Einfach spitze: Straßendeko in einem nepalischen Dorf für das Durga-Fest, Goldberg im Lemaire-Kanal vor der Antarktischen Halbinsel
Ein Reisebericht von Susanne Baade und Dirk Lehman
Wo war es am schönsten auf eurer Reise? Oder: Wohin würdet ihr noch einmal reisen wollen? Und: Woran erinnert ihr euch besonders gern? Natürlich auch: Was habt ihr am meisten vermisst? Das sind die typischen Fragen, die uns Freunde und Kollegen nach unserer Rückkehr gestellt haben. Und es sind auch die Fragen, die wir hier – statt eines Resümees – beantworten wollen.
Die Welt neu sehen: das Fryatt Valley, ein Mönch legt ein Mandala im Kloster Tengboche, Schattenspiele auf dem Zelt in Ericeira, Sydney mit Hochhäusern und Harbour Bridge
Wo war es am schönsten? Reflexartig antworten wir oft: „In der Antarktis.“ Denn die Bilder, die wir aus der Kältekammer der Erde mitgebracht haben, sind wahrlich beeindruckend. Doch war die Reise mit dem Schiff eher eine Panoramafahrt, großartige Aussichten auf eine menschenleere Welt. Deshalb fügen wir oft hinzu: „Nepal ist uns sehr nahe gegangen, es war vielleicht die emotionalste, spirituellste Reise.“ Aber es ist ein Land voller Herausforderungen, die Menschen sind arm, es gibt keine Selbstverständlichkeiten des Reisens. Alles muss man sich neu erarbeiten. Und so fällt uns wieder ein, wie entspannt wir in Portugal waren. „Nirgends sonst haben wir uns derart wie in einem Sabbatical gefühlt.“ Neugier haben wir in Portugal jedoch kaum befriedigen können. Was die Distanzen betrifft, die wir selbst zurück gelegt haben, so hat uns Kanada wohl am meisten Weite geboten, das Land als endloses Roadmovie. „Die einsamen Nächte in der Fryatt Hut, diese Abgeschiedenheit, über uns nur die Silhouette des Brussel Peaks. Das sieht man manchmal nachts vor sich.“ Spätestens jetzt erinnern wir uns an die letzte Station – Australien, Sydney, eine Stadt, über deren Schönheit man kaum Worte verlieren muss. Sie ist das Supermodel unter den Metropolen-Mannequins dieser Welt. „Dabei hat uns die Tatkraft und Unternehmungslust der Australier besonders gefallen.“ Und plötzlich kommen wir uns vor wie Politiker, die sich um eine Antwort winden und alles loben. Aber es ist auch der Beweis dafür, wie sehr diese Reise funktioniert hat.
Mausoleum in der Stadt: Humayun Grab in Neu Delhi war Vorbild für das Taj Mahal
Wohin würdet ihr noch einmal reisen? Ganz klar, nach Indien. Selbst bei unserem kurzen Besuch war offenbar, welche Probleme das Land hat. Längst gibt es in den Städten eine moderne Mittelschicht, schicke Frauen, elegante Männer. Und doch überwiegt noch die Tradition, das Schlichte, der Müll, die Armut. Die Gegensätze sind manchmal gigantisch. So sind die Straßen von Delhi innerstädtische Autobahnen wie die Vancouvers, aber so zugemüllt wie die Kathmandus. Es fahren hier die selben Autos wie in Portugal, doch die Art zu fahren ist ohne jedes Maß und Rücksicht. Und nirgends haben wir so oft Männer gesehen, die einfach am Straßenrand standen und pissten. Mitten in einer Metropole. Trotz all dieser offenkundigen Herausforderungen, die das Land für den Besucher hat, haben wir die Spiritualität geschätzt, die Freundlichkeit, die Zurückhaltung. Und gleichwohl wir in den Tageszeitungen immer wieder von sexuellen Übergriffen gegen Frauen gelesen haben, war die Nachricht über die furchtbare Vergewaltigung ein Schock.
