In der Bewertungsfalle: Moderatoren für Hotelbewertungsseiten, ja oder nein?

Hildon Hotel in VancouverKleiner Buchstabe, großer Unterschied. Wer einen Aufenthalt in Vancouver plant und sich freut, dass das Zimmer so wenig kostet – „Obwohl das doch ein Haus so einer 5-Sterne-Kette ist!“ –, der sollte darauf achten, ob alles richtig geschrieben wurde. Leicht kann man das „Hildon“ der beinahe gleichnamigen amerikanischen Hotelgruppe zuordnen. Und spätestens wenn man mit den Koffern vor dem runtergerockten Gebäude im Stadtteil Gastown steht, wird das Gefühl, ein Schnäppchen gemacht zu haben, einer schrecklichen Gewissheit weichen.

Wie es überhaupt so weit kommen kann, dass Reisende in einem Hotel enden, das nur „gefühlt“ das ist, in dem sie eigentlich einchecken wollten, dafür gibt es diverse Theorien. Meine liebste ist die der kollektiven Gehirnwäsche: Schnäppchenwahn und Geiz-ist-geil-Rhetorik führen dazu, dass man nichts mehr kauft, dessen Preis nicht durchgestrichen und rot ausgezeichnet wurde. Man ist ständig auf der Suche nach dem ultimativen „deal“. Eine seltsame Rastlosigkeit hat sich der Reisenden bemächtigt, die Tage im Netz surfen, um Geld zu sparen. Und dann doch unzufrieden sind.

Was das mit Hotelbewertungen zu tun hat? Buchungs- und Bewertungsportale – inzwischen sind viele ja beides – wollen dem User das Gefühl geben, die richtige Wahl getroffen zu haben. Deshalb erfreuen sich besonders Hotels mit einem bemerkenswerten Verhältnis aus günstigem Zimmerpreis und hoher Gästezufriedenheit großer Beliebtheit.

Die Portale kennzeichnen solche Häuser mit einer Ziffernkombination. Holidaycheck hat das Sterne-System abgewandelt und benotet die Hotels von 1 bis 6, die höchste vergebene Note ist eine 5,9, die ergänzt wird um eine Weiterempfehlungsquote (bis 100 Prozent). Booking arbeitet mit einem Punkte-System von 1 bis 10, ein mit 9,4 bewertetes Hotel gilt als „hervorragend“. Googles Hotel Finder löst diese Aufgabe mit einer Ziffer in einem roten Kasten, die alle Bewertungen zusammen fassen soll, maximal sind 30 Punkte möglich. Der Algorithmus als Gott der kleinen Dinge. Und so kommt es, dass in Hamburg das 2-Sterne-Haus „Motel One am Michel“, an der sechsspurigen Willy-Brandt-Straße, mit 23 Punkten vor dem „Fairmont Vier Jahreszeiten“ an der Alster gelistet wird, und das „Bridge Inn“, ein abseits gelegenes 2-Sterne-Haus mit Blick auf die Autobahnbrücke über die Elbe, hat mehr Punkte als das 5-Sterne-Design-Hotel „Side“ mitten in der Stadt. Mit der Hotelklassifizierung nach Sternen, wie sie etwa in Deutschland durch den Hotel- und Gaststättenverband vorgenommen wird, hat das nichts zu tun.

Diese Wertungen entsprechen einer schlichten Logik. Günstige Hotels mit mehr Charme als erhofft, erhalten tendenziell bessere Bewertungen als teure, von denen man viel erwartet. Besonders Gäste mit wenig Erfahrung in der Luxus-Hotellerie spekulieren auf Leistungen, die diese Häuser nur in historisch anmutenden Hollywood-Filmen anbieten. Entspricht der Service nicht den Vorstellungen, beschweren sich die Gäste nicht beim Personal sondern werten das Haus ab. Ähnliches gilt für sehr günstige Hotels. Sind die so einfach wie der Preis erwarten lässt, hagelt es heftige Schelte auf der Hotelbewertungssite. Eigentlich kein Problem, jede Hotelkritik thematisiert immer auch enttäuschte Erwartungen.

