Wer davor steht, könnte es für das erste Haus der Hobbit-Hotels in Europa halten – die Gebäude des „Rogner Bad Blumau“ lugen unter den Grashügeln der Südsteiermark hervor wie in Mittelerde die Behausungen der kleinwüchsigen Humanoiden mit den Fellfüßen. Doch orientiert sich die Architektur des österreichischen Wellness-Hotels nicht an dem, was J.R.R. Tolkien ersonnen hatte. Entworfen wurden die „Augenschlitzhäuser“ vom Künstler Friedensreich Hundertwasser, der übrigens – und so schließt sich dieser vielleicht etwas groß geratene Kreis – an Bord der „Queen Elizabeth 2“ starb, auf der Fahrt zurück nach Europa, er kam aus Neuseeland, wo Tolkiens Werke immerhin verfilmt wurden. Wie dem auch sei. Steht man vor dem Hotel, dann sieht das schon lustig aus, irgendwie witzig. Und so kam wohl auch die Hotelleitung auf die Idee, eine ganz besondere Stelle auszuschreiben: Man sucht einen Hofnarren.
Schon immer hatten wir den Verdacht, dass der Job manche Hoteldirektoren ein wenig durchdrehen lässt. Vielleicht zeigt sich aber auch langsam erst die Wirkung der thermalen Dämpfe, die in Bad Blumau aus der Erde treten und seit Beginn der 1990er Jahre für dieses Wellness-Hotel genutzt werden. Vielleicht sollte man alle Führungskräfte, die längere Zeit in Wellness-Hotels gearbeitet haben und den vermeintlich wohltuenden Ausdünstungen ausgesetzt waren, auf ihren Geisteszustand hin untersuchen.
Warum ein Hofnarr? Hoteldirektorin Melanie Franke erklärt, dass der Spaßmacher einst ein Luxus war, den „die Königsfamilien sich und ihren Gästen gegönnt haben“. Und dann folgt eine Überleitung, die stilistisch zur Vorgabe für diesen Text geworden ist. O-Ton Direktorin Franke: „Bei uns sind die Gäste die Könige, und sie sollen diesen Luxus auch haben.“ Holla! Mit dieser Argumentation könnte das Hotel auch eine Leibgarde einrichten, die maulende Kunden sofort abführt. Oder gar eine Folterkammer eröffnen – denn auch am Quälen haben viele Könige ihren Spaß gehabt. Und uns fällt noch ein, dass in Goethes Faust der Teufel als Narr auftritt und dem König einflüstert: „In Bergesadern, Mauergründen, ist Gold gemünzt und ungemünzt zu finden.“ Das passt zwar nicht zum Thema, aber ganz gut zu einem Hotel, das von einer Thermal-Quelle profitiert.
Die Direktorin will nur Spaß machen. Sie schreibt, die ankommenden Gäste seien in dem von Hundertwasser gestalteten Hotel so vielen neuen Einflüssen ausgesetzt, ein „herkömmlicher Hotelpage geht da leicht unter“ (auch ein toller Gag für ein Wellness-Hotel). Ein Hofnarr, „in passender Kluft, mit einer Laute oder einer Flöte“, erwecke mehr Aufmerksamkeit. Und wir stellen uns vor, wie wir im Rogner ankommen, mit keiner anderen Absicht als der, unsere Seele aber so was von runterbaumeln zu lassen, dass der Begriff „tiefenentspannt“ eine völlig neue Bedeutung bekommt, und dann springt ein bunt gekleideter Typ mit bimmelnder Mütze und schlimm klingender Laute auf uns zu. Könnten Sie, oh weise Hotel-Herrscherin, nicht doch andere Möglichkeiten der Orientierung in Ihrem Erd-Reich in Erwägung ziehen – gewundene, gern im Steiner’schen Sinne unpfeilige Wegweiser, die einem zeigen, wo es lang geht?
Wir können Direktorin Franke aber auch verstehen. Die von Hundertwasser gestaltete Hotel- und Thermen-Anlage ist ein spezieller Ort. Es gibt keine rechten Winkel, kaum klare Linien, die Anlage ist eine mutwillige Aufhebung aller Gradlinigkeit. Man muss das nicht mögen. Und so wundervoll wohltuend das Wasser ist, das hier heiß aus der Erde sprudelt, in der man eigentlich Öl zu finden gehofft hatte, so eigenwillig unzugänglich fanden auch wir Hundertwassers Baustil.
Bis wir uns damit auseinander setzten, was der selbsternannte „Architekturdoktor“ eigentlich wollte. Er kämpfte mit einem „Verschimmelungsmanifest“ gegen den Rationalismus in der Architektur, prangerte in „Nacktreden“ die „Versklavung der Menschen“ durch Bauordnungen an. Er begehrte auf gegen „tödliche Eintönigkeit“ und forderte ein Recht auf „schöpferische Baufreiheit“. Hundertwasser plädierte für eine „Baumpflicht“, jeder Stadtbewohner müsse der Vegetation helfen, in der Stadt zu sprießen. Straßen und Dächer sollen bewaldet sein. „Das Verhältnis Baum-Mensch muss religiöse Ausmaße annehmen.“ Und: „Die gerade Linie ist gottlos.“
Klar, der Mann war ein Spinner. Aber was für einer: ein visionärer Spinner. Und auch wenn man seine Architektur in ihrer Naivität oft nicht erträgt, seine Kunst kitschig finden mag, vieles von dem, was er gefordert hat, macht Sinn, bewegt, berührt einen noch heute. Was war denn das für eine Baukunst, gegen die Hundertwasser aufbegehrte? Eben jene Trabantenstädte der 1970er Jahre. Hochhaussiedlungen, die bald bunt angemalt wurden, um lebenswerter zu sein. Und die erst farbig ihr wahres Grauen zeigten. An deren sozialen Problemen man heute noch herumdoktert.
Insofern war Hundertwasser kein Clown. Er war einer der Narren, die in aller Verrücktheit vor allem eins taten: die Wahrheit sagten. Wie jener berühmte Pablo de Valladolid, den Diego Velazquez in einem wundervollen Portrait verewigt hat, und der eher ein Schauspieler war als ein Komödiant. Hundertwasser würde es inzwischen vielleicht sogar begrüßen, dass man heute jemanden mit Schellenkappe und Laute einstellt, um einen Ort zu erklären, den er geschaffen hat. Denn der österreichische Künstler, der das Glück hatte, auf einer Reise gestorben zu sein, hat viel bewirkt: Die Städte sind grüner geworden, man hat die Farbe von den Hochhäusern abgekratzt, Bäume gepflanzt und Dächer begrünt. Von daher, Eure Hoheit im Hobbit-Hotel in der fernen Steiermark, bewerben wir uns hiermit um die ausgeschriebene Stelle. Wer sich für geeigneter hält, hier geht es zur Stellenausschreibung.