Auch von oben ein Genuss: das Barossa Valley mit seinen geometrischen Weinbauflächen und den wildromantischen Hügelketten, ein von der Sonne verwöhnter Landstrich
Ein Reisebericht von Susanne Baade und Dirk Lehmann
Die ganze Kabine wackelt und vibriert, der Motor brummt, und schließlich hat der Rotor eine Geschwindigkeit erreicht, dass der kleine gelbe Helikopter steil nach oben steigt, sich nach vorn neigt und über eine Hügelkuppe flattert. Durch die dicken Kopfhörer hören wir Pilotin Billie erklären, dass wir nun unsere Flughöhe von 1000 Fuß (etwa 350 Meter) erreicht haben, und dass wir mit einem Tempo von etwa 120 Km/h fliegen. Unter uns das Barossa-Valley. Überall Weinreben in langen, akkurat parallel stehenden Reihen, Felder, in die Muster gepflügt wurden, Straßen, Häuser, Tankstellen. Aus der Luft wirkt eines der produktivsten Weinbaugebiete der Welt verblüffend klein.
Malt ein Kind einen Hubschrauber, sieht der auch so aus: Der Robinson R44 Clipper ist ein kleiner Helikopter für drei Passagiere. Obwohl Susanne auf dem Bild lächelt, nach dem Flug sagt sie, dass sie lieber in einem Flugzeug sitzt – das kann noch segeln, wenn der Motor ausfällt
Billie zeigt nach unten, das ist Tanunda, eine der größten Siedlungen im Valley. Etwas später: Das ist Penfolds, einer der größten Weinproduzenten. Und wir sehen Reihen riesiger Tanks, Rohrleitungen, Hallen, Lastwagenverladeplätze – fährt man auf der Straße an dem berühmten australischen Winzer vorbei, sieht der zwar aus wie ein größerer Betrieb. Doch erst aus der Luft zeigt sich, dass Penfolds ein Wein-Gigant ist. Eine Fabrik mit großen Erntemaschinen, riesigen Gär- und Veredelungstanks, mit perfektionierten Abläufen und vielen Zulieferern, so besitzt auch die Familie unserer Pilotin einen Berg mit einigen Reben, sie machen aber keinen eigenen Wein sondern liefern die Trauben an Penfolds. Ein System, das es auch in Europa gibt. Umso verblüffender, dass der australische Weinriese seinen Kunden sogar die Möglichkeit bietet, einen eigenen Wein zu machen: „Create your own blend.“
Weingigant: die Penfolds Winery ist eine der ältesten Australiens und eine der ertragreichsten – mit einer Jahresproduktion von etwa 1,5 Millionen Flaschen
Eigentlich hatten Susanne und ich einen besonders romantischen Picknickausflug geplant für diesen Tag – eine frühmorgendliche Ballon-Fahrt über das Valley mit anschließendem Champagner-Frühstück. Doch gestern erhielten wir einen Anruf, laut Wettervorhersage werde der Wind so kräftig wehen, dass der Heißluft-Ballon nicht starten kann. Schade. Charles, unser Gastgeber im „Jacobs Creek Retreat“, sagte daraufhin, er kenne einen kleinen Anbieter für Helikopter-Rundflüge und wolle sich mal kümmern.
Landschaftsaneignung auf Augenhöhe: Mit dem Rad erkunden wir das Barossa Valley, fahren durch Orte wie Bethany – „oldest german settlement“ – und vor allem durch Weinreben wie wie diesen Shiraz
Gestern noch sind wir mit Mountainbikes durch die Hügellandschaft des Barossa Volleys geradelt. Bei Temperaturen von mehr als 30 Grad wirkte der Wind nicht kühlend sondern eher wie ein Heißluftgebläse. Wir fuhren durch Bethany, der ersten deutschen Siedlung hier und kamen im pittoresken Angaston mit seinem „Barossa Brauhaus Hotel“ zu spät zum Farmers-Market, wir rollten vorbei an der Kleinstadt Nuriootpa, wo wir im Supermarkt einen Snack nahmen, und wurden auf dem Rückweg durch die in der Heißluft wogenden Trauben begleitet von blau-grünen Lorrikeets, kreischend flogen immer wieder einige Sittiche neben uns her. Zurück im Resort waren wir völlig fertig von der anstrengenden Tour. Aber auch zufrieden, so viel gesehen zu haben. Immer wieder beeindruckend, wie nah man sich einer Landschaft fühlt, die man per Rad erfährt.