Sie wird aber zu einer Täuschung, wenn Behauptungen aufgestellt werden, die nicht stimmen. Zumindest stutzig machen. Beispiel: der angeblich zerbrochene Lattenrost im Hamburger A&O-Hostel. Hat sich der Gast nicht beschwert? Wie hat das Hotel reagiert? Und, klar, wenn die Mitarbeiter an der Rezeption gesagt haben: Schlafen Sie doch auf dem Boden! Dann hat das Haus keinen einzigen Gast mehr verdient. Doch daran glaube ich nicht…

Auch Googles reichlich misslungener Hotel Finder sorgt mit seinen Bewertungen eher für Irritationen. Für das Fairmont an der Alster liegen angeblich 20 Bewertungen vor. Beim Klick auf „Reviews“ liest man dann, es gebe „9 scores without review“ (hä?) und „11 reviews from everyone“. Sieben dieser Jedermann-Urteile werden eingeleitet mit dem Sätzchen: „a Zagat User reviewed 7 years ago“. Halloooo! Mehr als ein Drittel der relevanten Bewertungen sind sieben Jahre alt? Beim Besuch der Zagat-Seite – der 1979 in New York gegründete Restaurant-Führer wurde im September 2011 für eine Fanstilliarde Taler von Google gekauft – ist dann gar kein Hotel Fairmont in Hamburg zu finden. Erwähnt wird lediglich das asiatische Lokal „Doc Cheng’s“ in dem Fünf-Sterne-Haus. Macht Sinn für einen Gastro-Führer. Aber was hat das mit dem Hotel zu tun?

Hotelbewertungen sind eine Macht. Aber noch viel mehr eine Bürde. Lange Zeit galt user-generated content als die Zukunft aller Informationen im Internet. Doch auch der User ist nur ein Mensch, der oft genug erst auf einen persönlichen Vorteil spekuliert, in vielen Fällen schlicht ein Zimmer-Upgrade, und sich für seine Kritik dann hinter fantasievollen Namen versteckt. Auch deshalb müssen Hotel-Bewertungs-Sites mit Moderatoren arbeiten. Solche würden vielleicht wissen, dass sieben Jahre alte Hotelkritiken einen Dreck wert sind. Erst recht für ein Haus, das vor sechs Jahren an eine kanadische Luxushotel-Gruppe verkauft und von 2007 bis 2010 für 25 Millionen Euro saniert wurde.

Der Pressesprecher von Holidaycheck sagte am Telefon, dass es unmöglich sei, alle Bewertungen zu überprüfen. In der Hauptsaison gehen bis zu 4000 Texte ein, täglich. Zudem meint er, die User würden inzwischen so viel Erfahrung mit den Bewertungen haben, dass sie sich das zu ihnen passende Meinungsbild herauslesen können. Der Tourismus-Berater Holger Sigmund schreibt, die Hotels müssten professionell auf die Bewertungen reagieren und Falschmeldungen sofort kommentieren. Es sei aber klar, dass es kein Hotel allen Kunden recht machen könne. Er empfiehlt den Betreibern, sich nicht in langwierigen Prozessen aufzureiben {diese Passage wurde korrigiert, siehe Kommentar}. Und kleinere Hotelgruppen argumentieren, ihnen sei es nicht möglich, mit dem vorhandenen Personal, alle Social-Media-Kanäle zu betreuen. Zudem beobachten besonders die Budget-Hotels, dass die Kunden nur low cost zahlen und Luxus erwarten – etwa Room-Service.

Bleibt mantra-artig zu wiederholen, was uns als User interessiert: Wir lesen Hotel-Bewertungen, um uns ein Bild zu machen von unserem nächsten Ferienhotel. Dafür sind Uralt-Kritiken so wenig hilfreich wie Schmäh-Kritiken. Wir verlangen nicht, dass die Moderatoren jede verdammte Hotelbewertung lesen. Doch mir kann keiner weiß machen, dass es nicht längst ein Programm gibt, das definierte Formulierungen oder Begriffe erkennt. Es sollte Bewertungen heraus filtern, die älter sind als fünf Jahre, oder Reizwörter – und sei es etwa „zerbrochen“ –, um in solchen Fällen nachzufragen. Denn eine Hotelbewertung ist ja kein Samariter-Dienst sondern ein Geschäftsmodell: Bucht der Gast das Hotelzimmer über die Bewertungs-Site, erhält die eine Provision. Indirekt zahlen also wir. Und dafür können wir einen guten Service erwarten.