Mehr als Luxus: Der kleine Pool auf dem Balkon ist Planschbecken und Refugium gleichermaßen
Wir müssen uns entschuldigen. Undzwar bei der indischen Regierung. Mindestens. Wir haben uns von Typen beeinflussen lassen, die auf Bewertungs-Portalen wie www.airlinequality.com Dampf ablassen und Flughäfen schlecht schreiben, die sie entweder nicht gesehen haben, oder über die sie sich aus völlig anderen Gründen ärgern (wahrscheinlich weil man ihnen das upgrade in die Emirates-Lounge oder in die Business-Class verweigert hat). Jedenfalls haben wir die viel zu ernst genommen, die schreiben, dass der Indira-Gandhi-Airport von Neu Delhi eine „horrible experience“ sei. Und wir haben das Hotel gebeten, uns einen Abhol-Service zum Flughafen zu schicken.
Doch dann tauchte unser Flugzeug in den Smog über Delhi ein und vor einem modernen lichten Gebäude aus Glas und Stahl wieder auf. Ein Flughafen wie er besser nicht sein kann: sauber, hell, mustergültig ausgeschildert. Vielleicht könnte man ein wenig über das Abfertigungstempo bei der Immigration maulen. Aber, hej, an welchem Flughafen ist das seit dem 11. September nicht so (allein dafür muss man Al-Qaida hassen)? Wir jedenfalls haben als Paar auf Reisen schon einige Städte erlebt, denen wir einen solchen Airport wünschen würden – und nicht nur Berlin. Was wir mit diesem, vielleicht etwas ausschweifenden Diskurs über falsche Bewertungen, unnötige Vorsicht und unbegründete Vorbehalte sagen wollen? Der Flughafen von Delhi ist ein Ort, an dem auch vorsichtige Reisende sicher ankommen. Man muss sich nicht abholen lassen.
Hohe Decken und lange Flure: Rote Drehsessel im Restaurant, rote Lacksessel auf den Etagen
Und doch freut es einen, wenn im Ankunftsbereich jemand ein Schild mit dem eigenem Namen hoch hält. Man fühlt sich wichtig und willkommen. Und entdeckt voller Interesse neue Varianten, den eigenen Namen falsch geschrieben zu lesen. „Welcome Mr. Limann and Ms. Ba Ade“. Das müssen wir sein.
Die Mitarbeiter des Aman-Resorts von Neu Delhi tragen traditionell gestaltete, beige-braune Anzüge. Sie nehmen unser Gepäck, reichen uns feucht-kühle Tücher und kleine Wasserflaschen und geleiten uns zum Auto. Ein Audi Q7 wartet im Parkhaus. Wir nehmen auf der Rückbank platz. Der Fahrer fährt, neben ihm sitzt der Airport-Concierge und verstrickt uns in ein Gespräch über unsere Anreise, erzählt über die (wenigen) deutschen Gäste, die er zuletzt hatte („a very friendly couple from Munich“, und man merkt wie gut vorbereitet er ist, als er fragt, wie weit Hamburg davon entfernt sei). Rund zehn Minuten dauert die Fahrt vom Flughafen in die Stadt, rund 30 Minuten dauert die Fahrt durch die Stadt. Die ist am Rand arm und sehr Kathmandu-ähnlich, im Botschaftsviertel grün und von Villen geprägt, rot und repräsentativ am Regierungssitz, aufstrebend und kantig im wirtschaftlichen Zentrum, in dem auch unser Hotel liegt. Das „Aman New Delhi“ ist ein Resort in der Stadt. Ein großer Gebäudekomplex aus hellem Sandstein, die geradlinige Architektur, so heißt es, sei inspiriert von der indischen Geschichte. Ausgenommen hiervon ist allerdings der Fitnessbereich mit 50-Meter-Pool, Tennis- und Squash-Plätzen.