Ein heißes Land: Australien gilt als trockenster Kontinent der Erde, immer wieder kommt es zu Feuern, im Sommer herrscht höchste Waldbrandgefahr
Von oben wirken die Hügel, die uns gestern noch so steil im Weg standen, wenig herausfordernd. Billie steuert in einer großen Runde über das Tal. Es wird begrenzt von trockenen Hügelketten, dahinter öffnet sich weites flaches Weide- und Farmland. Das Barossa ist eine Insel für Genießer. Am späten Nachmittag befassen wir uns mit den Weinen, die unsere Gastgeber auf diesem Eiland produzieren. Die Jacobs Creek Winery gehört zu den Großproduzenten der Region. Doch mit „Moorooroo Park Vineyards“ betreibt man ein kleines Edel-Label, das bekannt ist für seine Spitzenweine. Wir probieren einen verblüffend leichten „Sparkling Shiraz“, einen diabolisch teuren (aber auch höllisch guten) „Black on Black“, ebenfalls ein Shiraz, der in Sherry-Fässern altert, und von dem nur 1500 Flaschen abgefüllt werden (wir haben Nr. 0151 geleert). Zum Abschluss perlt noch ein honiggelber „Dolce Far Niente“ genannter Dessertwein ins Glas, er wird aus der Sémillon-Traube gekeltert, schmeckt süß und doch frisch und beendet diesen Tag mit dem Eindruck, das Beste aus 24 Stunden heraus geholt zu haben. Man kann ihn nur mit süßem Nichtstun beschließen.
Das Leben ist zu kurz, um schlechten Wein zu trinken: Dieses Goethe-Zitat passt auch zu den Raritäten der Moorooroo-Wineyards, die uns mit einem eleganten handgemachten Shiraz betören und mit einem schäumend frischen Sparkling Shiraz betrunken machen
Zum Glück sind es nur ein paar Meter bis ins Zimmer. Das Jacob Creeks Retreat liegt in einem kleinen Park am im Sommer eher matt dahin gurgelnden Jacobs Creek. Nur vier Chalets hat das Hotel-Resort, Charles hat uns „Orchard Room“ gegeben, „die Hochzeitssuite“ wie er mit einem anzüglichen Augenzwinkern sagt. Ein großer Salon, auf dem Sofa liegen viele plüschige Kissen, davor steht ein riesiger Flachbildfernseher. Ein geräumiges Bad mit Doppeldusche und Whirlbadewanne, das Wasser läuft einem speienden Löwenmaul. Ein Schlafzimmer mit einem weiten Himmelbett, dessen Pfosten mit roten Seidentüchern umwickelt sind, in das wir uns nach den vielen guten Weinen selig fallen lassen.
Unser Hotel von oben: Vom Bahndamm sieht es der Lokführer bei einer frühmorgendlichen Vorbeifahrt, aus dem Helikopter haben wir dieses Foto gemacht
Das ganze Haus wackelt und vibriert, ein lautes Brummen wird immer lauter, und schließlich nähert sich tutend ein Zug. Nach einem kurzen Helikopter-Déjà-vu kommt das Zugfotografierverbot-Déjà-vu, das wir uns vor einigen Monaten auferlegt hatten (und ständig brachen), als wir in Kanada zu viele der beeindruckend langen Güterzüge fotografierten. Ich springe aus dem Bett, die Kamera in der Hand. Ich hatte die Gleise für stillgelegt gehalten, nie war eine Bahn darauf gefahren, zudem führte der Radweg, über den wir von Anguston zurück ins Hotel rollten, teilweise über eine einstige Bahntrasse. Und dann ziehen am frühen Morgen drei Lokomotiven rund zwei Dutzend Zementwaggons an unserer Villa vorbei. Der Lokführer winkt lachend als er mich in Shorts neben dem Bahndamm stehen sieht und lässt es noch einmal Tuten. Thanx, Mate! Eigentlich nicht schlecht, so früh geweckt zu werden. Heute geht es weiter.
Wir fliegen nach Kangaroo Island, zur nächsten Etappe unserer Australien-Reise. Von Anfang an wollten wir einen Teil unseres Sabbaticals in einer besonderen Tierwelt verbringen. Die Reise in die Antarktis bestärkte uns in diesem Gefühl nur, wir werden noch lange von den Begegnungen mit Robben und Pinguinen zehren. Kangaroo Island ist ein Biotop, das mit seinen Besonderheiten der Antarktis kaum nachsteht. Auch die Insel im Süden Adelaides hat eine eigene Flora, eine eigene Fauna, selbst die Kangurus sollen hier anders aussehen als auf dem Festland.
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts siedeln hier wieder Menschen, nachdem die Aborigines die Insel verlassen haben. Ihren Namen verdankt KI, wie sie von den Aussies genannt wird, dem Umstand, dass die ersten hier an Land gegangenen Weißen von neugierigen Kängurus beschnuppert wurden. Bei den anderen Anlandungen auf dem australischen Festland flüchteten die großen Beuteltiere immer, ahnend, dass die Menschen nicht nur als Freunde kamen. Auf Kangaroo Island lebten keine Menschen. Die Tiere waren zutraulich. Der Name ist quasi eine Anerkennung für die Friedlichkeit dieser Tierwelt. In den Topf kamen die Kängurus trotzdem. Wie werden sie uns wohl begrüßen?
Die Poesie der Landwirtschaft: Wäre das nicht ein schönes Motiv für einen Kalender mit dem Titel „Australien aus der Luft“?