Er ist der Herrscher über ein Luxus-Reich, über ein Refugium des Stils. Er leitet ein Stück Paradies, es ist ein manifest gewordener Urlaubstraum mit Bungalows auf strahlend weißen Sandstrand und Villas auf Stelzen im türkisblauen Meer, hier hat jeder Pool Meerblick, und abends geht die Sonne so prächtig unter, dass man sich zwicken muss, um sich davon überzeugen, all dies gibt es wirklich. Die Visitenkarte weist Armando Kraenzlin als „Regional Vice-president & General Manager“ der Luxus-Hotelgruppe Four Seasons auf den Malediven aus. Die Resorts locken mit dem Ideal einer Korallen-Insel im Indischen Ozean: Palmen, leuchtender Strand, im glitzernden Wasser zeichnet sich das Riff ab.
Genug gesabbert. Ich treffe Armando Kraenzlin im Fairmont Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg. Ein kalter Frühlingstag, doch sonnig. Ich bin mit dem Rad gekommen und gehe, den Helm unter dem Arm, das Reflexionsband noch um das Hosenbein, in die so genannte „Wohnhalle“ des Hotels, wo der Schweizer aus den Malediven beim Tee sitzt. Er arbeitet, einen Haufen Unterlagen liegen auf dem Tisch, ein iPad, ein Notizblock, ein Stift. Kraenzlin trägt ein weißes Hemd mit Priesterkragen, darüber ein schlichtes schwarzes Jacket. Er hat wenig Haare auf dem Kopf, aber ein freundliches, vielschichtiges Lächeln. Im Gespräch ist er sehr ruhig, ein guter Zuhörer, der seine Worte mit Bedacht wählt.
Dirk Lehmann: Sind Sie ein wenig neidisch auf mich?
Armando Kraenzlin: Warum?
Weil ich mit dem Fahrrad gekommen bin. Auf den meisten Malediven-Inseln gibt es doch keine Fahrräder. Wozu auch – messen doch einige kaum mehr als 100 Meter im Durchmesser?
Ha, da werden Sie aber staunen, wenn ich Ihnen sage, dass wir sehr wohl Fahrräder haben. Landaa Giraavaru, unsere Insel, misst immerhin etwa 18 Hektar. Die Räder hatten wir ursprünglich angeschafft, damit unsere Mitarbeiter mobiler sind. Dann fragten erste Gäste, ob sie die Räder auch nutzen dürfen. Wir kauften noch welche hinzu. Und dann fragten die Gäste, ob wir auch Räder für Kinder hätten. Inzwischen haben wir mehr als 300 Fahrräder, erst kürzlich habe ich neue bestellt.
Momentan, so vermute ich, stehen die Räder vor allem still. Seit einiger Zeit haben die Malediven ein Image-Problem. Es wird vereinzelt sogar zum Boykott aufgerufen. Macht sich das in den Buchungen bemerkbar?
In der Summe überhaupt nicht. Wir sind genau so gut gebucht wie im Vorjahr. Es kommen aber weniger deutsche und britische Touristen. Die sind sehr sensibel. Andere Urlauber scheint das Thema gar nicht zu interessieren.
Die Zurückhaltung ist also ein rein europäisches Phänomen?
Nicht einmal das. Italiener und Franzosen scheint der Fall auch nicht abzuhalten, aus diesen Ländern kommen so viele Gäste wie sonst. Zudem haben wir mehr Gäste aus Indien, Russland und Japan.
Sie arbeiten seit mehr als zehn Jahren auf den Malediven. In dieser Zeit hat sich der Kampf der „Destinationen“ um vermögende Gäste verschärft. Wo stehen die Malediven im Moment?