Freunde der Sonne: Mönche auf den Stufen vor dem Kloster Tengboche, ein Erdhörnchen auf der Terrasse vor der Fryatt Hut, die Stühle einer Pinte am Strand von Ericeira
Woran erinnert ihr euch besonders gern? Susanne: An den salzigen Geschmack im Mund, wenn man aus dem Meer kommt und den Sand in den Schuhen, der immer dann rieselt, wenn man sie im Rucksack verstaut. An die erste warme Dusche nach den Tagen in der Fryatt Hut, ich hatte Geburtstag, und Dirk hat mir ein Glas Sekt auf die Duschwand gestellt, was ein Luxus nachdem es so lange nur abgekochtes Flusswasser zu trinken gab! Ich erinnere mich an die ersten wilden Tiere, die Erdhörnchen und Murmeltiere, denen wir in Kanada begegnet sind. Und an die Mönche im Kloster in Tengboche, die ein ein Mandala aus Sand gelegt haben – diese Ruhe und Güte, mit der sie da hockten und ihrer Aufgabe nachgingen, das hat mich sehr berührt. Es gibt noch tausend solcher kleinen und großen Momente, die nach und nach in mein Bewusstsein dringen werden. Dirk: An den Nachthimmel über dem See von Revelstoke und an die Schönheit der Ama Dablam. An das scharfe Essen in Neu-Delhi und die Musik beim Ganga-Arti. An Paul, der in seinem Bed&Breakfast auf Kangaroo Island morgens ganz viel Krach gemacht hat, weil er meinte, wir hätten genug geschlafen, und an den Kapitän der Bremen, wie er als letzter noch hoch oberhalb des Gletschers in Neko Harbour steht und den Anblick genießt. Und ich werde mich für immer an die Delfine erinnern.
Hat euch diese Reise verändert? Diese Frage wurde uns bereits während der Reise gestellt. Im Stranraer Homesteadt auf Kangaroo Island saß uns eine Schweizer Familie gegenüber und wollte wissen, ob die Reise denn das gebracht habe, was wir uns von ihr erhofft hätten. Eine schwierige Frage. Denn natürlich hatten wir beide den Wunsch, dass die Auszeit uns verändern würde. Und das wird sie. Jetzt am Ende der Zeit können wir mit Bestimmtheit sagen, diese Reise hat sich gelohnt! Sie hat unsere Erwartungen übertroffen, da wir beide bereit waren, den jeweils anderen auf seinen „Wunschpfaden“ zu folgen: Ich bin mit Dirk durch die einsamen Wälder Kanadas gewandert, Dirk hat sich in Indien in den Lotus-Sitz gewunden und die Ruhe des Yogas genossen. Selbstverständlich kamen an Regentagen im Wohnmobil in Kanada oder in trüben Stunden im Appartement in Lissabon Zweifel auf: Machen wir das Richtige? Hätten wir nicht lieber in die Südsee fliegen oder eine Fortbildung machen sollen? Selbstverständlich kann man sich alles madig machen, irgendwo tönt immer eine innere Stimme, die es besser gewusst hat. Aber ich bin sogar froh über die traurigen Momente, etwa den Anblick der Straßenkinder in Kathmandu, denn noch größer dadurch ist meine Dankbarkeit, diese Auszeit erlebt haben zu dürfen. Ich hoffe sehr, dass uns die so gewonnene Offenheit und Neugier noch lange begleiten wird.
Kalte Pracht: Buenos Aires ist eine harte Stadt. Die Krise ist deutlich spürbar
Was würdet ihr nicht mehr tun? Nach Buenos Aires reisen. Uns hat die Stadt mit ihrer Miss-Stimmung nach unten gezogen. Wirtschaftskrise und Abzockerei, Gewaltbereitschaft und Angst. Man spürt es geradezu, wenn man durch die Straßen geht und schon auf den ersten Metern aufgefordert wird, die Kamera in einen am besten schlicht-schwarzen und auf der Brust zu tragenden Rucksack zu packen oder in eine Plastiktüte. Wenn man selbst eine eher einfache Armbanduhr besser im Hotelsafe lassen soll. Wenn man nach Einbruch der Dunkelheit nur noch mit bestimmten Taxis fahren darf. Das ist gruselig. Es mag Menschen geben, die damit klar kommen, Reiseprofis, denen solche Bedingungen nichts ausmachen. Uns haben sie nachhaltig den Spaß an der Stadt verdorben, die wir während unserer Auszeit immerhin zwei Mal besucht haben.
