Letzte Blicke: vom Flughafen auf Sydney und vom Flugzeug auf das Land downunder
Ein Reisebericht von Susanne Baade und Dirk Lehmann
Es wird ein Flug ins Glück. Denn nach den Daten, die im Happy Planet Index veröffentlicht sind, ist Deutschland ein glücklicheres Land als Australien. Laut Glücks-Index, ein Wert, der sich zusammen setzt aus dem Wohlgefühl der einzelnen, der durchschnittlichen Lebenserwartung und dem ökologischen Fußabdruck des Landes, liegt Deutschland auf Rang 46 mit einem Wert von 47,2. Auf Platz 76 finden wir Australien mit einem Wert von 42,0.
Doch wenn man die Daten im Detail betrachtet, ergibt sich ein neues Bild: Was ihre persönliche Zufriedenheit betrifft, stehen die Australier weltweit auf Rang 8, die Deutschen deutlich dahinter auf Platz 27. In Sachen Lebenserwartung wuchten sich die Aussies auf Platz 4, während die Deutschen mit ihrem um anderthalb Jahre niedrigeren durchschnittlichen Sterbealter von 80,4 auf Rang 19 liegen. Hier zeigt sich, welchen Einfluss das persönliche Glück auf die Lebenserwartung hat, denn in den Berichten der Weltgesundheitsorganisation WHO gelten die Australier als übergewichtig, faul und herzinfarktgefährdet – und werden trotzdem älter als die Deutschen. Auch in anderen Faktoren haben uns die Australier überholt, das Durchschnittseinkommen ist höher, selbst im Governance Ranking, einem Gradmesser für die Stabilität und Sicherheit eines Staates, liegt downunder vorn. Weil der ökologische Fußabdruck der Aussies so miserabel ist, führt Deutschland im Glücksindex.
Bordprogramm: Rund 22 Stunden bis Frankfurt, Zeit genug, mehrere im Kino verpasste Filme anzusehen
Wir haben Glück. Die Qantas-Leute setzen uns in den Buckel ihres Jumbo Jets, wir fliegen Business-Class. Und auch wenn sich das Team dafür entschuldigt, dass die Einrichtung etwas älter sei, die Sitze könne man nicht ganz flach stellen, sie würden eine leichte Neigung behalten, und das Entertainment-Programm sei nicht so modern wie im Airbus A 380 und einigen bereits umgerüsteten Boeing 747 der Airline, wir fühlen uns wie im siebten Himmel. So viel Glück also. Und trotzdem sind wir traurig. Denn es ist der letzte Flug unserer Auszeit. In etwa 22 Stunden landen wir in Frankfurt, wie bereits einige Male während unseres fünfmonatigen Sabbaticals. Doch diesmal werden wir nicht umsteigen in eine Maschine nach Lissabon oder in den Flieger nach Kathmandu. Diesmal werden wir unsere Rucksäcke nur noch in den Zug nach Hamburg schleppen.
Ein seltsames Gefühl. Am 1. August, als wir um 6.07 Uhr die Tür zu unserer Wohnung hinter uns zugezogen haben, fragten wir uns, wie es sich wohl anfühlen wird, wenn wir in fünf Monaten wieder davor stehen? Eine rein rhetorische Frage, so weit hin schien uns der Zeitpunkt. Jetzt ist er zum Greifen nah. Und wir, die wir in den letzten Monaten in so eine Art Reise-Mood gekommen sind, eine Wanderlust, die gespeist wird von der Neugier auf das nächste Ziel, würden am liebsten die Maschine zum Umkehren zwingen. Unter uns zeigt sich der rote Kontinent in seiner ganzen Schönheit und Einsamkeit. Die Stewardess serviert vegetarische Lasagne und schenkt uns Rotwein ein. Der Grenache von Willunga 100, einer Winery aus dem Mclaren Vale, einer Weinregion im Süden von Adelaide, schmeckt so typisch südaustralisch, dass Aroma und Duft ganz viel Wehmut wecken. Gute Gelegenheit, ein Fazit unserer Australien-Reise zu ziehen.
