Ein großes Hotel: Mit markanten Winkeln prägt das „Waldorf Astoria“ den Berliner Westen
Ein Reisebericht von Susanne Baade und Dirk Lehmann
Eigentlich müsste man sofort ans bodentiefe Fenster laufen, die Stirn an das kühle Glas legen und einander zeigen, was man erkennt in der Berliner Skyline, die einem beim Blick aus dem Zimmer in der 15. Etage des „Waldorf Astoria“ zu Füßen liegt: Teufelsberg und Funkturm, Kranzler-Eck und Kant-Dreieck, Berliner Börse und Theater des Westens. Und, haha, sieh mal, direkt unter uns, in all dem Glitter des neuen Westens, kann man noch immer die Spuren des alten „Wir-Kinder-vom-Bahnhof-Zoo“-Berlins erkennen – und der Finger weist auf den Eingang zu einem Beate-Uhse-Shop.
Wahrzeichen und Porno
Aber statt sich sofort auf die Aussicht zu stürzen, gehen wir aufmerksam durch Zimmer 1511. Es ist ein wundervoll hoher Raum mit vielleicht etwas zu schrillem Design-Teppich und markanten Wänden. Vom Flur geht es ins Bad, hinter Türen aus satiniertem Glas befinden sich Dusche und WC, es gibt eine große Badewanne, und über dem Waschbecken hängt ein Spiegel (mit integriertem Flachbildfernseher!). Von zwei Seiten ist das Bad begehbar. Und jetzt stehen wir vor den beiden Queensize-Betten, auf jedem türmt sich ein Gebirge weißer Kopfkissen. Davor Tisch und Stühle, schwere Möbel mit glänzenden Oberflächen. Auf einer Kommode leuchtet die Nespresso-Maschine, ein Sideboard birgt das Entertainment-System mit Mac Mini, Tastatur und der coolsten Fernbedienung der Welt aus dunklem Glas und gebürstetem Aluminium. An der Wand hängt, so groß, dass man es wahrlich Heim-Kino nennen muss, ein Monitor. Und kann uns doch nicht bannen. Denn nun geht der Blick in den abendlichen Abgrund.
Himmelfahrt: Der Aufzug bringt uns in die 15. Etage, der Blick über die Stadt ist göttlich
Ich liebe Berlin. Mehr als 20 Jahre habe ich hier gewohnt. Doch wer bereits aus einem Zimmer des Mandarin Oriental in Manhattan hinab geschaut hat auf das Treiben am Columbus Circle, wer schon in Buenos Aires, Tokio oder London in einem hohen Hotel gewohnt hat, dem kommt Deutschlands einzige Metropole wenig weltstädtisch vor. Dabei war der Zoologische Garten einst das Zentrum West-Berlins, zugegeben, kein sehr ansehnliches. Ein seltsam berlin-typischer Architektur-Mischmasch prägte das Areal zwischen Tiergarten und Ku’damm. Dessen prominent-hässlicher Zentralbau, das nach einem Inkasso-Unternehmen benannte, inzwischen abgerissene Schimmelpfeng-Haus war.
Auf einem Teil des Geländes erhebt sich heute das kühne Waldorf Astoria. Mehrere Gebäuderiegel, aufstrebend und gradlinig. Große getönte Fenster in hellem Kalkstein, die oberen sechs Etagen des fast 119 Meter hohen Hauptturms sind beinahe rundum verglast. Als wolle man dem Begriff Zoofenster eine eigene Bedeutung geben. Den Gästen in den Suiten wird ganz großes Kino geboten.
Großes Kino in den Suiten
Das Waldorf gibt dem aufstrebenden Westen eine neue Ordnung. Dabei war der Start für das so genannte Zoofenster durchaus schwierig: Diverse Architekten und Investoren verschliss das Projekt. Die Öffentlichkeit stritt um die Frage, wie viel Hochhaus die Stadt brauche, und so mancher befürchtete eine Verzwergung ihrer Wahrzeichen, würden Kaiser-Wilhelm-Kirche und Europa-Center mit drehendem Mercedes-Stern nicht mickrig wirken dagegen? Selbst als alles schon seinen Gang ging, gab es Rückschläge. Die Eröffnung des Hotels musste verschoben werden. Dann deckte das Wallraff-Team den Putzfrauen-Skandal auf. Und heute maulen in den Bewertungsportalen manche Gäste, dass das Haus zu wenig Luxus biete – und zu viel Hilton.
