Kreuzfahrt unter dunklen Wolken: das schlechte Image einer erfolgreichen Urlaubsform

Kreuzfahrten – wirkliche Umweltverschmutzer?

Ist es die schiere Größe mancher Schiffe? Oder die geballte, manchmal ja durchaus ballermann-eske Erlebnissucht ihrer in Scharen auftretenden Passagiere? Ist es der schon fast beängstigende Erfolg einer Urlaubsart, die jährlich um zehn Prozent wächst? Oder steckt dahinter auch die Abneigung gegenüber einer Reise ohne Ziel, denn viele Schiffe genügen sich mit ihren Unterhaltungsangeboten selbst als Ziel? Vielleicht ist es eine Mischung aus allem. Denn obwohl die Menschen in Scharen zu den mit viel Aufwand zelebrierten Schiffstaufen kommen, obwohl sie noch immer zu Tausenden an der Elbe stehen, wenn die „Queen Mary 2“ ein- oder ausläuft, hat doch kaum eine Reiseform in den Medien ein so schlechtes Image wie die Kreuzfahrt.

Das zeigte sich bereits in der Berichterstattung über die Havarie der „Costa Concordia“ vor Giglio, bei der 32 der 4229 Menschen an Bord starben. Viele Artikel waren geprägt vom unterschwelligen, absolut unhaltbaren Vorwurf, dass der Größenwahn der Boombranche ein solches Unglück überhaupt erst begünstigt habe. Dabei waren weder technisches Versagen, noch unbeherrschbare Hightech oder eine die Navigations-Offiziere überfordernde Verkehrssituation die Ursache, sondern „nur“: menschliches Fehlverhalten.

Zwei Monate später kracht in einem Schweizer Autobahntunnel ein Reisebus in eine Mauer. 28 der 50 Fahrgäste kommen ums Leben, darunter 22 Kinder. Doch hier gibt es verblüffenderweise keine Kommentare, in denen neue Sicherheitsbestimmungen gefordert werden oder ein Tempolimit für große Busse. Im Falle des Busunglücks – für das übrigens auch keine technischen Mängel verantwortlich waren – wird nicht moralisch argumentiert. Beide Unfälle sind tragisch, beide auch eigentlich nicht vergleichbar. Doch eins wird offenbar, wenn man die Berichterstattung dazu analysiert: Die Kreuzfahrt hat ein Image-Problem.

Das zeigte sich auch, als im Herbst 2012 einige Demonstranten gegen die zunehmende Zahl an Kreuzfahrtschiffen in Venedig protestierten. Berühmte Einwohner wie Donna Leon hatten sich der Bewegung angeschlossen. Viele Medien dokumentierten, wie sich riesige Schiffe durch den Canale Giudecca schieben und die fast 70 Meter hohe Kuppel der Kirche Santa Maria della Salute winzig aussehen lassen. Und sie kommentierten die Folgen für die Umwelt. Kreuzfahrtschiffe, so hieß es, stoßen Kohlendioxid aus, Ruß und Feinstaub, ein Schiff emittiere so viele Schadstoffe wie die Auspuffabgase von 14.000 Autos oder 2.000 Lastwagen – mit unabsehbaren Folgen für die Lagunenstadt. Aber sind die Kreuzfahrt-Passagiere wirklich verantwortlich für deren Untergang? Und scheint nicht  die Fahrt mit einem kleinen Schiff durch Venedig viel gefährlicher zu sein?zwei Kreuzfahrtschiffe begegnen sich

Seit einigen Jahren argumentiert auch der Naturschutzbund Deutschland – Nabu – mit ungewohnter Schärfe gegen die Kreuzfahrtindustrie. Zurecht prangern die Umweltschützer an, dass kaum Schiffe mit Rußfiltern oder Katalysatoren ausgerüstet würden. Dass Kreuzfahrtschiffe noch immer nicht mit umweltfreundlichem Marine-Diesel führen, sondern mit Schweröl, das bis zu 5 Prozent Schwefel enthalte. Und dass die Maschinen der Schiffe in Hafenstädten rund um die Uhr laufen und nachweislich die Luft verpesten.

