Hobbitland oder Mordor? Für einen Presse-Trip nach Neuseeland sollen Reise-Blogger einen Vertrag unterschreiben, der es in sich hat

Wegweiser in Neuseeland

„Entdecker gesucht“ lautet die Überschrift der Ausschreibung. Und weiter: „Blogge dir deinen Weg durch Neuseeland!“ Tourism New Zealand sucht „fünf engagierte Reise-Blogger“, die vom 29. September bis zum 5. Oktober durch das Land reisen. „Das Abenteuer wird nach deinen Wünschen umgesetzt.“ Man kann Gletscher bezwingen, wie Bilbo durchs Auenland schlendern, hippe Designer treffen und die Weite des Landes spüren, während man auf einem der Cycle Trails über die Südinsel radelt.

Selbst wenn man Bilbo für genau so langweilig halten sollte wie Designer, die vor allem eins sind, nämlich hipp – das Projekt klingt verheißungsvoll, und das Land ist ein Traumziel. Viele Reise-Blogger bewerben sich. Sie müssen ein Formular ausfüllen, einen Link zu ihrem Blog hinzufügen. Und eine gute Begründung finden, warum man einer der Gewinner sein sollte. Erfahrungsgemäß werden nur wenige auf den Link „Teilnahmebedingungen“ klicken. Doch die haben es in sich.

Die Einladung folgt einem bekannten Muster: Destination fordert Blogger auf, sich für eine Reise zu bewerben. Man muss die Mediadaten angeben und eine kurze Bewerbung formulieren. Eine Jury, deren Zusammensetzung und Kompetenz nicht kommuniziert wird, entscheidet über die Teilnehmer.

Erfahrene Blogger wissen, wer viele unique user hat (mehr als 10.000) und einen ordentlichen Social-Media-Footprint, geht mit besseren Chancen ins Rennen als ein kleiner Blog wie push:reset. Wer sehr viele User hat (mehr als 15.000), wird sich an so einer Nummer gar nicht erst beteiligen, sondern kommt auch ohne „Gewinnspiel“ nach Neuseeland. Und doch: Wir drücken allen Teilnehmern die Daumen.

ein Wald aus lauter Farnen

Grundsätzlich hegen wir gegenüber solchen Deals gemischte Gefühle. Hier wird der Blogger nicht als Partner gesehen, der eine Leistung liefert, die man schätzt. Hier tut man so, als wäre die Reise, über die täglich publiziert werden soll, eine Art Urlaub. Dabei kriegt man den Trip ja nicht geschenkt wie ein drittklassiger TV-Promi, nur weil die PR-Agentur hofft, dass ein Klatschmagazin darüber berichtet, wo das Starlet die Moppen in die Sonne hält. Im Gegensatz zu ihr arbeitet der Blogger – und erreicht mit seinen Texten, Bildern und Filmen eine sehr reiseaffine Leserschaft.

Die Ausschreibung hat Tourism New Zealand einer weltweit agierenden Medien-Agentur übergeben: Populis. Der Konzern wurde 2004 in Italien gegründet, hat seinen Firmensitz inzwischen in Irland und betreibt – laut Eigendarstellung – mehr als 600 Web-Produkte, um „qualitativ hochwertigen Content für ein mitreißendes und mehrsprachiges Publikum zu produzieren“. Es werden Texte für diverse Länder produziert, Produktests initiiert und Links verkauft. Populis verfügt über ein weltweites Blog-Imperium, in Deutschland hat man vor einigen Monaten blog.de gekauft.

Das war mal ein Pendant zu WordPress oder Tumblr. Inzwischen klagen manche langjährige blog.de-Blogger über lange Lade-Zeiten bei den Beiträgen und über schlechten Support. Auch von einigen Mitarbeitern erhält Populis eher zwiespältige Bewertungen, im Portal Kununu heißt es unter der Überschrift „Finger weg“, das Unternehmen wolle einfach nur „Kohle machen, ohne eine Strategie oder irgendeinen Plan“.

Entdeckergesucht bei PopulisMan mag das für das typische Gemaule halten, unter dem Technologie-Konzerne von 1&1 bis Telekom zu leiden haben. Doch die „Teilnahmebedingungen“, die Populis als Basis formuliert für die Ausschreibung „Entdecker gesucht – Tourism New Zealand ermöglicht dir deinen Traumurlaub“ machen skeptisch. Hier einige Auszüge:

„Mit seiner Teilnahme verpflichtet sich jeder Blogger (…) mindestens einmal täglich mit Texten und etwaigen selbst hergestellten Fotos oder Videos auf seinem Blog und in seinen sonstigen Social Media Kanälen über seine Reise zu berichten.“

„Indem ein Teilnehmer seine Bewerbung an Tourism New Zealand versendet, räumt er Tourism New Zealand (…) das Recht ein, die Blogtexte, Fotos und Videos, die er während der Reise über die Reise erstellt, kostenlos weltweit und für die Dauer von zwölf Monaten seit Reiseantritt in Online- und Offlinemedien zu Zwecken der Promotion für Tourism New Zealand zu nutzen, zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen.“

„Eingeschlossen ist das Recht, Blogtexte, Fotos und Videos für die sachgerechte Präsentation zu bearbeiten und Dritten Nutzungsrechte einzuräumen.“

