NYE in Dublin: Jahreswechsel in einer der spannendsten Städte Europas

Dublin: The Bernard Shaw

Bram Stroker´s Lieblingskirche
Ein Paar auf Reisen: Silvester in Dublin – übergroß grüßt das Motto für das neue Jahr

Ein Reisebericht von Susanne Baade (Fotos) und Dirk Lehmann (Text)

Wir fliegen zur großen Silvesterparty nach Dublin. Wir freuen uns, denn die Iren können feiern. Und dann begeistert uns die Metropole mit verrücktem Essen und warmherzigen Menschen

Der Garten des The Bernard Shaw Bacon Jam?!

Filme im The Bernard Shaw leckere Pizzen

Bacon Jam und Pizza im „The Bernard Shaw“: Wir treffen Trisha und Dan aus Florida

„Was ist das, bitte?“ Vielleicht haben wir ihn ja nur nicht richtig verstanden. Denn die Iren sind nicht leicht zu verstehen. Da kommst du mit deinem Schul-Englisch schon am Flughafen durcheinander, wenn es nicht – wie erwartet – heißt: Welcome to Dublin (gesprochen: Dablin), sondern Welcome to Dublin (gesprochen: Dupplin). Auch Trisha und Dan aus Florida, sie Balletttänzerin, er Foto-Künstler, sind nicht sicher, ob sie sich verhört haben. Wir lernen die beiden im Hinterhof des „Bernard Shaw“ Pubs kennen. Hier steht ein ausrangierter Doppeldecker-Bus, in dem man sitzen kann und Pizza gebacken wird, die Wände im Hof dienen einer eigenen „Graffiti-Academy“. Und jetzt wiederholt der zickenbärtige Kellner mit stoischer Ruhe: „This is Bacon Jam. Just spread on bread.“

Marmelade aus gebratenem Speck also. Und so verdichtet sich unser Eindruck, dass sie hier alle irgendwie verrückt sind, crazy, nuts, durchgedreht. War nicht bereits der Taxifahrer so ein Verrückter? Unbedingt wollte er uns den schweren Koffer abnehmen, obwohl die bandagierte Hand offenbar schmerzte. Er ließ nicht mit sich reden. „It’s my job“, sagte er. Woher die Verletzung stamme, wollten wir wissen, befürchtend, es handele sich um eine Sehnenscheidenentzündung in Folge unzähliger, ins Auto gewuchteter Koffer. Waren am Ende nicht doch irgendwie wir schuld, als Teil des großen Touristen-Stroms? Der Taxifahrer kleinlaut: „Martial Arts. It was my fault.“ (Und selbst diese wenigen Worte hat er so verdammt anders ausgesprochen.)

Tauben im Park  ein Mann füttert die Schwäne

Ausstellung in Dublin   Graffitti in Temple Bar
Park und Proletariat: Dublins Vielfalt, Dublins Menschen, Dublins Stolz zwischen der innerstädtischen Grünanlage Stephen’s Green und dem Szene-Viertel Temple Bar 

Dublin. Willkommen zurück bei dir, du immer etwa zu sehr aufgedonnerte, doch immer auch süße Tussi. Wie schön, dein Lachen zu sehen, auch wenn deine Zähne nicht die besten sind. Deine kräftige Umarmung zu spüren, deine ehrlich verdienten Krähenfüße. Deine Stimme zu hören, die rau ist und kratzig vom Leben. Und, hach ja, du weißt zu leben. Obwohl du nach wie vor eine arme Sau bist, der das Geld gerade soeben nur reicht, du lässt dich nicht unterkriegen. Und ein paar Bier sind immer drin.

Mensch, hat diese Stadt eine Achterbahnfahrt durch die Geschichte hingelegt. War eine arme Arbeitermetropole, in der noch Mitte des letzten Jahrhunderts das Einkommen kaum reichte, um eine Familie zu ernähren. Entwickelte sich zum goldenen Käfig des Celtic Tiger. EU-Fördermittel und Steuerbegünstigungen brachten viel Geld in Irlands einzige Metropole, die City wurde renoviert, neue Stadtteile erschlossen, Dublin reinigte sich vom Kohlenstaub und begann zu glänzen. Die Weltwirtschaftskrise beendete die Höhenflüge. Jetzt erobern die Menschen ihre Stadt zurück, machen sie lebens- und liebenswert.