Neue Perspektiven: Am Horizont Funkturm und Teufelsberg, zu unseren Füßen die Rooftopbar
Ach, all die selbsternannten Hotelexperten. Mit der Stoppuhr hocken Sie beim Frühstück und warten auf Spiegelei oder Omelett. Und wenn das auch nur wenige Momente später kommt, als sie für angemessen halten, veröffentlichen sie auf Tripadvisor eine derart garstige Bewertung als wären sie vergiftet worden. Dabei ist das Waldorf ein Haus fast ohne Vergleich unter den Berliner 5-Sterne-Hotels: gradlinig, hell, licht, offen und doch eine Spur mondän. Wer in der Hotelhalle verweilt, mit ihren großen braunen Stoff-Sofas zwischen weißen Lampen, mit roten und lila Hyazinthen in hohen schwarzen Vasen, zwischen verspiegelten Säulen und goldenen Uhren, sieht Gästen aus aller Welt beim Check-In oder -Out zu. Und genießt die freundlichen Eleganz eines Hauses, das das vielleicht zugänglichste unter den Luxushäusern ist.
Alles nur bestens? Auch das Waldorf leistet sich ein paar Schwächen. So wird uns nicht angeboten, uns ins Zimmer zu führen. Dabei schätze ich es sehr, wenn man mir zeigt, wie die Klimaanlage funktioniert oder der Fernseher im Spiegel. Auch gibt es kein Hotel-im-Hotel-Konzept, kein Club, in dem den Suiten-Gästen zur Happy Hour Drinks serviert werden und morgens ein Frühstück. Das Argument, man könne auch im Zimmer essen, überzeugt nicht. Viele mögen das Privileg eines Clubs.
Königliche Momente im Waldorf: Queensize-Betten und Gruß-Karte in Zimmer 1511. Film-Literatur im „Romanischen Café“. Und ein Wolken-Pool im Guerlain-Spa in der sechsten Etage
Im „Romanischen Café“ gönnen wir uns ein leichtes Abendessen. Die beiden Kellner bringen Waldorf-Salat und Hühnerfrikassee, Spaghetti Bolognese und Nachtisch. Alles frisch gemacht und schön angerichtet. Alles sehr lecker. Wir fühlen uns wohl, essen, lachen, unterhalten uns mit den Kellnern. Es irritiert allerdings ein wenig, dass wir die einzigen Gäste sind. Offenbar ist es nicht so leicht, einen großen Namen wieder zu beleben.
Freischwimmer und Künstler
Im Romanischen Café der 1920er Jahre trafen sich viele Künstler, sie rauchten und tranken und stritten und lachten in einem Raum, der nur ihnen vorbehalten war. In einem anderen Zimmer des Lokals, despektierlich „Freischwimmer“ genannt, rauchten und tranken und stritten und lachten die anderen. Beide Räume waren immer brechend voll. Dass wir hier so allein essen wie ein Vorkoster im Restaurant, liege, so eine Kellnerin, an der Baustelle. Und sie nickt mit dem Kopf zur anderen Straßenseite. Vor den Fenstern entsteht der 118 Meter Turm „Upper West“, es wird ebenfalls ein Hotel. Die Eröffnung ist geplant für 2016. Das Waldorf-Team wird sich etwas einfallen lassen müssen.
