Souvenirs aus Japan: Wie Profi-Fotografen das Bild eines Landes prägten

Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg "Typisch Japan"

Japan-Kitsch: Ein tätowierter Mann zieht eine schöne Frau durch ein zauberhaftes Land

„Globetrotter, wörtlich Erdumtraber, ist die technische Bezeichnung für ein Genus, dessen Auftreten in größeren Massen, ähnlich dem der Phylloxera oder des Coloradokäfers, erst in der Neuzeit beobachtet worden ist“, schreibt im Jahr 1888 der Metallurg und Autor Curt Adolph Netto. 13 Jahre hatte er in Japan gelebt, Bergwerksanlagen in Kosaka modernisiert und an der Universität von Tokio gelehrt. Für sein Wirken erhielt Netto vom japanischen Kaiser sogar einen Orden. In Deutschland wurde der gebürtige Sachse bekannt für seine Reise-Berichte, erschienen in dem Buch mit dem hübschen Titel „Papierschmetterlinge aus Japan“.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wird der Staat in Fernost zu einer Art Sehnsuchtsziel vieler Reisender – sie träumen vom Reich der Kirschblüten und Kanji, der handkolorierten Landschaften und zarten Geishas. Und so mancher macht sich auf in das verheißungsvolle Land. Anfangs sind es vor allem Globetrotter, später kommen dann die ersten noch kleinen Reisegruppen, die – etwa mit Unternehmen wie Thomas Cook – durch Japan touren wie heute so mancher Japaner durch Europa: straff durchorganisiert, viele Highlights in wenigen Tagen.

Ausstellungsnasicht

Zartbunte Motive in schlichten Rahmen: klare Hängung im Museum für Kunst und Gewerbe

In Japan versteht man schnell, dass sich aus dieser Fern-Romanze einiges Kapital schlagen lässt. Eine touristische Industrie entsteht, die die Bedürfnisse der Träumer und Besucher aus dem fernen Europa befriedigt. Fotoateliers bieten Bilder an mit typischen Japan-Ansichten, einige Studios haben ganze Serien im Programm, die Stationen klassischer Reise-Routen durch das Land abbilden, mit Ankunft in Yokohama und Touren von da nach Tokio, Kamakura und Nikko. Der Besucher kann aus mehr als 2000 verschiedenen Motiven wählen, um seine Reise zu illustrieren. Auf diese Weise kommen allein im Jahr 1897 rund 25.000 der handkolorierten Aufnahmen nach Europa.

Die Ausstellung „Typisch Japan – Reisefotografie des 19. Jahrhunderts“ im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zeigt einige der schönsten Bilder dieser Zeit. Und wir schlendern durch die Räume mit den Fotos, die auch unser Japan-Bild noch prägen: Geishas, tätowierte Rikscha-Fahrer, Buddha-Statuen. Die zart mit Farbe akzentuierten Abzüge, Glasdias und Stereofotografien faszinieren, sie machen uns zu Zeugen einer tatsächlich fernen und vergangenen Kultur – mit Fotos, die noch seltsam präsent wirken. Verblüffend, wie sehr uns diese Motive prägen.

viele der Fotos wurden inszeniert  viele Fotos lassen sich nicht mehr zuordnen – anonyme Aufnahme eines Tätowierten Mannes
Grüner Tee, rotes Tattoo: Fotos des bekannten Souvenirfotografen Kusakabe Kimbei

Bemerkenswert ist dabei, dass viele der Portraits und Szenen mit Geishas oder Bauern oder Sumo-Ringern im Studio nachgestellt wurden und somit ein Klischee zeigen, das es so zu jener Zeit schon nicht mehr gab. Ganz konsequent hat man die Fotos für den Markt produziert, alle Anzeichen von Gegenwart und Moderne wurden verbannt. Zudem zeigen die Bilder vor allem Frauen – und damit bestätigen sie die Erwartungen und Wünsche der westlichen Reisenden, die Japan sahen als eine „Art erotischen Himmel“.

"Typisch Japan":Reisefoto vom Fuji

Ikonographie eines Landes: Ein See, diffuses Licht, ein Vulkankegel – das Japan des 19. Jahrhunderts

Dabei war es sehr schwierig, die große Nachfrage nach Frauen-Portraits zu befriedigen. Denn eine anständige Japanerin ließ sich nicht ablichten. Und so baten Fotografen wie Kusakabe Kimbei – der wohl bekannteste Souvenirfotograf seiner Zeit – anfangs vor allem Familienangehörige ins Studio und bezahlten später Geishas, Kurtisanen und Prostituierte dafür, Model zu sitzen. Und wir sehen immer wieder Frauen auf Rikschas oder in Sänften, entweder im Studio oder vor zauberhaft zarten Landschaften.

inszenierte Geishas

Mit Fächer und Shamise: So stellte man sich Geishas vor, so wurden sie von Profis in Japan inszeniert

Was ein Vergnügen, durch diese kleine Ausstellung zu gehen, die uns als Reisende auch einen Spiegel vorhält, obwohl die Fotos mehr als 100 Jahre alt sind. Aber sie belegen, wie sehr die Menschen schon damals gesucht haben, wonach wir heute noch streben, wenn wir uns auf machen in die Fremde: nach Authentizität, nach Exotik, beseelt vom Wunsch an einem Ort zu sein, an dem niemand vor uns war. Und wir Deppen ahnen nicht, dass wir ständig reingelegt werden. Damals von den Souvenir-Fotografen. Heute von Lonley Planet und Co. Die Zeit der ersteren endete als zu Beginn des 20. Jahrhunderts Kameras auf den Markt kamen, die auch von Laien zu bedienen waren…

Buddha als Motiv   ein Buch aus der Zeit von Netto

Stereoskope lieferten neues Sehvergnügen  Susanne probiert es aus
Buddhas und Bücher: In „Papierschmetterlinge aus Japan“ erzählt Curt Adolph Netto über seine Reisen. Durch das Stereoskop sieht Susanne die Landschaften so wie einst Netto

Eine lohnenswerte Entdeckung sind denn auch die hübschen Boshaftigkeiten von Curt Adolph Netto. Wer von uns, der gern und viel unterwegs ist, entdeckt sich nicht in Nettos Beschreibung des Travellers, von dem es diverse Typen gebe, etwa den „Globetrotter Communis: Sonnenhut, blaue Brille, wenig Gepäck, Gummiwäsche. Hat den Zweck, bei möglichst geringen Auslagen sich möglichst lange auf Reisen aufzuhalten.“

viele Motive gab es auch als Postkarten

die Auswahl war sehr groß – ein "Picture Store"

Kitsch und Poesie: Postkarten und ein Studio in Yokohama, in dem sich Reisende versorgen konnten

Info:

Typisch Japan. Reisefotografie des 19. Jahrhunderts. Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg