Reise in die Kunst-Welt: Zirkus Art Basel – ein Esel, eine Favela und so viel Geld wie nie zuvor

Esel auf der Art Basel

Schlange auf dem Messeplatz

Stars vor der Manege: Ein Esel mit Blume hinterm Ohr, und am Morgen stehen die Kunstinteressierten an für den Einlass

„Hast Du bemerkt“, fragt ein Franzose seinen Begleiter am Stand der Gagosian Gallery, „es gibt hier keine Infos zu den Werken. Die gehen davon aus, dass die ausgestellte Kunst bekannt ist.“ Gagosian hat hochkarätige Künstler im Angebot: Jean-Michel Basquiat, Gerhard Richter, Andy Warhol, Sigmar Polke, Andreas Gursky und Ed Ruscha. Es wirkt wie der Beleg für den Anspruch der Art Basel, die bedeutendste Kunstmesse der Welt zu sein. Hier kennt man sich aus. Hier wird Geld gemacht. Und trafen sich vor zwei Wochen noch Künstler, Sammler, Museumsdirektorinnen und Kunstvernarrte zur Biennale in Venedig als Wettschau der Kreativität, so hat die Art Basel einen ganz anderen Charakter: Kunstsammler sorgen dafür, dass erneut Umsatzrekorde erzielt werden.

Art Basel: die Gagosian Gallery

Gormelys Werk verzaubert

Kanonen und Skulpturen: Jeff Koons „Toy Cannon“ schießt Blumen, Anthony Gormelys „Drift I“ spielt mit geometrischen Formen 

Seit einigen Jahren besuche ich im Juni die Art Basel. In der Schweiz werden große Namen für große Summen gehandelt. Die Messe bietet aber auch einen großartigen Überblick zur Gegenwartskunst. Und wenn ich hier bin, in der pittoresken Stadt am Rhein, in der zur Messe die Hotels teurer sind als in Tokio, interessiert mich vor allem: Welche Themen prägen die Kunst der Zeit?

Auf der Art Basel sieht man Werke von Künstlern, die im vergangenen Jahr bereits auf der Documenta begeistert haben, und von solchen, die gerade in Venedig ausgestellt werden. So zeigt Pierre Huyghe den Film „Untitled“. Star ist einer der der beiden Hunde, die über Monate auf dem Documenta-Gelände herumstromerten, sowie die Skulptur, in deren Kopf einen Bienenschwarm nistete. Die Nachtaufnahmen und das Summen der Bienen fügt der Installation eine mystische und morbide Facette hinzufügt.

Dayanita Singh

Pica verbindet Menschen für eine gewisse Zeit

Verwalten und Verhalten: Dayanita Singh zeigt ihre Fotos aus Indischen Ämtern und Archiven in großen Aktenschränken, und Amalia Pica lässt Menschen warten – sie halten eine Schnur mit Wimpeln für längere Zeit, ohne einander näher zu kommen

Dayanita Singh, die mit Ai Weiwei, Santa Mofokeng und Romuald Karmakar den Deutschen Pavillon in Venedig bespielt, stellt ihre Arbeit „File Museum“ aus. Die Schwarz-Weiß-Fotografien zeigen die Archive indischer Behörden als Labyrinthe aus Papier, Symbolbilder für das Chaos in der Bürokratie beim Versuch, eine Milliarde Menschen zu verwalten. Wie will man hier je etwas wieder finden? Und für einen Moment kommt es mir albern vor, dass ich mir vor ein paar Wochen noch Sorgen gemacht hatte als ein Hotel-Mitarbeiter in meinem Ausreise-Visum im Feld Nationalität irrtümlicherweise „Italy“ ankreuzte. Schon bei der Pass-Kontrolle ist es niemandem aufgefallen. Und jetzt wird das falsch ausgefüllte Formular in irgendeinem dieser Keller vergehen.

In der „Unlimited“-Halle gibt es Installationen und Filme zu sehen, etwa die Performance „Strangers“ von Amalia Picas. Sie lässt zwei Fremde eine Schnur mit bunten Wimpeln halten. Für eine Weile treten diese Menschen in Kontakt, ohne sich näher zu kommen. Die Künstlerin versteht diese Arbeit als einen Kommentar zu Ritualen, die wir miteinander pflegen, obwohl uns nichts verbindet. Mir kommt es vor wie eine Analogie zum Reisen. Man ist unterwegs, für eine kurze Zeit verbindet einen viel mit anderen Menschen. Und doch entsteht häufig keine richtige Nähe.

Horowitz´Arbeit vor den Hallen

Horowitz´Flohmarkt ist gut besucht

Symbol-Werk für die Share-Economy: Jonathan Horowitz baute einen Tauschhandel auf. Der „Free Store“ war bei den Besuchern sehr beliebt – und der Spiegel schnell vergriffen

Über das Miteinander der Menschen geht es auch in Jonathan Horowitz „Free Store“, seine Installation greift einen Trend auf, der die Wirtschaft prägt. Und die Welt Reisens: das Tauschen. Horowitz fordert den Besucher auf, etwas da zu lassen, was er nicht mehr haben will, dafür darf man etwas anderes mitnehmen. Das Werk entstand in Anlehnung an das Künstlerkollektiv The Diggers, die sich in den 1960-er Jahren für eine Welt ohne privaten Besitz einsetzten. Jeder kann mit machen, umsonst und draußen. Eine schöne Provokation vor den Toren der Art Basel, an deren Kasse das Ticket für den Eintritt immerhin 40 Franken kostet.

Überhaupt spielten sich viele schöne Szenen vor der Messe ab – ein Mann führt seinen Esel auf dem Vorplatz spazieren. Will er damit nur die Aufmerksamkeit auf sich ziehen? Oder den Besuchern vorhalten, was er von Ihnen hält?

das neue Gebäude von Herzog & de Meuron

Gegensätze im Blick: eine Tram, der silbrig schimmernde Erweiterungsbau – entworfen von den Star-Architekten Herzog & de Meuron – und das „Favela Café“

Am Ende kommt es noch zu einem kleinen Eklat. Als ich am Freitagabend die Messe verlasse, sehe ich eine Gruppe von jungen Leuten, die mit einem Polizisten diskutieren, seine Hand liegt auf der Pistole. Sie stehen in der Installation „Favela Café“ von Tadashi Kawamata, die vermutlich sozial kritisch gemeint ist, in der jedoch teurer Milchkaffee und Kuchen verkauft wurden. Mit ihrer „unangemeldeten Party“ wollen Demonstranten auf die Dekadenz des Werkes aufmerksam machen, sie feiern mit lauter Musik. Offenbar zum Verdruss der Art-Base-Offiziellen. Verhandlungen bringen nichts. Die jungen Leute stellen die Musik nicht ab, es kommt zu Handgreiflichkeiten. So viel Favela und sozialer Ungehorsam ist in Basel dann doch nicht akzeptabel. Die Polizei konfisziert die Stereoanlage.

Nach der Kreativ-Wettschau in Venedig und der Verkaufs-Olympiade in Basel zieht die Kunst nun weiter. Nächster Stopp: „Istanbul Biennal“. In Europa gibt es zur Zeit wohl kaum eine spannendere Stadt. Und ich hätte große Lust, im Herbst an den Bosporus zu reisen. Denn das Motto der Biennale, die zuletzt auch in den neu entstandenen Galerien am Taksim-Platz spielte, enthält viel Zündstoff; es lautet: „Agoraphobia“ – Platzangst.