Neue Pfade durch den Himalaya: Ein Geograph, der zu Forschungszwecken in den Himalaya reist, der Wochen durch Eis und Schnee wandert und Pässe überwindet, die über mehr als 5000 Meter Höhe führen, einen solchen Wissenschaftler stellt man sich leicht als eine Art „Indiana Jones“-Typ vor. Umso überraschter bin ich, Hannes Künkel gegenüber zu stehen. Er ist kein kräftig gebauter, kompakter Kerl mit wettergegerbtem Gesicht, kein Abenteurer, dem man anzusehen glaubt, dass er Kopf und Kragen riskieren würde – Hannes Künkel ist ein hagerer Norddeutscher mit dürrem Schnauzbart, ein junger Mann von 31 Jahren, auf den ersten Blick etwas linkisch, aber er hat Humor und sagt schon nach wenigen Minuten, dass er nur aus einem Grund Geographie studiert hat, weil die Uni in Göttingen bereits Erstsemestern die Möglichkeit bot, an einer Exkursion in den Himalaya teilzunehmen.
Künkel hält bei „Globetrotter“ in Hamburg einen Vortrag mit dem Titel „Auf den Spuren der Himalaya-Pioniere“. Er berichtet von einer Reise, die er 2009 unternommen hat, um das traditionelle Wegenetz in dieser Bergwelt zu erforschen. Die Fotos seiner Forschungsarbeit sind stellenweise beeindruckend, zeigen schmale, kaum 30 Zentimeter breite Pfade an steilen Berghängen, oft genug geht der Blick in schwindelerregende Tiefe (meist ist nicht die Höhe, die uns schwindeln macht, es ist die Tiefe). Künkels Reise war alles andere als ein Selbstgänger. Auf der ersten Passage gerät er mit seiner Mannschaft in eine Schlechtwetter-Zone, es regnet tagelang, es beginnt sogar zu schneien, und der Expedition bleibt nichts anderes, als umzukehren.
Mich beeindruckt die Besonnenheit, mit der Künkel agiert. Selbstverständlich sieht man ihm an, dass er genervt ist. Vor allem aber zeigen die Film- und Fotoaufnahmen, die er und sein Team gemacht haben, welche Ruhe und Gelassenheit erforderlich ist, um solche Unternehmungen verantwortungsbewusst durchzuführen. Diese Stimmung überträgt sich auf die Zuschauer. Rund 60 Gäste haben sich zur Veranstaltung bei Globetrotter eingefunden, und es irritiert etwas, wie sie in ihren Holzfällerhemden und Fleecewesten zwischen Outdoor-Kleidung, Schlafsäcken, Seilen und Reiseführern auf Klappstühlen sitzen – als erhielten sie letzte Instruktionen für eine eigene Expedition. Am Ende applaudieren sie dem Vortragenden, der seinen Dia-Abend mit Film-Enspielern und Landkarten zur Multivisions-Schau machte.
Nach der Veranstaltung habe ich Gelegenheit, mit Künkel zu sprechen. Ich erzähle ihm von unserem Sabbatical-Projekt und dem Vorhaben, im Himalaya zu trekken. Künkel gibt Tipps, rät zur gründlichen Vorbereitung. Schließlich frage ich ihn, ob man auch Mut bräuchte, um so eine Tour zu unternehmen. Der Geograph erwidert: Vor allem den Mut, das Unternehmen abzublasen, wenn es gefährlich wird.