„Mit der Rechteeinräumung an seinen Blogtexten, Fotos und Videos (…) erklärt ein Teilnehmer, dass diese Beiträge frei von Rechten Dritter sind, dass die Beiträge also von ihm selbst stammen und etwaige auf den Fotos oder Videos erkennbare Personen oder die Rechtsinhaber von etwaigen auf den Fotos oder Videos erkennbaren urheberrechtlich geschützten Werken (z.B. der bildenden Kunst oder der Musik) ihre Einwilligung zur oben genannten Nutzung erteilt haben. Der Teilnehmer stellt Tourism New Zealand von allen Ansprüchen Dritter frei, die aufgrund der von ihm eingereichten Beiträge geltend gemacht werden.“

Wir halten also fest: Die Autoren treten ihr Werk ab, es darf umgeschrieben und manipuliert werden, es darf damit geworben und in anderen Ländern damit Geld verdient werden.

verwunschene Bucht  einsame Strassen

Was ist von diesen Klauseln zu halten? Der Deutsche Journalisten-Verband antwortet kurz und knapp: „Solche Bedingungen sollte kein Journalist akzeptieren.“ Aber Blogger arbeiten unter anderen Voraussetzungen als Redakteure. Was müssen sie beachten? Wir wenden uns an den Juristen Dennis Tölle, der sich mit seiner Website Recht-am-Bild auf das Urheberrecht spezialisiert hat.

Tölle entwarnt. Der Vertrag sehe nur eine Nutzung „zur Promotion“ vor. Es müsse davon ausgegangen werden, „dass ein Verkauf von der Nutzungserlaubnis nicht umfasst ist.“ Sollte es doch dazu kommen, könne der Blogger nachverhandeln. Auch was die Bearbeitung der Texte und Bilder betrifft, reagiert Tölle gelassen: „Lizenzverträge müssen so günstig wie möglich für den Urheber ausgelegt werden, man kann davon ausgehen, dass keine umfassende Veränderung der Werke zulässig ist.“ Macht sich der Blogger strafbar, wenn er seine eigenen Bilder und Texte mit anderen teilt, schließlich tritt er die Rechte daran „kostenlos weltweit und für die Dauer von zwölf Monaten“ ab? Nein, die Rechte werden nicht „exklusiv“ abgetreten.

Allerdings, so Tölle, solle bei Fotos nur „mit der Einwilligung der abgelichteten Personen gearbeitet werden“. Erst recht, da eine „Freistellung“ vorausgesetzt werde. Leicht kann es zu einem solchen Fall kommen: Der Blogger fotografiert eine Person ohne deren Kenntnis. Das Bild wird in einer Broschüre veröffentlicht. Der Fotografierte sieht sich und verlangt – aus welchen Gründen auch immer –, dass die entsprechenden Aufnahmen gelöscht werden. Da eine Freistellung vorliegt, landet der Streit nicht bei Tourism New Zealand sondern beim Blogger. Deshalb: Keine Inhalte weiter geben, bei denen die Rechte Dritter nicht geklärt sind.

Was ein Vertrag! Der Blogger erhält zwar Hin- und Rück-Flug, Hotel und Mietwagen für acht Tage, und ihm wird die Reise ausgearbeitet. Aber für alle anderen Kosten kommt er selbst auf, Essen, Benzin, Trinkgelder, selbst für die Online-Verbindungen um unterwegs zu posten. Auch Kranken- und Unfallversicherung muss jeder selbst zahlen. Bei genauerer Analyse entpuppt sich der Vertrag mit der Überschrift „Tourism New Zealand ermöglicht dir deinen Traumurlaub“ als eine Art Arbeitsvertrag. Mit der Besonderheit, dass man keine Spesen abrechnen kann, dass kein Honorar vorgesehen ist, und dass man an der Vermarktung der selbst erstellten Inhalte nicht mitverdient. Längst haben einige Blogger mehr Leser als manches Reisemagazin. Würde ein seriöser Verlag je so einen Vertrag unterschreiben?

Aber vielleicht sind auch all die oben beschriebenen Bedenken unbegründet, vielleicht wird der Vertrag gar nicht so eng ausgelegt, vielleicht will Populis aus den Beiträgen keinen „hochwertigen Content“ für ein „mehrsprachiges Publikum“ erstellen, und ist es nicht nachvollziehbar – wie zwei Leser kommentieren –, dass sich Tourism New Zealand absichert für die Nutzung der Bilder, etwa auf der eigenen Website, bei Facebook und Instagram? Es ist also überhaupt nicht gesagt, dass diese „Traumreise“ nach Hobbitland in Mordor endet.

Und doch sollten die Teilnehmer an diesem Gewinnspiel wissen, was in den Teilnahmebedingungen steht. Wir empfehlen, auch den weiteren Vertrag, der schließlich zwischen Tourism New Zealand und den Bloggern abgeschlossen werden soll, genau zu studieren und gegebenenfalls nachzufragen. Und dann: Viel Spaß in Neuseeland. Auch wenn an der Ausschreibung manches verbesserungswürdig scheint: Es ist ein tolles Land!

Bewerben konnte man sich bis Montagabend, 22. Juli, 17.30 Uhr.

(aktualisierte Fassung)