Ein Reisebericht von Susanne Baade (Foto) und Dirk Lehmann (Text)
Man könnte es für eine hinterhältige Form des Fernwehs halten, dass wir nach Monaten unterwegs in einer australischen Kleinstadt stehen, die Sonne brennt auf uns herab, die Blätter der Eukalyptusbäume hängen reglos in der Luft, und wir lesen überall deutsche Wörter: Herford Drive und Aurich Road, ein Restaurant heißt „Lobethal Bierhaus“ (es wirbt mit „Hefeweizen now on tap“), ein Hotel „The Haus“, und in der schwarz-rot-gelb verzierten „German Pantry“ (Slogan: „Home of all Things German“) gibt es „real german Marzipan“ zu kaufen, Pumpernickel und „Linkes Mettwurst“. Doch der australische Twist steckt in der Zubereitungsart, die „German Wurst“ gibt es „plain“, mit Knoblauch oder mit Kängurufleisch.
Dschörmänny down under: Das von deutschen Siedlern gegründete Hahndorf liegt in den Adelaide Hills
Wir sind in Hahndorf angekommen, einer von deutschen Einwanderern gegründeten Siedlung in Südaustralien. Im Dezember 1838 erreichten knapp 200 Siedler an Bord des dreimastigen Segelschiffes „Zebra“ den Roten Kontinent. Es war keine leichte Reise, die Überfahrt dauerte mehr als drei Monate, Stürme mussten überstanden werden, die Vorräte wurden knapp. Beeindruckt vom Durchhaltevermögen seiner Passagiere half der Kapitän bei der Suche nach geeignetem Land. Offenbar war die Unterstützung durch die Respektsperson hilfreich, jedenfalls wurde den Siedlern ein großes Areal in den Hügeln südöstlich von Adelaide zugewiesen. Zu Ehren des aus Sylt stammenden Kapitäns Dirk Meinhartz Hahn nannte man den Ort Hahndorf.
„Real german Mettwurst“ – allerdings gibt es die auch mit Kanguru-Fleisch
Fast 175 Jahre danach ist Hahndorf noch immer ein überraschender Anblick – mit all den deutschen Wörtern auf Straßenschildern und Häuserfassaden. German, so sagt unser Guide, sei zur Zeit sexy, immer mehr Kinder würden in der Schule Deutsch lernen. Wir sehen in Hahndorf vor allem asiatische Touristen und kichern nur leise in uns hinein, als wir hören, wie der Verkäufer der German Pantry seine Kunden mit deutschen Sprachbrocken anlockt: „Come inside for some `gemutlickyte´. Try some of our `ecte Wursst´.“
Adelaide grün: im Tropenhaus des sehr schönen Botanischen Gartens
Wir sind spät abends in Adelaide angekommen, nach 14 Stunden im Flugzeug haben wir einen halben Tag verloren. Und obwohl wir nach der leckeren Bordmahlzeit mit einem einstimmenden Glas Shiraz gut schlafen konnten in den geräumigen Sitzen des Qantas-Jumbos, zerrte noch der Jetlag an uns. Und die Nacht im Hotel „Medina Grand“ verging wie im Koma.
Adelaide modern: die Skyline und die Plastik „Old Dog“ von Craige Andrea
Am Morgen holte uns Mary Anne ab. Sie zeigte uns Adelaide, die Innenstadt, durch die eine für die Fahrgäste kostenlose Tram fährt, den Norden mit seinen Parks und dem botanischen Garten. Und Mary Anne führte uns ein in ein Thema, das uns überhaupt in diesen Teil des Landes gebracht hat: Essen und Wein. Wir sind keine Wein-Experten und auch keine ein Vermögen in teuren Restaurants lassende Genießer. Aber die Angebote in Südaustralien sind so vielfältig, dass es Sinn macht, sich von einem Profi helfen zu lassen. Mary Anne betreibt eine kleine Reise-Agentur, die sich „A Taste of South Australia“ nennt – und erweist sich schon dadurch als gute Wahl, indem sie uns in die Markthalle von Adelaide führt.
Adelaide kulinarisch: an den Ständen im Central Market
Im „Central Market“ probieren wir griechische Oliven und italienischen Schinken, wir lernen den Mann kennen, der in Adelaide bereits „Bio-Produkte“ verkaufte bevor die Bezeichnung Bio überhaupt in Mode kam, wir genießen den Duft von frisch zubereiteter vietnamesischer Nudelsuppe, die herbe Schokolade auf deutschen Lebkuchenherzen, trinken frische Smoothies und hören die Feuerwehrkapelle ihre Version von Michael Jacksons „Thriller“ spielen. Der Blasmusik hören junge Mütter zu, deren Kinder zwischen den Metalltischen herumtollen, Geschäftsleute, die hier ihre Mittagspause verbringen, Touristen wie wir. Ein heller freundlicher Vormittag in Adelaide, der Lust macht auf mehr.
