ITB-Nachlese: die Büroklammerflieger

ITB GiveawaysSeit mehr als 20 Jahren besuche ich die ITB. 1993 gab es zum ersten Mal die Halle 26, in der sich der „Kontinent Amerika“ präsentierte mit den USA, Kanada, einigen Ländern Südamerikas und einem (hui!) „Karibischen Dorf“. Im selben Jahr wollte die jordanische Königin in einer Limousine durch das Brandenburger Tor fahren, doch das war nicht erlaubt. Wie die Berliner so sind, gab es keine Ausnahme für Royals, und so blieb Noor, der Frau des Königs, nichts anderes als mit der Frau des damaligen Bürgermeisters Eberhard Diepgen einen Spaziergang zu machen unter der Quadriga hindurch.

Vor 20 Jahren war es sexy, sich auf der Messe mit einem recht neuartigen Gerät zu zeigen – es hatte die Größe von zwei bis drei Zigarettenschachteln, wog so viel wie ein gebundenes Buch und wurde in Deutschland „Handy“ genannt, ein Begriff, unter dem sich kaum einer der internationalen Aussteller der Welttourismusmesse ein Mobiltelefon vorstellte. Mit einem A-380-Leitwerk präsentierte sich die damals in einer Krise steckende Lufthansa auf ihrem Stand, und Mallorca rechnete mit einem Besucherrekord. Seit einiger Zeit wurden auf der ITB Workshops angeboten, ich nahm teil an einem mit dem Titel „Destination Deutschland – sind wir noch wettbewerbsfähig?“ Und, was soll ich sagen, die Zukunft sah alles andere als rosig aus.

Was sich in den letzten 20 Jahren geändert hat, muss man hier kaum erwähnen: Handys sind inzwischen Smartphones, immer mehr Menschen buchen immer mehr Reiseleistungen online. Was einst der Reiseführer war, bietet inzwischen die App, was früher diverse Reisemagazine leisteten, findet man heute in unzähligen Reise-Blogs. Die Chinesen gelten – zumindest umsatzmäßig – als Reiseweltmeister. Und das „Reiseland Deutschland“ zählt in Europa zu den Destinationen mit den höchsten Wachstumsraten. Auf der Messe wurden dazu die Ergebnisse einer Umfrage veröffentlicht, demnach gehört Deutschland zu den Top-5-Ländern weltweit, in die zu reisen sich besonders lohnt. Und zu den Top-5-Ländern weltweit, in denen zu leben besonders erstrebenswert ist. Bin gespannt, wann die erste Aussteiger-Reportage ersetzt wird von einer Hierbleiber-Dokusoap.

Auf der Rückfahrt von der diesjährigen ITB gehe ich im Zug nach Hamburg das Pressematerial durch. Mit aufwändigen Broschüren und Faltblättern, mit Büchern und CDs buhlen die Destinationen um Aufmerksamkeit unter den Besuchern, besonders unter den Journalisten, in der Hoffnung, dass es die eine oder andere Neuerung auf eine der Meldungsseiten schafft. Es ist eine Materialschlacht der give-aways.

Manches hat sich geändert. Bekam man vor 20 Jahren vor allem CDs in die Hand gedrückt, gilt es seit einiger Zeit einen USB-Stick-Tsunami zu überstehen. Und doch entdecke ich in der Tüte auch einige Produkte, die für eine heimelige Messe-Vertrautheit stehen, etwa Notizblock und Bleistift. Kugelschreiber. Bücher. CDs. Das kommt einem rührend vertraut vor wie ein Gruß aus einer anderen Zeit. Sie machen einem klar, dass sich manches wohl nie ändert. So steckt die Lufthansa auch in diesem Jahr der Krise. Mallorca rechnet mit einem neuen Besucherrekord rechnet. Und wieder werden sich viele Fachbesucher über die Messe beschweren, über lange Wartezeiten an den Eingängen oder den Garderoben.

Und dann hole ich aus einer grauen Tasche, die ich nach dem Lunch der Fluggesellschaft SAS in die Hand gedrückt bekommen habe, eine kleine Alu-Schachtel hervor. Es raschelt darin. Knöpfe? Pfefferminz? Ich mache die Schachtel auf und entdecke zu bunten Flugzeugen geformte Büroklammern. Ach, ich freue mich schon auf die nächste ITB.