartig die Landschaften hier sein können, so unberechenbar ist das Wetter. Anfangs amüsierten wir uns noch über Freak-Gewitterwolken, die sich plötzlich am ansonsten blauen Himmel über uns ineinander verkeilten, los donnerten und dann unfassbare Wassermengen auf uns abließen. Drei Stunden später war alles vorbei, die Sonne schien wieder. Allerdings bei Temperaturen, die um mehrere Grad gefallen waren. Irgendwann waren wir nur noch genervt von diesen unnötigen Naturschauspielen. Und auch deshalb tut die Sonne gut (was wir noch nicht wissen: Das schlechte Wetter wird uns in der Nacht einholen).

Fahrt aus dem Nebel

Auch jetzt ist es noch kalt. Obwohl die Sonne heraus gekommen ist, bleiben die meisten Passagiere lieber drinnen. Wie einige andere Tapfere, packen auch Susanne und ich die Sachen und setzen uns – noch in alle Kleidungsstücke gehüllt, die wir dabei haben – auf das Deck am Heck des Schiffes. Im Windschatten, die Sonne kommt über Steuerbord, die Schiffsschrauben der in Flensburg gebauten „Northern Expedition“ ziehen eine weiße Doppellinie durch das tiefblaue Wasser. Ich hatte ganz vergessen, wie unglaublich tiefenentspannend es sein kann, mit einem Schiff zu fahren.

Sonnenbad an Deck  Sonnenbad mit Aussicht

15 Stunden dauert die Reise. Zeit genug, um viele Passagiere kennen zu lernen. Und mit den meisten können wir uns in unserer Muttersprache unterhalten – die Inside Passage ist vor allem bei Deutschen beliebt. Wir treffen ein Segler-Pärchen aus München, Mitglieder einer Reisegruppe Heidelberg und zwei ambitionierte Hobby-Fotografen aus Kiel, die mit einer Ausrüstung reisen, die manchen Profi vor Neid blass werden lässt.

Treffen unter Freunden  Die Fähre die uns durch die Inside Passage bringt

Und dann beobachten wir zwei Motorradfahrer in Harley-Davidson-T-Shirts, die sich mit kämpferischen Slogans und entschlossenen Gesichtern vor der Reling fotografieren. Paul Fletcher and Daniel Sikorsky protestieren so gegen eine Pipeline, die in diesem Landschaftsparadies verlegt werden soll. Um ihre Ablehnung in die Welt zu tragen, fahren sie mit ihren Harleys durch Kanada und fotograiferen sich und andere mit Protest-Noten. Ihr „Ride the Pipe“ soll das Projekt stoppen. Und es stört die beiden nicht sehr, dass es eigentlich ein Widerspruch ist, mit einem Öl-Verbrenner gegen eine Öl-Konzern zu protestieren. Doch was ein Unglück für den schmalen, aber pitoresken Seeweg mit seinen einsamen, über und über bewaldeten Inseln bedeuten würde, ist leicht zu ermessen.

Wir bleiben draußen und genießen die Sicht und das Licht

Schon am Morgen konnte man sich für eine Brückenführung anmelden. Am Nachmittag holt uns der Erste Offizier ab für eine Tour durch den Kommando-Stand des 2009 gebauten Schiffes. Mit Seefahrer-Romantik hat so ein Ort nichts zu tun. Es ist schlicht ein moderner Arbeitsplatz, mit Computer- und Satelliten-Unterstützung wird die „Northern Expedition“ gesteuert. Nur zwei Crew-Mitglieder müssen sich an normalen Tagen wie heute in dem riesigen Raum aufhalten, sie trinken Unmengen von Kaffee, sehen aus dem Fenster und halten nach Walen Ausschau. „Da bläst einer!“ Wir halten uns die Ferngläser vor die Augen. Tatsächlich hängt schräg vor uns für Sekunden eine feine Nebelwolke in der Luft. Da wieder eine! Aufgeregt suchen die Gäste den Horizont ab. Und wenig später überholen wir die Buckelwale auf ihrem Weg in den Süden. Ihre Wege führen durch diese geschützte Wasserstraße. Die Fährfahrt als Whale-Watching-Tour.

die Besichtigung der Brücke   Die Queen ist immer dabei

Die Brückenbesatzung entdeckt die Wale zuerst

Buckelwale begleiten eine zeitlang die Fähre

David und Goliath – das kleine Schiff zieht das große hinter sich her

Mehr Schiffe als Wildlife. Die Inside-Passage ist eine viel befahrene Wasserstraße, Container-Schuten werden zwischen Alaska und Vancouver hin und her geschleppt, winzige Logging-Boats zerren riesige Inseln aus Holzstämmen hinter sich her. Als unser Schiff schließlich in Port Hardy, im Norden von Vancouver Island anlegt, ist es bereits 22.30 Uhr. Und wir lenken Omas Schrankwand vorsichtig von Bord. Nur ein paar Kilometer sind es bis zu unserem Campground. Kurz bevor wie ihn erreichen, trottet noch ein Schwarzbär vor unserem Camper über die Straße und verschwindet in genau jenem Wald, in dem wir gleich mit unserer rollenden Burg vor Anker gehen werden. Quatse-Campground-Gastgeber Ken erklärt, dass drei Bären zur Zeit auf dem Platz aktiv wären: eine Mutter mit ihrem Jungen und ein jugendlicher männlicher Bär, so ein richtiger Halbstarker. Ken: „Be Bear-aware.“ Wir bauen den Wagen auf, fahren den Slide-Out raus und fallen total müde in die Betten. Scheiß auf die Bären.

