Ein Toast auf die Seefahrt: Das Kreuzfahrtschiff „Europa 2″ überholt einen rostigen Frachter
Ein Element, zwei Welten. Während unserer Kurz-Kreuzfahrt mit der neuen „Europa 2″ überholte unser strahlend weißes Schiff einen rostigen Frachter, einen geschundenen Kahn, dem die Last der Arbeit auf den Rumpf geschrieben stand. Es war ein symbolischer Moment, zwei Aspekte der Seefahrt begegneten sich, die unterschiedlicher kaum sein können. Da ein Schiff, das eigentlich das Rückgrat der Weltwirtschaft ist, in letzter Zeit aber an Ansehen und Bedeutung verloren hat. Hier ein neuer Typ des Luxus-Kreuzfahrtschiffes mit Platz für gut 500 Passagiere, von denen jeder mindestens 500 Euro pro Tag zahlt, um mit zu fahren. Da Alkoholverbot und Schichtdienst, hier Müßiggang und rosa Champagner. Und wir, die Fracht der Zukunft, die mehr Rendite abwirft als jeder Container. Vergnügt prosteten wir dem Schiff zu.
Kunstwerk: Licht macht Fenster zu Bilderrahmen und die Rezeption zur Installation
Danach machen wir weiter mit der Suche nach dem Licht an Bord. Denn das ist eine der Besonderheiten der „Europa 2″ – ihre Lichtarchitektur. Orange-farbene Leuchtbänder rahmen die Fenster neben der Rezeption auf Deck 4, selbst wenn sich darin ein Regentag abzeichnet, wirkt der edel. Im Eingang zum Theater hängt eine glitzernde Weltkugel. Über den Köpfen der Gäste im italienischen Spezialitäten-Restaurant „Serenissima“ baumeln Lüster aus grünem Murano-Glas, und im Hauptrestaurant „Weltmeere“ strahlt ein rotes Lampenmonstrum. Im auch für Damen zugänglichen „Herrenzimmer“ glimmt ein LED-Kamin. Wer das Kreuzfahrtschiff „Europa 2“ für sich entdeckt, stellt schnell fest, dass die Inneneinrichtung viel mit Licht zu tun hat – es ist ein Spiel der Kontraste, Hell und Dunkel, Beige und Braun, Hellgrau und Schwarz, Holz und Chrom, Linie und Ornament.
Das Schiff als Bühne: Eine Kugel glitzert über dem Eingang zum Theater, der Jazz-Club leuchtet rot
Wir folgen dem Licht auf der „Europa 2″, wie es etwa aus den Decksplänen strahlt, die rechteckige Flachbildmonitore sind. Wie es von Glaszylindern und Kuben verteilt wird in Gänge. Bis man die Kabinentür öffnet und in einem Raum steht, wie es ihn so noch nie auf einem Kreuzfahrtschiff gegeben hat – heller Holzboden, der in einen weichen dunklen Teppich übergeht, ein dunkles Bett neben einem hellen Sofa, von dem aus der Blick durch bodentiefe Fenster und den Balkon hinaus geht auf das Wasser. Die Grand Suiten der „Europa 2“ bieten 46 Quadratmeter Sehfahrt.
46 Quadratmeter Meerblick: Die Grand Suiten sind teuer – aber besonders aussichtsreich
Doch das Meer müssen wir uns vorstellen, denn wir sind auf der Elbe. Nach Hamburg führt eine der ersten Reisen der „Europa 2“. Denn hier, genauer gesagt, vor dem Stadtteil Blankenese, wird das neue Flaggschiff von Hapag Lloyd getauft. Warum sich die Reederei, die die Kreuzfahrt als Reiseform erfunden hat, nicht für den Hafen entschieden hat, wo die meisten Taufzeremonien stattfanden, sondern für den reichen Westen? Vielleicht, so vermuten einige, weil im Hamburger Nobelvorort am ehesten diejenigen wohnen, die sich sich eine Luxuskreuzfahrt leisten können.
Der reiche Westen: Blankenese ist Hamburgs Nobelvorort – hier wurde die „Europa 2″ getauft
Was ist Luxus? Für den einen ist es ein besonderes Auto, ein Kunstwerk oder ein Fahrrad (ja, ein Fahrrad!). Für den anderen eine Reise. Vor allem aber muss es das Beste vom besten sein. Nur das rechtfertigt den Preis. Dafür erwartet der erfahrene Gast einen besonderen Gegenwert. Die „Europa 2″ wirbt mit großzügigen Suiten, exquisiten Speisen und perfektem Service. Gleichzeitig aber soll man an Bord einen neuen, einen modernen Luxus leben können – entspannt, unaufgeregt, mit Understatement. Eigentlich ein tolles Konzept. Wer schon mal in einem Four Seasons Hotel gewohnt hat, kennt diesen Lebensstil und weiß ihn zu schätzen. Es verblüfft, diese Lässigkeit in einem Kreuzfahrtschiff zu erleben, denn die meisten Reeder tragen immer noch gern Jacketts mit Goldknöpfen.
Betreutes Trinken: 30 Gin-Sorten gibt es an Bord und einen gut sortierten „Weinkeller“
Es ist schwierig, Luxus zu bewerten. Viele Autorinnen und Autoren können nach einem Aufenthalt in einem exquisiten Hotel nur noch Plattitüden absondern, sie schreiben Sätze wie „Das ist das schönste Zimmer der Welt…“ Oder: „Ich habe mich total verliebt in das…“ Oder, oder, oder. Dabei weiß jeder, dass man sich in ein Hotel nicht verlieben kann, dass man das schönste Zimmer der Welt erst kennt, wenn man in allen geschlafen hat (oder zumindest in verdammt vielen). Auch wir haben schon solchen Blödsinn abgesondert. Es ist manchmal nicht leicht, seine Glücksgefühle im Zaum zu halten.
