Vom Glück einer Bahnreise: Im Zug mit Hipstamatic über die Elbe
Susanne und ich haben kein Auto. Wir wohnen mitten in der Stadt und legen die meisten Strecken mit den Rädern zurück. Für mittlere Distanzen steigen wir auf unsere Vespa (Baujahr 1986). Geht es in den Urlaub, leihen wir uns ein Auto bei Sixt auf der Reeperbahn (nee, keine Schleichwerbung, ist einfach so). Oder wir nehmen die Bahn (auch keine Schleichwerbung). Und obwohl wir schon manch seltsame Erfahrung gemacht haben in Zügen, wir haben noch nie über die Bahn gemault. Bis wir angefangen haben, unsere „Tour de Niederlande“ zu planen.
Unser Sommerprojekt heißt Tour de Niederlande. Die Idee: Ein Paar auf Reisen radelt von Groningen nach Amsterdam, wir hoppen über Inseln und durch friesländische Städte, über das Ijsselmeer und hinein in die Metropole. Wir werden in Zelten schlafen, im Übungsbetrieb einer Hotelfachschule und in einer Vier-Sterne-Business-Bude in einem Gewerbegebiet. Wir werden uns auf Booten den Wind um die Nase pusten lassen und in Zügen Kilometer fressen. Denn die An- und Abreise soll mit der Bahn erfolgen.
Deutsche Bahnlandschaften: zwischen Oberleitungen und Überdachungen
Also bahn.de aufrufen und eingeben: Hamburg – Groningen, Fahrradmitnahme. Was dabei heraus kommt, – gelinde gesagt – überrascht. 5 Stunden 58 Minuten soll die Fahrt dauern, drei mal umsteigen. Alternativ gäbe es eine Fahrt, die rund eine halbe Stunde schneller ist, vier mal umsteigen. Puh. Wer mit dem Rad und viel Gepäck in die Bahn muss, möchte nicht oft umsteigen. Schon deshalb vergleichen wir die angegebenen Verbindungen genau. Und wundern uns: Wo schicken die uns eigentlich hin?
5 Stunden 33 Minuten: Hamburg – Hengelo – Groningen mit „Mörder-Südbogen“
Wir sollen von Hamburg über Osnabrück, Bad Bentheim und Zwolle fahren. Oder über Münster, Enschede und Zwolle, auf jeden Fall einen Mörder-Südbogen fahren. Wir vergleichen die Routen bei Google Maps. Die Direttissima von Hamburg über Bremen nach Groningen misst etwa 300 Kilometer. Die Bahn-Variante über Münster, bzw. Osnabrück ist rund 200 Kilometer länger.
Es dauert eine Weile, bis wir bahn.de dazu überreden können, uns eine Direktverbindung über Bremen nach Leer anzuzeigen. Und jetzt findet das Portal nicht nur einen Intercity, sondern auch einen Metronom, der kaum länger unterwegs ist als der IC, aber deutlich günstiger; auch die Fahrradkarte kostet nur knapp die Hälfte. Reisezeit von Hamburg nach Leer: knapp drei Stunden, einmal umsteigen in Bremen. Geht doch. Jetzt fehlt nur noch ein Ticket für das letzte Stück.
4 Stunden 56 Minuten: Luftlinie sind es eigentlich nur 70 Kilometer von Leer nach Groningen
Von Leer nach Groningen sind es nur rund 70 Kilometer. Eine Strecke, die man zur Not auch radeln kann. Doch am liebsten würden wir am ersten Tag auf den Rädern nur vom Bahnhof zum Hotel rollen. Und wir beauftragen bahn.de, eine Verbindung zwischen Leer und Groningen zu ermitteln. Erneut ist der Vorschlag grotesk, die Fahrt über Rheine, Amelo und Zwolle soll mehr als vier Stunden dauern, drei mal umsteigen. Google Maps zeigt einen Umweg von mehr als 200 Kilometer. Sind wir zu blöd eine Bahnreise zu buchen? Oder hat die Bahn einen blinden Fleck?
Wir geben die Verbindung bei Nederlandse Sporwegen ein, 0,14 Sekunden später kennen wir die Antwort: 1 Stunde und 10 Minuten dauert die Fahrt, Tickets kann man online bestellen oder am Bahnhof kaufen. Nach einiger Recherche haben wir unsere Reisezeit um zwei Stunden (!) reduziert und die Kosten mehr als halbiert, denn auf der Strecke Hamburg – Leer gilt das Niedersachsenticket, man kauft es am Automaten für 29 Euro.
2 Stunden 21 Minuten: Die selbst erarbeitete Direktverbindung spart zwei Stunden Fahrzeit
Was haben wir gelernt? Wer mit Rad und Bahn reisen will, muss die angebotene Strecke ganz besonders auf Plausibilität überprüfen, am besten parallel mit Goolge Maps arbeiten. Wer mit der Bahn ins Ausland will, sollte die Bahn-Gesellschaft im Reiseland selbst checken. Man Geld sparen. Oder einfach nur Zeit. Am Ende bleibt aber die Neugier, welche Erklärung es wohl geben mag für den „blinden Fleck“ im Routenplaner. Wir haben jedenfalls dem Bahnteam unseren kleinen Erfahrungsbericht geschickt – und sind gespannt.
Update: Unter der Überschrift „Sind wir zu blöd?“ hatten wir auf der Facebook-Seite der Bahn einen Link zu unserem Beitrag gepostet. Und am Sonntagabend (Hochachtung!) hat uns das Social Media Team geantwortet: Grund für den Umweg zwischen Leer und Groningen seien vermutlich die Arriva-Züge, offenbar „wisse“ das Mobilitätsportal der Bahn nicht, dass in denen ein Fahrradtransport möglich sei. Ob dies der DB nicht mitgeteilt worden sei, oder ob es sich schlicht um einen Software-Fehler handelt, wolle man in Erfahrung bringen. Danke.
70 Minuten Fahrzeit: Stündlich fährt die Niederländische Bahn von Leer nach Groningen