102 Hotels gibt es hier inzwischen, mehr als zehn verlangen Übernachtungspreise von mindestens 1000 Dollar pro Nacht. Noch rund 65 Hotellizenzen will die Regierung vergeben. Jedes Jahr kommen zwei bis fünf neue Resorts dazu. Und, so weit ich weiß, gibt es mehr Interessenten für neue Objekte als Lizenzen. Die Malediven sind als Destination so unique wie der Himalaya Nepals oder die Schweizer Alpen.
Sie kennen viele der neuen Projekte. Machen auf den Malediven nicht alle dasselbe – errichten Over-Water-Bungalows, pflanzen Palmen, schütten Sand auf, fertig ist das Resort?
Es gab auch ein paar ausgefallene Projekte. So sollte ein „floating golf hotel“ entstehen. Und es war ernsthaft ein Resort nur für Blondinen geplant, alle Mitarbeiter hätten sich die Haare färben sollen, die Gäste auch. Ich bin mir nicht sicher, ob so etwas erfolgreich sein könnte. Eine Genehmigung wurde nicht erteilt, solche Pläne haben keine Chance, die Malediven sind kein Superlativ-Land. Dies ist nicht Dubai.
Was tun Sie, um Ihren Gästen die Kultur der Inselwelt näher zu bringen?
Wir engagieren uns sehr. So hat sich hier eine der ursprünglich chinesischen, wohl aus Thailand gekommene Lacquer-Techniken etabliert, feine Holzschnitzereien, die aufwendig lackiert werden. Wir unterstützen die Handwerker und verkaufen ausgewählte Stücke. Zudem gibt es einen Wettstreit unter den Trommlern einzelner Inseln, die gegeneinander antreten und sich im Bodu Beru messen. Wir richten manche dieser Tanz-Wettbewerbe aus.
Wie reagieren Ihre Gäste auf solche Angebote?
Ehrlich gesagt, vielen ist es egal. Zum Ende ihres Aufenthalts bitten wir die Gäste, einen Fragebogen auszufüllen. Wir wollen wissen, wie unsere Angebote ankommen. Viele Gäste antworten, dass sie die gar nicht so wahr genommen hätten. Auf die Frage, ob es ihnen gefallen habe bei uns, heißt die Antwort oft: Es ist halt ein Four Seasons. Und es war toll, wie immer.
Stelle ich mir deprimierend vor, man bemüht sich, den Charakter eines Urlaubsziels heraus zu arbeiten, aber es wird nicht geschätzt.
Unser Engagement richtet sich ja nicht nur an die Gäste. Es geht uns auch um die Region, um die Umwelt. Wir haben ein durchdachtes Müll-Management, die Abfälle fliegen quasi mit den Gästen zurück. Und im letzten Jahr haben wir eine „Moskito-Lady“ hier gehabt, die Wissenschaftlerin hat uns gezeigt, wie man die Insekten aufspürt und bekämpft, bevor sie zur Plage werden. Seither müssen wir keine mehr Mittel mehr dampfen.
Ihr Hotel liegt im einzigen Biosphärenresevat der Malediven, es soll die Modell-Region für eine grüne Wirtschaft werden. Wie macht sich das bemerkbar?
Bei uns arbeiten Meeresbiologen, wir planen mit Solarenergie. Es sind erste Schritte…
Seit mehr als zehn Jahren sind Sie nun auf den Malediven, haben da bestimmt schon alles erlebt. Was würde Sie beruflich reizen?
(Denkt lange nach.) Wir haben kein Unterwasser-Restaurant oder -Spa, man braucht es nicht. Aber… Nein, eigentlich nichts.
Was machen Gäste falsch, wenn sie zu Ihnen kommen?
Ich verstehe nicht, warum die Over-Water-Bungalows so begehrt sind. Die eignen sich für Flitter-Wöchler, für frisch verliebte Paare auf Reisen, die unter sich bleiben wollen.
Wollen Sie etwa sagen, dass Over-Water-Bungalows langweilig sind?
Nein! Aber ich persönlich würde immer eine Beach-Villa bevorzugen.