Run auf Reise-Blogger: seltsame Events, schlechte PR und der schwierige Umgang miteinander

MTV – Malta-Werbung

Zeitschriften sind out. Blogs sind in. Moderne Unternehmen integrieren Blogger ganz selbstverständlich in ihre Kommunikation. So lud Mercedes Benz nicht nur die Auto-Tester diverser Zeitungen und Magazine zur Premiere der neuen S-Klasse ein, sondern auch Blogger. Die hatten viel Spaß mit den schönen Autos, die man ihnen zur Verfügung stellte, gurkten damit durch Norddeutschland und publizierten einen begeisterten Post nach dem nächsten.

Doch auch die gestandenen Test-Journalisten schrieben nicht weniger euphorisch, räsonnierten über die Relevanz der S-Klasse, schwärmten von Assistenzsystemen und lobten ein Auto, das so mancher von ihnen noch gar nicht gefahren war, denn vorerst standen nur einige Vorführwagen auf der Bühne. Und so waren es auch nicht die Print-Profis, von denen man erfuhr, dass Mercedes eigens ein Parfum für den Wagen kreieren ließ und es allen Testern schenkte, sondern die Blogger schrieben darüber. Und sie waren es auch, von denen man erfuhr, dass alle Eingeladenen für ein paar Tage umsonst Mercedes fahren durften.

Diese kleine Vorrede dient nur der Einordnung. Wir wissen: Wer über ein Ereignis schreibt, promotet es auch. Das ist nicht verwerflich. Viele Zeitschriften ziehen ihre Daseinsberechtigung nur aus diesem Mechanismus.

Doch manche Unternehmen wollen Blogger vor allem als billige Promo-Schleudern missbrauchen. Denn es gibt mehr Ereignisse, die PR brauchen als Autoren, die darüber schreiben wollen. Eine der Veranstaltungen, an der offenbar zu wenig Journalisten und Blogger teilnehmen, ist das (so die Selbstdarstellung) „coolest and most eclectic free european summer music event“ – das Isle of MTV in Valletta auf Malta. 50.000 Menschen sollen kommen, vier Bands treten auf (unter anderem Afrojack und Jessie J). Und, überspitzt formuliert, niemand will darüber berichten.

Was einem immer einfällt, wenn nichts mehr geht? Genau, ein Gewinnspiel. Visit Malta verlost einen VIP-Trip nach Malta und fünf Kopfhörer. Die Teilnehmer müssen dafür folgende Frage beantworten: Was möchtest du außer dem Isle of MTV-Event auf Malta unternehmen? Die Antwort darf maximal 40 Wörter haben.

MTV – Malta Auf eine besonders pfiffige Idee kam der wohl im letzten Moment (sorry für den Kalauer) hinzugezogene Event-Partner Ltur. Das Online-Portal für Last Minute-Urlaub gab vor, den Reise-Bloggern unter seinen immerhin mehr als 40.000 Facebook-Fans den Montag zu „versüßen“ – undzwar mit einem „tollen Gewinnspiel“: „Wir schicken euch zum Isle of MTV-Festival nach Malta und ihr berichtet auf eurem Blog von euren Erlebnissen. Klickt `Gefällt mir´, wenn ihr Malta rocken wollt.“

Es ist die billigste aller PR-Maschen: Man lädt Blogger ein, über eine Destination zu berichten. Wer den schönsten Bericht schreibt, gewinnt ein weiteres Wochenende in der Stadt oder im Land. Und selbstverständlich baut man darauf, dass der Autor auch über diese Tage etwas publiziert. Hamburg hat kürzlich zu so einem Schreibwettbewerb aufgerufen, Titel: „Hamburg sucht den besten deutschen Reiseblogger“ (drunter macht man es in der Hansestadt nicht). Wie gering die Blogger angesehen werden, die daran teilnehmen, zeigt sich schon im Hauptgewinn: Hotelübernachtung, Musical-Tickets, ein Einkaufsgutschein über 50 Euro.

Ltur bietet aber nicht einmal einen Gutschein, sondern nur die Reiseleistung – Flug, Hotel – und erwartet dafür als Gegenleistung PR. Kein ernstzunehmender Auftraggeber würde wohl seinen Geschäftspartner je vorschlagen: Bewirb dich um den Job. Wir nehmen nur den Besten. Wir zahlen die Reise zum Einsatzort, die Übernachtung auf Montage. Aber kein Essen und kein Honorar. Absurd. Dennoch klicken 40 Personen, dass ihnen das gefalle. Beim genauen Hinsehen zeigt sich: Kein einziger Reise-Blogger ist dabei. Das Ltur-Social-Media-Team publiziert die Ausschreibung auch in diversen Facebook-Gruppen. Denn die Zeit wird knapp. Die große Party startet am 25. Juni, eine Woche vorher sollen die Sieger feststehen. Kaum fünf Tage bleiben. Am Dienstag freut sich Ltur dann „über die erste Bewerbung“. Und man präsentiert einen Link zum Blog von Melina Guske, „The Sailor Maid“.

Melina kam durch Facebook auf das Gewinnspiel. Wir wollen wissen, was sie über das Event weiß. Und sie schreibt: „Ich kann nur sagen, dass sich die Teilnahme schon deshalb gelohnt hat, weil ich dadurch enorme Klickzahlen hatte.“ Wie der weitere Ablauf sein wird, wer ihre Gegner sind, wer über ihren Blog urteilt, das weiß sie nicht. Selbstpromotion als Lohn.

Wir fragen bei Ltur nach: Wie viele Reise-Blogger haben sich an der Aktion beteiligt? Und wer sitzt in der Jury aus „Reise und Social-Media-Experten“, die entscheiden, welcher Blog gewinnt? Inzwischen hat Ltur geantwortet: Mehrere Blogger hätten sich beworben, weitere würden auf Facebook vorgestellt. Über den Gewinner entscheide eine Jury aus Mitarbeitern aus der Ltur-Pressestelle, aus dem Social-Media-Team und dem Marketing-Resort. Und dann heißt es in der E-Mail noch sympathisch süffisant: „Mit Interesse haben wir euren Beitrag gelesen. Und gehen daher mal davon aus, dass euer Schreiben keine Bewerbung ist, oder?!“

Auf Facebook fragen wir, ob es solche „Gewinnspiele“ öfter gibt und regen eine kurze Diskussion in einem internationalen Reiseblogger-Forum an. Während US-Blogger schreiben, dass sie diese billigen PR-Tricks längst kennen und ignorieren, empören sich manche deutschen Kollegen darüber, manche nennen eigene Beispiele. Und es zeigt sich, dass Agenturen, Destinationen und Unternehmen schlicht noch nicht wissen, wie man mit Bloggern umgehen sollte. Und darüber verprellen sie einen interessanten Kommunikationskanal.

Eine der erfolgreichsten Reisebloggerin Deutschlands, bringt ihre Meinung mit einem typisch frechen Kommentar auf den Punkt: „Möchte sich ein PR Mensch mal um mein Altglas kümmern? Das sammelt sich langsam. Einfach kurze Mail an bringmichweg@meinaltglas.de, und eine Jury sucht dann die überzeugendste Bewerbung raus.“

Es gibt noch viel zu lernen in der neuen Medienwelt. Und, ja, irgendwie müssen wir auch über Geld reden. Denn die Unternehmen bauen auf die Reichweite der redaktionellen Beiträge aus der Blogosphäre. Doch die Werbung geht vor allem in die klassischen Medien. Auch in diesem Punkt gibt es noch viel, wie heißt es doch so schön, Optimierungsbedarf.

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