Essen mit großen und kleinen Namen: Waldorf-Salat. Benita und Judith beim „Super-Frühstück“
Später fahren wir hinauf in die Rooftop-Bar. Die nimmt das Dach ein über dem Spa des Hotels, dem bisher einzigen Guerlain-Spa in Deutschland. Der Einbau des wolkenförmigen Pools, den man per Kran von oben einschweben ließ, bevor das Dach geschlossen wurde, hätte sicherlich eine TV-Doku in einem Jungs-Sender wie DMAX gerechtfertigt. Wir freuen uns auf einen Morgen mit Whirlpool, Dampfbad und Sauna. Jetzt lassen wir uns in die weißen Sofas und Sessel fallen und bestellen Cocktails. Auf einer Leinwand wird der Film „Metropolis“ gezeigt, und meine Töchter Judith und Benita haben vor allem Fragen: Warum sprechen die nicht? Warum bewegen die sich so seltsam? Haben die früher wirklich geglaubt, die Zukunft ist vor allem – das Ende?
Metropolis und Hauptstadt
Am Himmel steht der Mond in einem blassen Halo. Inzwischen hat sich die Rooftop-Bar gut gefüllt. Und wir genießen einen wundervollen Spätsommer-Abend über der Stadt. Berlin hat 270 zertifizierte Hotels, etwas mehr als doppelt so viele wie Hamburg mit 126 Häusern. Allerdings gibt es in der Hansestadt mit elf Fünf-Sterne-Hotels sogar eins mehr als in der Hauptstadt. Aber in Berlin muss ein Luxus-Hotel anders sein, offen, weniger etepetete. Und trotzdem gut. Das Waldorf Astoria kommt diesem Anspruch schon verdammt nah.
Musik weht über das Dach, vermischt sich mit dem Tönen der Straße und der S-Bahn. Es ist der Sound Berlins.
Sympathie einer Großstadt: Licht in lila, weißer Mond und auf der Leinwand „Metropolis“
Was uns gefällt
Sie sagt: Ich fand das Frühstück super, frisch gepresste Säfte, viel Obst, Joghurt in kleinen Gläsern, sehr leckere und buttrige Croissants. Gefallen hat mir vor allem das Kunstprogramm des Hotels, die Werke, die in den Zimmern und öffentlichen Bereichen hängen, stammen fast ausschließlich von Nachwuchs-Künstlern. Und ich würde gern mal in einer der Suiten wohnen – mit Blick über den Südwesten der Stadt, auch wenn ich befürchte, dass man vor lauter Aus-dem-Fenster-schauen nicht zum Schlafen käme.
Er sagt: Mich beeindruckt, dass das Waldorf Astoria so ein offenes Haus ist. Es trägt einen traditionsreichen Namen, präsentiert sich aber modern und weltläufig. Ich mochte die Rooftop-Bar und die Library in der 15. Etage, in der Zeitschriften und Bücher liegen – und in der ein Fernglas steht. Und auch wenn diesmal Judith und Benita dabei waren, ist das Waldorf ein schönes Hotel für Paare.
Judith sagt: Ich fand das Waldorf Astoria einfach wow, überall Marmor, Gold, Blümchen und rote Teppiche. Unser Zimmer war auch enorm cool. Man konnte durch zwei Eingänge ins Bad gehen, es gab einen riesigen Monitor mit Internet Zugang. Gegessen haben wir bekannte Berliner Gerichte, die aber sehr schön zubereitet waren und super schmeckten. Überhaupt sind die Köche des Waldorfs toll, auch das Frühstück war total lecker. Allein dafür würde ich da noch mal übernachten wollen. Ich kann das Waldorf Astoria nur weiter empfehlen, denn trotz der fünf Sterne kamen das Hotel und dessen Angestellte entspannt und locker rüber. Einziger Minus-Punkt: dass das WLAN Geld kostet.
Im ersten Licht: Sonnenaufgang über der Stadt – im Hintergrund einige Konkurrenzbetriebe
Waldorf Astoria Berlin, Hardenbergstr. 28, 10623 Berlin, Tel. 030-8140000, www.waldorfastoriaberlin.com
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Hinweis: Die Recherchereisen für diesen Blog wurden zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien, Reedereien und/oder PR- bzw. Tourismus-Agenturen. Unsere journalistische Freiheit bleibt davon unangetastet. Wir danken dem Waldorf Astoria.