Strasse im Sonnenlicht

The Dublin Museum

Love Dublin: Die Dezembersonne glitzert, das Little Museum erzählt Geschichte von unten

Wir stehen im The Little Museum of Dublin. Es ist so ein moderner Bürger-Ort, ein Haus, das die Geschichte dieser Stadt erzählt aus der Perspektive ihrer Einwohner. Jeder kann ein kleines Stück eigener Vergangenheit beitragen, einen Brief, ein Foto, ein Fahrrad, eine Keksdose. Oder die Titelseite einer Zeitschrift aus den verrückten Jahren als jeder ein Millionär sein wollte, von der aber nur eine Ausgabe erschien. John, ein dandyhafter Guide mit trockenem Humor, führt uns durch die Sammlung, deklamiert aus den Zeilen berühmter Bürger und trägt die Antwort vor, die ein Schriftsteller schickte als Antwort auf die Frage, ob auch er ein Stück für die Sammlung habe: „Leider nein“, schreibt John Banville, „aber er würde dem Little Museum of Dublin sein Gehirn überlassen, damit die Nachwelt sich darüber wundern könne, wie klein es ist.“

Das Museum zeigt auch die beeindruckenden Schwarz-Weiß-Fotos von Brendan Walsh, der Ende der 1980er Jahre den Wandel in Nord-Dublin dokumentiert hat. Und es erzählt in einer neuen Ausstellung über den Aufstieg von U2. Die berühmte Band ist allgegenwärtig in der Stadt. Doch während es noch vor zehn Jahren nur eine ehrfurchtsvolle Bewunderung für die Superstars gab, treten die jungen Musiker von heute selbstbewusst heraus aus dem Schatten von Bono und Co. In unzähligen Musikfestivals feiert sich der Nachwuchs selbst, eines der erfolgreichsten nennt sich spielerisch „Hard Working Class Heroes„. Und dieselben Organisatoren sind verantwortlich für das Musikfest zum Jahreswechsel: Love Dublin Day.

John präsentiert seine Lieblingsstücke   tolle Exponate von Shaw im The Dublin Museum
Geschichte mit einem Augenzwinkern: John präsentiert seine Lieblingsstücke im Little Museum, wir mögen die ausdrucksstarken Fotos von Brendan Walsh aus North-Dublin

An den Love Dublin Days (30., 31. Dezember und 1. Januar) treten Musiker und Bands auf in Pubs, Buchhandlungen öffentlichen Gebäuden, umsonst und drinnen. Doch bevor wir weiterziehen können, brauchen wir – nach dem weit zurück liegenden Mittagssnack mit Pizza und Bacon-Jam – noch ein kleines Abendessen. Angesagt in Dublin ist das Restaurant „The Pig’s Ear“. Was ein skurriler Name. Auch die Speisen, die hier serviert werden, haben etwas skurriles: Rinderbäckchen und Ochsenzunge. Schmorgerichte at it’s best. Ich liebe dieses traditionelle, nur ein wenig modern interpretierte Essen. Susanne bestellt gebratenen Lachs. Und gestärkt stürzen wir uns in die Nacht.

die No Name Bar  Konzert im The Stags Head

Essen im The Pigs Ear "Ochsenzunge"  Susanne ist satt und glücklich
Pub-Crawl: Trinken in der „No Name-Bar“, Musik im „Stag’s Head“ und Essen im „Pig’s Ear“, das mit geschmorten Rinderbäckchen und Ochsenzunge begeistert

Die ist bevölkert von jungen Leuten, die zwar das Outfit der 1980er Jahre tragen – Parker, tief sitzende Hosen, Strickmützen und bunte Kleider – aber das Selbstbewusstsein der Gegenwart. Sie betreiben Imbiss-Buden mit Namen wie „Pie-Minister“ oder Bars die „No Name“ heißen. Sie singen herzerwärmende Musik zur Gitarre in klassischen Pubs wie „Stag’s Head“ oder tanzen zu modernisiertem Country-Rock im mondänen „Sugar-Club“, der ein umgebautes Kino ist. Ja, sie mögen verrückt sein, die Dubliner, aber ihre Energie ist mitreißend. Und so lassen auch wir uns einen schwarzen Ganoven-Strich ins Gesicht pinseln und tanzen als „New Years Thieves“ hinaus in die Nacht.

der Sugar Club   Dirk lässt sich Sugar Club als "Thief" schminken

Band im Sugar Club  coole Bemalung
New Years Thieves: Im Sugar-Club werden wir zu Dieben und tanzen mit „Chequerboard“

Wenn wir gewusst hätten, dass das irische Fremdenverkehrsamt mit seiner coolen Kampagne „The Gathering“ – das ganze Jahr 2013 stand unter dem Motto der Zusammenkunft – Irland vor allem zum Treff für überdrehte Lebensfreude gemacht hat, wir wären längst schon in die Gathering-Hauptstadt Dublin gereist. Zum Glück haben wir es noch geschafft. New Years Eve wird die große Abschlussparty eines großen Jahres. Wir werden mit all den Verrückten hier feiern und tanzen und essen und trinken. Und eine Welle der Euphorie und Emotionen wird uns nach 2014 tragen (mehr über unsere Teilnahme an der Procession of Lights und das große Countdown Konzert am College Green hier). So wie es sich hier und heute anfühlt, wird es ein gutes Jahr.

glitzernde Strassenlichter
Es wird bunt. Und zeitweilig etwas unscharf: am Vorabend der großen Silvesterparty in Dublin

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Feuerwerk_pushresetHinweis: Die Recherchereisen für diesen Blog werden zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien, Reedereien und/oder PR- bzw. Tourismus-Agenturen. Unsere journalistische Freiheit bleibt davon unangetastet. Wir danken Tourism Ireland und Visit Dublin.