Wir auch: In Lissabon haben wir in einem über Airbnb vermittelten Appartement gewohnt. Es gibt kein Zweckentfremdungsgesetz in der portugiesischen Hauptstadt, sorgenfrei konnten wir aus der Wohnung am Castelo de São Gorge den leicht unscharfen Blick auf die Skyline genießen
„Zentrale und helle Wohnung in St. Pauli“, „Apartment mit Wintergarten in Eimsbüttel“ oder „Gasthafen in Ottensen“. Für manchen Hamburger lesen sich die Beschreibungen, die die Wohnungen anpreisen, als würden Mieterträume wahr in dieser Stadt mit ihrem engen, hochpreisigen Wohnungsmarkt. Doch sind das keine Immobilien-Annoncen. Diese Wohnungen findet man nur auf Airbnb.
Es sind Ferien-Apartments in begehrten Stadtteilen, oft im angesagten Stil mit Dielenboden, Stuckdecken und freiem Wifi, nette Cafés und Bars in der Nähe. Allerdings sind manche der Angebote kaum günstiger als ein Mittelklasse-Hotel – wer etwa 125 Euro pro Nacht ausgeben soll für den „Gasthafen“, erhält zwar eine hübsche Wohnung, zahlt aber für das Wochenende 286 Euro, inklusive Airbnb-Gebühr, exklusive Frühstück. Im stylischen 25-hours-Hotel kostet ein günstiges Zimmer rund 90 Euro weniger.
Und doch boomt das Geschäft mit den Wohnungen auf Zeit. Airbnb nennt keine konkreten Zahlen, kommuniziert nur eine etwas vage Geschäftsentwicklung: Seit Gründung des Unternehmens vor vier Jahren, so heißt es in einer Pressemeldung, haben vier Millionen Reisende eine Unterkunft über das Portal gebucht. Deutschland ist der „stärkste Wachstumsmarkt“. Um „417 Prozent“ habe die Zahl der Airbnb-Gäste zugenommen. Und weiter: „Das Ranking der beliebtesten Städte wird angeführt von Berlin, dicht gefolgt von München und Hamburg.“
Allerdings unterschlägt Airbnb, dass in den genannten drei Städten auf unterschiedliche Weise gegen illegale Ferienwohnungen vorgegangen wird. In Berlin wurde kürzlich erst die Gesetzesvorlage für ein Zweckentfremdungsverbot für Wohnungen eingebracht, in Hamburg regelt das Wohnraumschutzgesetz, dass Vermietungen für einen Zeitraum von weniger als sechs Monaten nicht gestattet sind. Zwar ist es erlaubt, während einer längeren Urlaubs- oder Dienstreise unter zu vermieten. Doch wer eine Wohnung dauerhaft, bzw. zu oft anderen als Feriendomizil vermietet, braucht eine Genehmigung.
Julie (Name geändert) hat keine solche Erlaubnis. Aber einen Freund. Und zu dem zieht sie, wann immer jemand in ihrem „cozy appartment in the heart of St. Pauli“ wohnen möchte. Bei 110 Euro pro Nacht hat sie schon nach drei Wochenenden die Monatsmiete raus. Und im Sommer wohnt sie ständig bei ihrem Freund, so gefragt ist die hübsch gemachte Zwei-Zimmer-Wohnung. Und die Nachbarn? Machen die keinen Ärger? Die junge Frau zuckt mit den Schultern. Sie wohne auf dem Kiez. Hier kümmert sich jeder um seinen eigenen Kram. Und was sei auf der Reeperbahn schon legal?
Im Sommer hat der Senat der Freien Hansestadt einen „verbesserten Vollzug des HmbWoSchG“ (Hamburger Wohnraum Schutz Gesetz) beschlossen. Es legalisiert einerseits eine kurzfristige Vermietung der eigenen Wohnung an Feriengäste, verschärft andererseits die Verfolgung illegal angebotener Ferienwohnungen. Eine Taskforce wurde gebildet, zwei Mitarbeiter arbeiten in den angesagten Bezirken Altona und Mitte. Sie durchkämmen die Websites von Anbietern wie Airbnb, 9flats, Wimdu, Citywohnen und Fewo-direkt auf der Suche nach Wohnungen, die dauerhaft dem Wohnungsmarkt entzogen werden. Laut Schätzung der Senatsbehörde für Stadtentwicklung und Umwelt fallen rund 800 Ferienwohnungen eigentlich unter das HmbWoSchG.
Der Hamburger Verein „Mieter helfen Mietern“ rechnet sogar mit 2000 Zweckentfremdungen in Hamburg. Doch die Stadt mit den meisten illegalen Ferienwohnungen ist Berlin. In der Metropole, die laut diverser Hotelpreisbarometer zu den günstigsten Europas gehört, zumindest was den Preis für ein Doppelzimmer betrifft, soll es 12.000 solcher Apartments geben. Der Hotel- und Gaststättenverband behauptet sogar, es gebe 18.000 Zimmer in der so genannten „Grauhotellerie“ der Hauptstadt. Eine eher fragwürdig hohe Zahl für eine Stadt mit rund 134.000 Gäste-Betten (Campingplätze mitgerechnet).