Ein Land mit viel Geschmack: Im Barossa-Valley beginnt unsere Australien-Reise
Dirk: „Das ist der Geschmack, den ich so genossen habe, nachdem wir mit den Rädern im Barossa unterwegs waren: weich und würzig, erst süß und dann doch kräftig, fast scharf. Ein Geschmack, den ich erst nach der Tour durch das heiße und hügelige Land verstand.“
Susanne: „Ich war überrascht, dass ich nach der Radtour überhaupt Rotwein trinken mochte. Kurz hatte ich die Befürchtung, wir würden mit einem Hitzschlag von den Mountainbikes kippen. Die Landschaft war großartig – die sanften gelben Hügel, die symmetrischen angebauten Weinreben und der Duft des Eukalyptus, was für ein Kontrast zur Antarktis.“
Dirk: „Dieser Kontrast war es doch, den wir gesucht haben. Ich weiß noch, wie skeptisch ich war, als wir mit Ron auf Kangaroo Island zu den Robben von Seal Bay gefahren sind. Hatten wir in der Antarktis nicht genug davon gesehen? Und dann dieses zauberhafte Bild – der Sandstrand, die Sonne, die so friedfertig wirkenden Tiere….“
Im Reich der Tiere: Kangaroo Island ist wie ein Zoo live
Susanne: „KI war in vielerlei Hinsicht remarkable, nicht nur wegen der riesigen Steine, die an der Küste aufragen. Es war auch spannend, mit der Aborigines-Kultur in Berührung zu kommen. Auch wenn die Ureinwohner die Insel einst gemieden haben, für sie ist Kangaroo Island der Ort, von dem aus die Seelen ins Jenseits aufbrechen. Das wäre etwas, was ich mir für eine nächste Reise nach Australien wünschte, in die Mythologie der Ureinwohner tiefer einzutauchen.“
Dirk: „In Sydney sind wir mit der Aboriginal-Kunst in Kontakt gekommen, sie ist viel präsenter als ich erwartet habe. Vor allem aber überraschte mich, wie sich die Stadt in den letzten Jahren verändert hat. Schön war Sydney schon immer. Doch es ist nicht mehr bloß eine Metropole für Flip-Flop-Träger – man sieht ihr an, dass sie den Rang einer Weltstadt hat, man spürt das leider auch in der Geldbörse. Es kann allerdings nur ein grotesker Irrtum sein, dass im Global City Index Brüssel vor Sydney geführt wird.“
Weltstadt der Vielfalt: Sydney beeindruckt mit Lebensart
Susanne: „Mich hat die Entschlussfreudigkeit der Sydneysider beeindruckt. Wir sind so vielen inspirierenden Menschen begegnet, die Dinge einfach anpacken, einfach machen. Die meisten Bars und Restaurants, in denen wir waren, hatten erst seit wenigen Monaten geöffnet. Diese Stadt ist offen und modern, ändert sich ständig. Die Mentalität hat mich beeindruckt. Und es erinnert mich an eine der Erkenntnisse unserer Reise: Wenn man sich fragt, ob es sich lohnt, etwas anzusehen, sollte man es auf jeden Fall tun. Ich hoffe, wir können uns diesen Tatendrang bewahren. Schon allein für diesen Ansporn hat es sich gelohnt, unser Sabbatical in Australien beendet zu haben.“
Dirk: „Ist dir eigentlich schon so richtig klar, dass dies unser letzter Flug sein wird?“
Susanne: „Ich habe mich sogar gefragt, ob ich weinen werde.“
Dirk: „Und?“
Susanne: „Vielleicht.“
Dirk: „Ich habe mir gesagt, diese Reise muss enden, damit eine neue beginnen kann.“
Susanne: „Schon klar, du willst tapfer sein.“
Dirk: „Habe ich nicht recht?“
Susanne: „Ich denke da an die Schweizer, die wir auf der Bremen getroffen haben – deren erstes Sabbatical dauerte fünf Monate, das zweite zehn Monate. Jetzt sind sie zwölf Monate unterwegs. Wer weiß, wo und wann wir sie das nächste Mal treffen werden.“