"Selfie" an Bord   Es ist schon dunkel, als wir die Fähre wieder verlassen

Die besten Campgrounds auf unserer Wohnmobiltour durch Kanada, Teil 3: Vancouver Island von Port Hardy im Norden nach Nanaimo im Südwesten und in die City von Vancouver

Port Hardy und der Regen  Schlafen unter riesigen Hemlock-Tannen

Port Hardy

In unserer Sammlung entlegener Städte, die überraschen, und in denen man trotzdem nie leben will, wird Port Hardy für immer einen Ehrenplatz einnehmen: In dem von dänischen Einwanderern geprägten Kaff sitzen wir an einem milden Nachmittag draußen vor dem „Café Guido“ trinken verdammt guten Kaffee und essen sehr leckere Panini belegt mit würzigem Käse und gedünsteten Pilzen. Alle Leute, die vorbei kommen, grüßen. Die Stimmung ist entspannt und nett (nach dem nächtlichen Regen wärmt die Sonne, und die Lachse springen so hoch aus dem Wasser, dass man sie fast mit den Händen fangen kann). Der Campground Quatse River unter gewaltigen Hemlock-Tannen, Zedern und Douglasien verfügt über geräumige Stellplätze mit Strom und Wasser. In der nahen Salmon Hatchery wird wilder Lachs bei der Brut unterstützt. Hier lernen wir, wie sich die Arten unterscheiden, ein Coho stirbt nach der Eiablage, Steelheads nicht; letztere legen bis zu 5000 Kilometer zurück. Der lehrreichste Campingplatz unserer Reise; ab 29 Dollar

Sonnenuntergang am Miracle Beach  Alles ist sehr grün am Miracle Beach

Miracle Beach

Wir haben Omas Wandschrank an Seen aufgebaut und in Wäldern, an Flüssen und in den Bergen. Aber noch nicht am Meer. Und deshalb waren wir absolut scharf darauf, am Miracle Beach einen Stellplatz zu bekommen – und sind hingefahren, gleichwohl der Campingplatz so gut wie ausgebucht war. Umso größer unsere Enttäuschung, als sich herausstellt, dass das Meer weit entfernt ist und unser Wagen wieder unter Bäumen steht. Am Abend machen wir dann den Spaziergang ans Wasser und möchten vor Begeisterung fast in Tränen ausbrechen: ruhig und weit liegt das Meer vor uns, steil und teilweise schneebedeckt erheben sich die Berge auf der anderen Seite des Sundes, angespülte Baumstämme liegen bleich im weichen Sandstrand. Wir hocken hier eine Weile. Bis uns kalt wird. Was ein magischer Ort. Stellplätze ohne Strom- und Wasseranschluss 25 Dollar

Campground Living Forest  Stellplatz mit Meerblick

Living Forest

Endlich ein Stellplatz mit Meerblick. In der Nähe der lebendigen Inselstadt Nanaimo liegt an einer Flussmündung dieser riesige Campground mit mehr als 300 „full serviced“ Parzellen. Der Platz ist ganzjährig geöffnet und sehr beliebt bei Dauercampern, einige kommen aus dem Norden von British Columbia oder gar aus Alaska, um den strengen Winter hier auf der höchstens mäßig kalten Insel zu verbringen (die Inselhauptstadt Victoria ist bekannt für ihre botanischen Gärten). Die meisten Stellplätze im Living Forest haben Strom, Ab- und Frischwasser, drahtloses Internet und eine Feuerstelle, die Duschen kosten Geld, für einen Dollar gibt es etwa drei Minuten warmes Wasser. Der fantastische Blick über die Bucht und der Duft der Kiefern entschädigen auch dafür; ab 38 Dollar

Burnaby Campground in Vancouver  Stadtrundfahrt in Vancouver

Burnaby

Am Stadtrand von Vancouver liegt der Burnaby Cariboo RV Park, zwischen zwei Highways und einer Bahnlinie. Nach der Ruhe und Abgeschiedenheit, die wir an den meisten Plätzen in diesem Land erfahren haben, ist dieser Ort schon eine Herausforderung. Und erweist sich doch als perfekter Abschluss für unsere Camper-Tour. Denn nur wenige Minuten Fußweg entfernt gibt es eine S-Bahn-Station – der Sky-Train fährt direkt nach Downtown Vancouver. Der Campingplatz ist gut ausgestattet mit Strom, Wasser und Abwasser, das Internet ist schnell, und es gibt einen Supermarkt, eine ganze Batterie gut gewarteter Waschmaschinen, einen kleinen Pool und eine Sonnenterrasse. Zudem sind Harriet und ihr Team die besten Gastgeber, die wir je auf einem Campground getroffen haben (grüßt sie herzlich von uns!). Leider kostet der Komfort: 62 Dollar pro Nacht. Im Vergleich zu den Kosten für ein Hotelzimmer – ein Schnäppchen.