Was passiert, wenn eine illegale Vermietung entdeckt wird? Dem Besitzer der Immobilie wird ein „kostenpflichtiges Wohnungsnutzungsgebot“ zugestellt. Es ist nichts anderes als eine Aufforderung, die Wohnung wieder ordentlich zu vermieten. Wer wiederholt verstößt, muss mit einem Bußgeld rechnen. Das wurde in Hamburg deutlich erhöht. Schon die „Anbahnung einer Zweckentfremdung“ durch eine Annonce in einem Onlineportal kann mit bis zu 50.000 Euro Bußgeld bestraft werden. Frage an die Senatsstelle: Wird es zu Prozessen kommen? Ja. Wie ein solcher ausgeht, ist nicht vorhersehbar. Denn die Hamburger Regelung bietet viel Interpretationsspielraum.
In New York wurde Nigel Warren von einem Richter dazu verdonnert, 2400 Dollar Strafe zu zahlen, weil er seine Wohnung an Touristen vermietet hat. Das hat in den USA eine Debatte über die Share Economy ausgelöst. Die Online-Ausgabe von Wired wirft der Stadtverwaltung vor, eine „bessere Wirtschaftsordnung“ zu bekämpfen und sich damit zum Lobbyisten eines untergehenden Kapitalismus zu machen. So habe man zum Schutz der Taxi-Unternehmen fortschrittliche Anbieter wie Relay Rides, eine Art Airbnb für Autos, zum Rückzug gezwungen, allein durch den Hinweis, dass die Versicherungsbestimmungen der Stadt die Vermietung eines Privat-Pkws nicht decke. Doch, so Wired, Utopien haben Kraft. Und selbst Bürokraten leere Zimmer.
Auch in Deutschland hat die Share-Economy eine große Faszination. Und viele Stadt-Urlauber schätzen es, dass sie über eine Wohnung, die sie etwa bei Airbnb mieten, nicht nur eine Unterkunft finden sondern auch gleich Anschluss in einer fremden Stadt. Denn manche Hosts kümmern sich liebevoll um ihre Gäste, empfehlen Ausflüge und Restaurants, stellen Fahrräder zur Verfügung und persönliche Begleitung. Doch wer denkt, dass dieser Service vor allem von jungen Reisenden genutzt wird, irrt: Viele, die eine private Wohnung mieten, gehören der Alters-Gruppe der über 40-jährigen an. Es sind also vor allem solche, die sich ein richtiges Hotel leisten könnten, die etwas anderes suchen. Auch wir ziehen lieber in ein hübsches Apartment in der Innenstadt als in ein billiges Buisness-Hotel am Stadtrand.
Und doch müssen wir Reisenden aufmerksam sein, besonders in den beliebten deutschen Großstädten. Es kann leicht passieren, dass das „cozy apartment“ in Hamburg St. Pauli, das man gebucht und bereits bezahlt hat, plötzlich nicht mehr verfügbar ist. Denn die Erfahrung der Hamburger Wohnungswächter: Sobald man den „Vermieter“ einer illegalen Ferienwohnung auffordert, die wieder rechtmäßig zu nutzen, steigt der sofort aus dem Geschäft aus. Ohne dass eine juristische Auseinandersetzung nötig ist. Oft auch ohne Ankündigung gegenüber den Kunden.
Für manche Urlauber kann das ein teures Wochenende werden. Mit etwas Pech verliert man das Geld, das man für das Apartment bezahlt hat. Kundenfreundliche Anbieter wie Airbnb und 9flats weisen ausdrücklich darauf hin, dass sie in einem solchen Fall das Geld erstatten. Aber wer ohne Übernachtungsgelegenheit in einer fremden Stadt strandet, muss die bittere Erfahrung machen, wie teuer ein Hotelzimmer sein kann, wenn man es von jetzt auf gleich braucht. Auch um ihren Kunden solche Erfahrungen zu ersparen, fordern viele Portale die Wohnungs-Anbieter auf, sich über die lokale Rechtslage zu informieren. Airbnb nennt das „responsible hosting“.
Die Hamburgerin Julie bleibt cool. Sie lässt sich weder von Graffiti einschüchtern wie „Hipster raus aus dem Kiez“ oder „Touris verpisst euch“, schnippisch fragt sie, ob man nicht eher gegen Drogendealer und Zuhälter protestieren müsste? Noch von der, wie sie sagt, „Hotel-Lobby, die den Druck auf die Behörden erhöht“, was eigentlich nachvollziehbar ist, für einen Hotelbetrieb gelten strenge Auflagen – von Lärm- bis Brandschutz –, um die sich die Privatmieter nicht kümmern. Moralisch sieht sich Julie ohnehin im Recht. „Collaborative Consumption ist doch die Zukunft, oder?“ Und so lange sie noch keine Post vom Bezirksamt bekommen hat, teilt sie ihr Bett weiterhin mit Besuchern.