Adelaide vielfältig: Gewürze und Genüsse, und die Feuerwehrkapelle spielt „Thriller“
Doch wir wollten uns ja erstmal ausruhen. Und machen uns auf den Weg über die Adelaide Hills ins Barossa Valley. Schon auf dem Weg dahin entdecken wir unseren ersten Koala, er hockt in einer Astgabel, die Krallen locker um den Stamm gelegt und tut das, was Koalas eigentlich immer tun: schlafen. Selbst als er mit einem Blatt am Fuß gekitzelt wird, reagiert er nur mit einem müden Augenaufschlag. Wir steigen wieder ins Auto und setzen unsere Fahrt fort, die auch eine kurze Reise durch ein Stück der deutschen Geschichte Australiens wird. Denn in den Hills haben sich viele Deutsche nieder gelassen. Unter anderen der in Hamburg geborene Maler Wilhelm Ernst Hans Franz Heysen. Schon als Kind interessierte sich der 1877 geborene Hans für die Malerei, und bereits als 22-jähriger galt er als der „kommende große Landschaftsmaler Süd-Australiens“.
Eine Landschaft, die müde macht – und kreativ: Ein kurz aufgewachter Koala und ein mehr als aufgeweckter Künstler, Hans Heysen war einer der berühmtesten Landschaftsmaler Australiens
Wir haben die Gelegenheit, sein Wohnhaus zu besichtigen, das Atelier und sogar den alten Ford mit dem historischen Wohnwagen, in diesem Gespann begaben sich der Künstler und seine Frau Selma auf ausgiebige Reisen in die Natur. Es berührt sehr, die Bilder dieses feinfühligen Malers zu sehen, die Liebe, mit der er seine am Fenster sitzende Frau portraitiert hat, die Kraft, die er einer Berglandschaft zu geben fähig war, und das Abendlicht, das er so plastisch durch die Bäume sickern lassen konnte. Jetzt verstehen wir, was er damit meinte als er sagte: „Die Sonne, ihr Licht und ihre Wärme ist meine Religion.“
Haus der Kunst: das Atelier von Hans Heysen unter hohen Zedern und das mobile Studio des 1968 gestorbenen Künstlers in der Garage
Am Nachmittag trinken wir die Landschaft, die Heysen so stimmungsvoll einfangen konnte. Vom modernen Degustationsraum der Hahndorf Hill Winery mit seinen Wänden aus Glas geht der Blick über sanft dahin rollende Hügel, wir sehen Weinreben, offene Graslandschaft mit vereinzelten Bäumen. Manchmal, so heißt es, würden Kängurus hier äsen.
Eine Landschaft mit Geschmack: Wein, Wald, Weite in den Adelaide Hills
Auch in der Hahndorf Hill Winery gilt „Germany is sexy“. Und die Aussies sind ein wenig überrascht, als wir ihnen sagen, dass es vor allem österreichische Trauben sind, die hier gerade besonders erfolgreiche Weine hergeben, wie „Gruner Veltliner“, „Blaufrankisch“ oder „Zweigelt“. Wir testen die frischen, in der Hitze Südaustraliens ganz anders als in Europa schmeckenden Weine. Und haben dann noch Gelegenheit, eine Besonderheit des Weingutes auszuprobieren – die Chocolate-Wine-Tastings. Drei Gläser Wein, drei Täfelchen Schokolade werden auf einem Tablett serviert, und dann sollen wir die Schokolade brechen („am besten vor dem Ohr“), ein Stück davon auf der Zunge zergehen lassen und einen Schluck Wein nehmen. Dunkle schwere Schokoladen werden zu den drei Shiraz der Jahrgänge 2006, 2007 und 2008 serviert, etwas leichtere zu den Weißweinen. Auch das eine Besonderheit der Hahndorf Hill Winery – Schokolade mit Weißwein.
Augen zu und durch: Schokolad und Wein, links mit Pinot Grigio, Sauvignon Blanc und einem Rosé aus Trollinger und Blaufränkisch, recht mit drei Shiraz jeweils aus den Jahren 2008, 2007 und 2006
Wir sind davon nicht so sehr überzeugt. Der kühle Weiße lässt die Schokolade nicht richtig schmelzen, die prickelnde Frische eines Chardonnays will nicht so recht passen zur herben Tafel aus Madagaskar mit 60 Prozent Kakao-Anteil. Und doch ist es ein interessanter Genuss. Als wir schließlich unser Hotel im Barossa Valley erreichen, wo wir die nächsten Nächte verbringen werden, sind wir eigentlich satt und müde. Doch Manager Charles bittet uns noch zu einem späten Winetasting. Da könnt ihr gar nicht „Nein“ sagen. Schließlich gehört das „Jacob’s Creek Retreat“ zu einem der berühmtesten Weingüter der Region. Und er habe einen Riesling da, zu dem er unbedingt unsere Meinung hören möchte. Der schmecke zwar sicher nicht so gut wie ein deutscher. „Aber fast so gut.“ Charles, ein kleiner vom Genuss rundlich gewordener Mann mit weißem Haar, lächelt verschmitzt. „Vielleicht schmeckt er sogar deutscher als ihr denkt.“