Das Anliegen ist gut. Und deshalb werden die Ergebnisse der „Kreuzfahrtkampagne“ – so der Name des Nabu-Dokuments mit allen Hintergrundinformationen zur Umweltbelastung durch die Schiffe – von vielen Medien verbreitet. Ohne dass die die darin präsentierten Ergebnisse groß hinterfragen. Doch das Nabu-Team bündelt in der Argumentation Fakten, die nicht zusammen gehören.

So prangert die Organisation die gigantischen Dimensionen mancher Schiffe an, die bis zu 6000 Passagiere aufnehmen können und bis zu 97.000 Kilowatt Strom verbrauchen. Ja, solche Schiffe gibt es. Aber es sind wenige. Und in Deutschland verkehrt keiner dieser Giganten. Die Hamburg anlaufende „MSC Magnificia“ kann 2500 Passagiere aufnehmen, die „Queen Mary 2“ maximal 3000. Das Statistische Landesamt für Hamburg und Schleswig-Holstein hat die Zahlen für die Schifffahrt in Hamburg publiziert: Von den 10.106 Seeschiffen, die 2011 in Hamburg angelegt haben, waren 104 Kreuzfahrtschiffe. Das sind weniger als ein Prozent. Von den 454 Großschiffen mit einer Bruttoraumzahl (BRZ) von mehr als 100.000 waren 429 Containerschiffe.Blick aus der Hängematte auf das Nachbarschiff

Beim Nabu heißt es, auf den Weltmeeren führen rund 550 Kreuzfahrtschiffe. Und die Seeschifffahrt insgesamt erzeuge mit jährlich etwa 900 Millionen Tonnen CO2, immerhin rund 2,7 Prozent der gesamten, so genannten menschengemachten Emissionen. Besonders in Küstennähe würden die Abgase fatale Folgen haben und indirekt verantwortlich sein für bis zu 50.000 Todesfälle.

Doch kann das stimmen? Insgesamt, so Schätzungen, besteht die Weltflotte aus rund 90.000 Schiffen. Das Umweltbundesamt gibt an, dass davon rund 40.000 für 90 Prozent des Weltwarenverkehrs verantwortlich sind. Die Zahl der Passagierschiffe an der Weltflotte betrage etwa 6500, davon sind rund 300 Kreuzfahrtschiffe. Wenn also die Weltflotte insgesamt für rund 2,7 Prozent der menschengemachten CO2-Emissionen verantwortlich sein soll, und wenn nicht einmal 0,1 Prozent der Weltflotte Kreuzfahrtschiffe sind, wie hoch kann dann deren Anteil an der CO2-Belastung sein?

Die Ursache für die Umweltverschmutzung durch Schiffe ist der Kraftstoff. In den riesigen Zwei-Takt-Dieselmotoren wird eine schlammartige Paste verheizt, die eigentlich ein Abfallprodukt der Raffinerien ist: Schweröl. Dessen Schwefelanteil von bis zu fünf Prozent wird in der Maschine nicht verbrannt. Und so stößt ein im Hafen liegendes Kreuzfahrtschiff in sechs bis acht Stunden immerhin bis zu 60 Tonnen CO2 aus, 1,2 Tonnen Schwefeldioxid und 120 Kilogramm Ruß.

Die einfachste Lösung: auf schwefelärmere Kraftstoffe umzuschalten. In den meisten Häfen ist das inzwischen ohnehin Pflicht. Doch sobald die Schiffe ablegen, schaltet man wieder auf Schweröl um. Der Grund ist banal. Schwefelarmer Marine-Diesel ist pro Tonne bis zu 300 Dollar teurer. Und je nach Größe verbraucht ein Schiff bis zu 50 Tonnen Kraftstoff am Tag. Ältere Schiffe mit Katalysatoren oder aufwändigen Rußfiltern – Scrubbern – nachzurüsten, scheitert oft am Platzmangel an Bord.