Ornament und Firmament: Lilie im Teppich und der Leuchter des Hauptrestaurants
Warum gibt es in diesem Stück über eine Reise mit einem Kreuzfahrtschiff einen grundsätzlichen Exkurs über den Luxus und dessen Wirkung auf die Urteilskraft? Um klar zu machen, dass wir uns dessen bewusst sind. Und dennoch können wir über die „Europa 2“ nur sagen: Es ist sicherlich eines der schönsten Kreuzfahrtschiffe der Welt, vielleicht ist es sogar das schönste.
Als reisendes Paar kennen wir viele Schiffe, auch die „Europa“, die inzwischen von manchen Hapag Lloyd-Mitarbeitern versehentlich die „alte Europa“ genannt wird. Wir mochten die gediegene Klasse, das fantastische Essen, die gute Atmosphäre. Die „Europa“, im wichtigen Berlitz Cruise Guide seit Jahren als bestes Schiff der Welt gewertet (Autor Douglas Ward kennt alle Schiffe), fährt seit 14 Jahren. Das ist nicht alt. Und doch wirkt das von Norwegern gestaltete Schiff im Vergleich zum frischen Namensvetter wie aus dem Museumshafen. Die „alte Europa“ bietet einen Luxus, wie man ihn aus klassischen Grand-Hotels kennt. Die vom Hamburger Partnership Design gezeichnete „Europa 2″ gleicht dagegen einem stilvollen Design-Hotel. Es ist nicht alt gegen neu, eher Klassiker gegen Moderne – Hilton versus Hyatt.
Himmel und Hölle: Kissen mit Namen und der „Kamin“ im „Herrenzimmer“
Der Mann, der das Konzept des neuen Schiffs vorangetrieben hat, verließ im letzten Jahr das Unternehmen. „Völlig unerwartet“, wie Branchen-Experten schrieben, „auf eigenen Wunsch“, wie es die Reederei formulierte. Sebastian Ahrens kam von McKinsey und hat bei Hapag Lloyd-Kreuzfahrten viel bewegt. Ob er unter den Zuschauern steht, die das Schiff nun bei der Einfahrt in den Hafen begrüßen? Ob er weiß, dass viele Skeptiker zweifeln, dass es in Deutschland überhaupt einen Markt gibt für so ein Luxus-Kreuzfahrtschiff – mit Reisepreisen ab 500 Euro pro Tag und Person?
Heavy Metal: Bronzetafeln für die Orientierung, Navigationsexperten auf der Brücke
Wer immer eine Gelegenheit hat, dieses Schiff zu erleben, wird es nicht vergessen. Die „Europa 2“ definiert Kreuzfahrten neu. Stil und lässige Eleganz. Service und Individualiät. Persönlichkeit und Raum. Hell und Dunkel. Kein Käpitänsdinner, kein Krawattenzwang. Wer sich das Schiff leisten kann, darf auch in Jeans und T-Shirt essen. Darf jung genug sein, um kleinere Kinder mit zu bringen. Für Familien gibt es Kabinen mit Verbindungstüren, für die Kinder einen Kleinkind-, einen Kids- und einen Teens-Club. Für die Eltern: acht Restaurants. Eine Bar mit mehr als 30 Gin-Sorten. Und einen gut sortierten Wein-„Keller“, die teuerste Flasche kostet 2000 Euro.
Doch das ist typischer Angeber-Kram aus der Welt des alten Goldknopf-Jackett-Luxus. Die Generation der neuen Wohlhabenden genießt den Blick vom privaten Balkon. Sie schätzen, dass im Fitness-Raum modernste Sport-Maschinen warten und jemand, der weiß, wie man sie bedient. Und sie nehmen es mit wohlwollender Selbstverständlichkeit hin, dass man im Restaurant nicht verständnislos angeschaut wird, weil man ein vegetarisches Essen bevorzugt.
Die Sauna ist zum Meer hin verglast.
Müßiggang und Genuss: Champagner am Pool und Vitello Tonato im „Serenissima“
Inzwischen hat sich das Schiff in die Einlaufparade für den Hamburger Hafengeburtstag eingereiht, vor uns zwei Windjammer, die „Alexander von Humboldt“ und die „Gorch Fock“. Hinter und um uns herum eine ganze Armada von Schiffen. Mehr als 350.000 Zuschauer haben sich am Elbufer versammelt. Sie winken und jubeln. Und begrüßen ein Schiff, das die meisten von ihnen nie von innen sehen werden.
Eignet sich die „Europa 2″ für reisende Paare? Das wird sich zeigen. Die Voraussetzungen stimmen. So überzeugen die Kabinen mit großen Betten. In allen Restaurants gibt es gut platzierte Zweier-Tische, im Hauptrestaurant aber auch lange Tafeln, man kann sich zwanglos zu anderen dazu setzen. Es gibt viel öffentlichen Raum, geeignet für Zweisamkeit und für den Abend im Freundeskreis gleichermaßen. Ein Kreuzfahrtschiff für ein modernes Lebensgefühl. Für Menschen ohne Jackett mit Goldknöpfen. Luxus 2.0.
Die Taufe der „Europa 2“: ein Fest für Hamburg und eine Party für geladene Gäste