Blumen im Haar und als Kette um den Hals: Den Bruder und seine Schwester treffen wir im Dakshinkali-Tempel bei Kathmandu, während des wichtigsten religiösen Festes im Land, dem Dasein bzw. Dashain. Es wird zu Ehren der Göttin Parvati gefeiert, in diesem Tempel wird ihren furchtbaren, bösen Seite gehuldigt – Durga und Kali. Sie ist die Göttin des Todes und der Zerstörung. Ihren aufrichtigsten Anhängern zeigt sie aber auch ihre liebevolle, fürsorgliche Seite. Die Gläubigen opfern lebende Tiere, Kokosnüsse, Blumen. Stolz zeigen uns die beiden Kinder ihre Tika, Priester malen den kunstvoll gestalteten Punkt als Segnung auf die Stirn. Er ist Beweis für die Gläubigkeit der Menschen in diesem Land, das zu den ärmsten der Welt gehört. In Nepal sterben noch immer viele Kinder an den Folgen chronischen Durchfalls, ausgelöst durch mangelnde Hygiene. Auch der Tempel ist kein reinlicher Ort, überall Blut, Eingeweide, Unrat. Und doch ist die Andacht und Spiritualität der Menschen spürbar. Die beiden Kinder sind mit ihren Eltern da – und freuen sich auf das große Familienfest am Nachmittag. Die Tiere, die man der Göttin opfert, werden während der Feiertage mit Familie und Freunden in großer Runde verspeist.
Tod und Vergänglichkeit, Spiel und Spaß: Während der Feiertage werden überall im Land große Bambus-Schaukeln aufgebaut. Diese hier steht neben den Eingang zum Pashupatinath Tempel in einem Vorort von Kathmandu. Der große Komplex ist der Göttin Shiva geweiht und die Nekropole der Hauptstadt. Der Rauch, der im Hintergrund aufsteigt, stammt von den Scheiterhaufen, auf denen am Fluss Bagmati die Toten verbrannt werden. Es gilt als erstrebenswert, dass die Asche in diesen Fluss gestreut wird, nur so umgeht man eine weitere Inkarnation als Mensch. Die Kinder stört der beißende Rauch nicht, sie haben Spaß. Solche Momente der Unbeschwertheit und Freude sind keine Selbstverständlichkeit in dem Land, in dem rund ein Drittel der Jungen und Mädchen arbeiten müssen. Ohne dass sie dann selbst über das verdiente Geld verfügen und sich etwa Essen kaufen dürfen. Rund die Hälfte der Kinder in Nepal gelten als unterernährt.
Glaube und Hoffnung: Ein junger Mönch im Thaktul-Kloster in der Nähe von Lukla. Der Junge beeindruckt uns mit seinem klaren, unverwandten Blick. Er spricht sogar ein wenig Englisch, und durch die Unterstützung unseres Guides erfahren wir recht viel über das Leben in dem abseits gelegenen Kloster. 5 Uhr: Wecken. Danach zwei Stunden Gebete. 7 Uhr: Frühstück. Danach: Unterricht. 12 Uhr: Mittagessen. Danach zwei Stunden Gebete. 15 Uhr: Garten-, Feld- und Hausarbeit. 17 Uhr: Abendessen. 19 Uhr: ins Zimmer. 21 Uhr: Licht aus. Der Tag ist durchgetaktet. Die Kloster sind nicht nur Garanten für die Religiosität der Menschen sondern auch für die Bildung. Zudem war und ist es in einigen Landesteilen noch immer Brauch, den zweitgeborenen Sohn ins Kloster zu schicken, denn viele der kleinen Bauernhöfe können nicht alle Familienmitglieder ernähren. Manche Kinder profitieren als junge Erwachsene nachhaltig von der Zeit im Kloster, etwa weil sie sich mit ihren Fremdsprachen-Kenntnissen als Guides für Trekking-Urlauber aus aller Welt eignen, rund ein Drittel der Einnahmen, die Nepal erwirtschaftet, stammen aus dem Tourismus. Für die ganz Kleinen ist das noch völlig egal, sie üben sich im Stockkampf.
Murmeln und Fußbälle: Es braucht nicht viel für ein spannendes Spiel. In diesem Dorf im Khumbu-Tal des Himalaya spielen die Kinder mit kugelrunden Steinchen, die aus drei Metern Entfernung in eine Mulde geworfen werden müssen. Wer die meisten Murmeln ins Ziel bringt, gewinnt. Unser Guide Som lässt sich von den Kids den Spielstand zeigen. Auch wir versuchen, ein paar Steinchen einzulochen, scheitern aber – unter dem Gelächter der Kinder. Auf einem Platz mitten in Kathmandu sehen wir den kleinen Kickern zu, die in Sandalen über den gepflasterten Platz rennen, um einen mit Stoffresten gefüllten Ball zu treten. Held der Jungs in der nepalesischen Hauptstadt – Didier Drogba, Afrikas Fußballer des Jahres.
Uniform und Universalnährmittel: In Nepal tragen alle Schüler Uniform. Den beiden begegnen wir in einem Dorf im Kathmandu-Tal. Die Kinder müssen meist enorme Distanzen zurück legen, um in die Schule zu kommen, denn die „Busse“ – es sind stellenweise recht eigentümliche Gefährte, die hier für den Transport eingesetzt werden – kommen nicht in jeden Ort, manche Kids laufen eine Stunde bis zur Haltestelle. Auch in Nepal ist Bildung vor allem städtisch, die meisten Analphabeten leben auf dem Land. Wie der Junge im roten Kapuzenpulli. Er lebt auf einem Bauernhof im Gorkha-Distrikt, nahe des Tempels von Manakanama. Es ist eine fruchtbare, aber arme Region, die vor allem von Viehzucht und Reisanbau lebt. Und davon hat der Junge auch eine große Portion in seiner Frühstückschale: Reis.
Lachen und Lausen, Spielen und Betteln: Geduldig lässt sich ein Mädchen von ihrem Bruder die Haare kämmen, oft suchen die Kinder am Straßenrand aber eher nach Läusen im Haar ihrer Geschwister. In Lukla treffen wir Kinder, die mit einem Zurrgurt von einer der vielen Expeditionen, die hier ihren Ausgang nehmen, Seilhüpfen spielen. Die vier aufgedrehten Kinder posen auf dem Weg zum Kloster Manakanama vor uns herum. In immer wieder neuen Konstellationen bauten sie sich vor uns auf, wollten erst fotografiert werden und sich dann das Bild auf dem Display ansehen. Das kleine Mädchen in einem Hinterhof in Kathmandu kommt ganz neugierig auf uns zu und hält dann die Hand auf. Für ein deutsches Paar auf Reisen ist es nicht leicht zu ertragen, wie viele Kinder in diesem Land betteln. Und doch hat uns ihre Offenheit sehr berührt.
Finde den Fehler: Als wir uns zum Abschluss unserer Trekking-Tour im Himalaya in Lukla fotografieren ließen, mogelte sich dieses Mädchen zu uns ins Foto und zeigte stolz ihre rosa Clogs.
Ein Reisebericht von Susanne Baade und Dirk Lehmann