Sehnsucht: Dirk begann irgendwann Rennradfahrer zu fotografieren und hätte seine Töchter am liebsten nicht wieder zurück nach Deutschland fliegen lassen
Was habt ihr vermisst? Schwer zu sagen. Dirk hat selbstverständlich seine Töchter vermisst. Wir haben sie in Lissabon getroffen. Und als wir sie nach etwas mehr als einer Woche wieder zum Flughafen gebracht hatten, stand Dirk noch lange auf dem Vorplatz, bis sich die TAP-Maschine nach Berlin in den Morgenhimmel gebohrt hatte. Er war traurig. Vielleicht haben wir auch einige Freunde vermisst. Susanne hätte manchmal gerne nicht nur mit Freundinnen geskypt, sondern sie auf eine Bica im Chiado getroffen und plaudernd die Nachmittagssonne Lissabons genossen. Und Dirk hatte eine Phase, in der er jeden Rennrad-Fahrer fotografierte, so groß schien der Phantomschmerz der vermissten Bewegung zu sein. Doch waren wir geradezu erschrocken, als uns irgendwann bewusst wurde, dass uns nur noch ein paar Wochen bleiben, bis wir zurück müssen, schließlich nur noch ein paar Tage. Und dann war er da, der Moment, an dem wir unwideruflich ins Flugzeug nach Deutschland einstiegen. Am meisten vermisst haben wir also am Ende das Gefühl, weiter reisen zu dürfen. Jetzt können wir all die verstehen, die nach einer Reise sofort mit der Planung für die nächste beginnen. Reisen macht süchtig.
Heavy Blogging: Einen so umfangreichen Blog zu betreiben, ist vor allem Arbeit. Wir haben von unterwegs rund 50 Artikel und mehr als 1000 Bilder gepostet. Diese Fotos zeigen uns arbeitend in der Rezeption der „Overlander Mountain Lodge“, im „Kangaroo Island Wilderness Retreat“, in der „Buque Bus“-Fähre, auf der Schaukel vor der „Overlander Mountain Lodge“, auf der Wiese des „Haatiban Resorts“, vor der Lakhuri Bhanjyang Lodge, im Garten von „Ana’s Apartment“, auf der „MS Bremen“, im Abflugterminal des Airports von Lukla und auf der Terrasse der „Brigand’s Bend Lodge“
Danksagung: Wir möchten uns bei allen bedanken, die diese Reise zu einer besonderen gemacht haben – bei denen, die uns unterstützt haben, und bei allen, die in den letzten fünf Monaten Teil unseres Blogs wurden. Es sind die Menschen von: Air Canada, Travel Alberta, Alpine Club of Canada, British Columbia Tourism, Canusa, National Parks Canada, BC-Ferries, Go West, Burnaby Cariboo RV Park, Four Sesons Hotel Vancouver, Tourism Lisboa, Hotel Fortuna Park, Sixt Lissabon, Ericeira Camping, Pocean, Hertz Lissabon, Betegem Azul, Airbnb, TAP, Lufthansa, Gulf Air, Kathmandu Guest House, Tara Air, DAV-Summit Club, Everest Summit Lodges, Namche Hotel, Hotel Access Nepal, Air India, The Uppal-Hotel New Delhi, Jet Airways, Ananda in the Himalayas, Aman New Delhi, Alitalia, Nh-Hotel Buenos Aires, Buque-Bus, Sheraton Montevideo, Hapag Lloyd Kreuzfahrten, MS Bremen, Be Hollywood Buenos Aires, Aerolinas Argentinas, Grand Hyatt Santiago de Chile, Bicicleta Verde, Qantas, Tourism Australia, Jacobs Creek Retreat, Tourism South Australia, Regional Express, Kangaroo Island Wilderness Retreat, Exceptional Kangaroo Island, Molly’s Run, Destination New South Wales, Park 8 Hotel Sydney, Cycle Chic Sydney, My Sydney Detour, Yoga by the Sea, Honey and Ginger, QT Hotel Sydney, Deutsche Bahn und dem Hamburger Taxifahrer, der uns mit den Taschen geholfen hat, obwohl wir ihm kein Trinkgeld geben konnten.