Es soll hier kein Missverständnis aufkommen: Es ist ein Armutszeugnis, dass nur drei Neubauten – „Europa 2“, „Mein Schiff 3“ und „Mein Schiff 4“ – mit Katalysatoren ausgerüstet sind, bzw. werden. Auch deshalb ist die Forderung des Nabu für mehr Umweltschutz bei den Traumschiffen richtig. Doch hat die Argumentation sehr den Charakter einer Kampagne, die billigend in Kauf nimmt, dass mehrere Artikel ungeprüft die Zahlen übernehmen – wie dieser der Süddeutschen Zeitung – und den Eindruck erzeugen, Kreuzfahrtpassagiere sind in einem viel größeren Ausmaß Umweltschweine als sie es eigentlich sind.

Dabei werden im Nabu-Bericht einige relevante Fragen nicht thematisiert: Wollte man signifikant CO2-, Ruß- und Schwefelausstoß reduzieren, müsste man dann nicht vor allem bei der Handelsflotte ansetzen? Laut World Ocean Review machen Tanker und Stückgutfrachter je 35 Prozent der fahrenden Schiffstonnage aus, Containerschiffe 14 Prozent – darunter gibt es etwa 160 Riesenschiffe, die mehr als 10.000 Container transportieren können, bis zu 400 Meter lang sind, und deren Motoren 80.000 PS leisten – und Frachtschiffe 9 Prozent. Fahrgastschiffe (und das meint auch die vielen hundert Fähren) stellen einen verschwindend geringen Teil der Weltflotte. Kann man die Umweltverschmutzung auf See wirklich signifikant eindämmen, indem man Katalysatoren nur für Kreuzfahrtschiffe fordert? Sind tatsächlich Urlauber das Problem? Oder geht es hier nicht um viel mehr – etwa um eine Wirtschaftsordnung, deren Warenströme ständig über die Weltmeere gekarrt werden?

Zurecht klagen die Reedereien der Kreuzfahrtbranche, dass der Nabu in seinem jährlichen Bashing die Fortschritte ignoriert: Dass etwa die neuen Aida-Schiffe kein Schweröl mehr tanken. Dass die „Europa 2“ mit einem Katalysator fährt, der den Ausstoß von Schwefel und Stickoxyden signifikant reduziert. Oder dass Tui-Cruises und Aida in Hamburg ab Herbst schwimmende Gas-Kraftwerke einsetzen. Bisher mussten die Maschinen der Schiffe für die Dauer der Liegezeit im Hafen weiterlaufen, um die Stromversorgung an Bord zu sichern. Zukünftig kann man die Motoren – die im Hafen übrigens nicht mit Schweröl sondern mit schwefelarmem Diesel betrieben werden müssen – abschalten und Strom von den mobilen Kraftwerken beziehen. Die Emission von Stickoxiden reduziert sich um bis zu 80 Prozent, die von CO2 um bis zu 30 Prozent.

In nächster Zeit greifen zudem schärfere Regelungen. In den Küstengewässern der USA und Kanadas darf der Schwefelanteil im Kraftstoff von Kreuzfahrtschiffen einen Grenzwert von 0,1 Prozent nicht überschreiten.  Dieser Wert gilt ab 2015 auch für küstennahe Regionen an Nord- und Ostsee. Ab 2020 darf dann auch auf hoher See kein Schweröl mit einem Schwefelanteil von mehr als 0,5 Prozent verheizt werden.

Die Kreuzfahrt hat ein schlechtes Image. Sie gilt nach wie vor als elitär, ihre Anhänger werden gern ein wenig belächelt, „Ach, du warst auf Kreuzfahrt…“ Man muss es nicht mögen, auf See zu sein (wir lieben es). Doch das allein rechtfertigt nicht eine ungenaue und tendenziöse Berichterstattung. Der Kompensationsrechner von Atmosfair ermittelt für einen Hin- und Rückflug für zwei Personen von Frankfurt nach New York einen CO2-Ausstoß von rund 9500 Kilogramm, für eine 20-tägige Kreuzfahrt sind es 8300 Kilogramm. Zwei Millionen Deutsche machen auf See Urlaub. Wissenschaftlich wurde bisher kein Nachweis erbracht, dass sie auf diese Art mehr zur Umweltzerstörung beitragen als andere Reisende.

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Weitere Infos zum Thema in den Artikeln des Kreuzfahrtexperten Franz Neumeier und des Schiffsjournalisten Henning Sietz. Kreuzfahrt auf der Nordsee