Gradlinigkeit: Vom Hotel blickt man auf einen Apartment-Block mit Hotelservice für Langzeitgäste
Erst vor kurzem ist das Hotel nach umfangreicher Renovierung wieder eröffnet worden. Und die Gradlinigkeit, die die Architektur prägt, zeigt sich auch im Haus selbst. Lange Gänge, tiefe Teppiche, große Zimmer. Unseres liegt in der vierten Etage. Ein heller Raum, ein Sofa, ein Bett, ein begehbarer Schrank, ein großes Bad mit Dusche und Wanne, zwei eckige Waschbecken, die eigentlich zwei unabhängige Wasch-, Schmink- und Haareföhnplätze sind (geeignet also durchaus auch für zerstrittene Paare auf Reisen), eine Küchenzeile, eine große Terrasse, von der man einen tollen Blick über Delhi hätte, würde die Stadt nicht ständig im Smog stecken. Dafür entdecken wir auf unserem Balkon einen kleinen Privat-Pool. 1,50 Meter mal 1,50 Meter, 1,20 Meter tief. Eine Chaiselongue steht davor, ein paar Handtücher liegen ordentlich gerollt und gestapelt bereit. Und wahrscheinlich machen wir die ersten Arschbomben in das Wasserbecken – davon ausgehend, dass CEOs sich nicht so kindisch verhalten.
Good Morning, Delhi: Morgensonne auf zerwühltem Bett, „French Toast“ auf braunem Teller
Auf Reisen gibt es Orte, die man einmal gesehen und damit abgehakt hat, und Orte, an die man immer wieder zurück kehren möchte. Das Aman ist so ein Ort, den man gern noch einmal erleben würde. Wer einmal hier gewohnt hat, der kann die so genannten Aman-Junkies verstehen, die nur in Aman-Hotels wohnen wollen, die süchtig sind nach solchen Orten. Schon allein die Ruhe und die Gelassenheit, die dieses Hotel ausstrahlt, ist bemerkenswert. Der Service sucht seinesgleichen. Als wir fragen, ob wir die einzigen Gäste sind, heißt es, das Haus sei fast voll. Und doch fühlt man sich so persönlich umsorgt als wäre man allein.
Wir haben beim Concierge eine Stadtführung gebucht und erleben eine intensive Tour durch die Altstadt von Delhi. In Begleitung unseres braun livrierten Guides kommen wir in die Gassen der Stoff- und Schmuckhändler, der Snack-Restaurants und Garküchen, der Näher und Handy-Reparierer, der Nuss-Verkäufer und Einladungskartendrucker. In jedem dieser Stadtteile kennt unser Guide jemanden, wir können Fragen stellen, Bräuche kennen lernen, erhalten Einblicke, und über jede Begegnung möchte man ganze Geschichten schreiben, jeden Menschen portraitieren. Bis man irgendwann merkt, wie einen diese Welt der Enge und Hitze anfixt und immer tiefer hinein zieht. Wir treiben mit im stetigen Strom der Menschen, Rikschas und Mopeds. Und als wir nach einigen Stunden wieder auftauchen und zurück kehren in unser Hotel, da verstehen wir erst, was ein Luxus es bedeutet, in einer Metropole mit cirka 20 Millionen Menschen so viel Raum für sich zu bekommen. So viel Zuvorkommenheit. Und einen eigenen Pool auf dem Balkon.
Blick-Achsen: Auf das Spiegel-Kabinett im Hotel-Flur, auf den Highway, der im Smog verschwindet
Ein Tipp für Paare auf Reisen?
Sie sagt: Das Hotel ist eine Oase in einer der anstrengendsten Städte, die ich kennen gelernt habe. Drei Stunden Delhi sind wie ein verlängertes Wochenende in London, wie Sommerferien in Berlin. Mich hat die Freundlichkeit der Menschen hier begeistert – und ihre Armut immer wieder erschüttert. Ob man sich je an eine solche Stadt gewöhnen kann? Wer in Delhi eine Woche Urlaub macht, ist Burn-Out-gefährdet. Deshalb ist das Hotel eigentlich günstig.
Er sagt: Krasse Kontraste. Das Hotel ist eine Insel des Luxus und der westlichen Lebensart in einer Welt der Armut. Das Zimmer kostet pro Nacht mehr als ein Arbeiter hier im Jahr verdient. Und doch ist es eine großartige Erfahrung. Wir haben ja auch schon sehr viel billiger und einfacher gewohnt in Delhi, da steckt man dann mitten drin im täglichen Kampf ums Überleben. Hier lernt man es zu schätzen, mitten in der Stadt zu sein – und doch ganz für sich.
Kürzlich wurde das Aman Delhi „rebranded“, es heißt jetzt: The Lodhi,Lodhi Road, New Delhi 110003, www.thelodhi.com