Österreich: Sankt Oswald im Winter – eines der schönsten Ski-Dörfer in Kärnten

Blick vom Nock In
Ein Paar auf Reisen: Blick von der Brunnachhöhe auf die schneebedeckten Nock-Berge

Ein Reisebericht von Susanne Baade (Fotos) und Dirk Lehmann (Text)

“Der Dirk, der ist ein Teufel”, ruft der Hubsi jetzt und setzt mir auf seinen Ski mit einer Behändigkeit nach, die ich von dem älteren, gemütlich wirkenden Herrn in der grell rot-gelben Jacke nicht erwartet hätte. Jetzt versetzt er mir mit einem seiner Skistöcke einen Klaps und ergänzt: “Denn der Dirk fährt nicht mit den Beinen, sondern mit dem Hintern.” Was ich mache, sehe vielleicht aus wie Skifahren. “Ist es aber nicht!”

Das Hotel Kirchleitn im Schnee

das Familien-Restaurant

Dorf im Dorf: Die Ferienanlage “Kirchleitn” mit Haupthaus und ansprechendem Restaurant

Wir sind in Kärnten, im ganz zauberhaften Ski-Dorf Sankt Oswald, und rutschen im Pflug immer wieder den Übungs-Hang hinab. Manchmal schaffen wir die Kurven, die uns unser Ski-Lehrer vorfährt, doch meist rutschen wir stumpf geradeaus weiter und fahren nur deshalb die ebenfalls auf diesem Hügel übenden Kleinkinder nicht über den Haufen, weil sie schon ausweichen können. Ehrlichgesagterweise, es ist ein wenig deprimierend. Wirkte es gestern noch so, als würden wir Fortschritte machen, muss man heute den Eindruck haben, das wird nix. Nur Benita, die ihren zweiten Tag auf zwei Brettern erlebt, braust schon mit einer gewissen Souveränität hier runter, cool die Skistöcke hochhaltend.

Unser Hotelzimmer

Der Hoteldirektor des Kirchleitn

Gästezimmer und Gastgeber: schlicht schöne Apartments, herzlicher Hotel-Chef Wolfgang

Mal wieder sind wir kein Paar auf Reisen, sondern eine Patchworkfamilie unterwegs. Judith und Benita, meine Töchter aus erster Ehe, 14 und 8 Jahre alt, begleiten uns – nach Bad Kleinkirchheim. Doch eigentlich geht die Reise ein Stück weiter, rund sechs Kilometer hinter und 300 Höhenmeter über dem Hauptort liegt Sankt Oswald. Es ist ein bemerkenswertes Dorf, war einst das Ziel für die Forschungsreisen des Volkskundlers Oswin Moro aus dem immerhin 50 Kilometer entfernten Villach. Er hat die Arbeits- und Lebensweise der Bergbauern dokumentiert, Brauchtum, Handwerk und die eigenwillige Architektur der hiesigen Hufe-Höfe mit ihren mächtigen Obergeschossen, die erste Etage kragt auffällig über das Erdgeschoss hinaus.

Das Dorfhotel   Die Berge hinter dem Hotel
Talschluss: Hinter Sankt Oswald geht es nur noch zu Fuß weiter oder mit der Seilbahn

Teilweise stammt die Architektur noch aus dieser Zeit. Sonst ist hier wenig wie es einst war. Zum Glück. Noch zu Beginn des vorigen Jahrhunderts starben einige Dorfbewohner in einem harten Winter, sie hatten nicht genug zu essen. Inzwischen lebt die 170-Seelen-Gemeinde gut vom Tourismus, der in den 1960er Jahren mit dem Bau der ersten Seilbahn kam. Und doch auch was das touristische Konzept betrifft, präsentiert sich Sankt Oswald eigenständig. Wer hier Urlaub macht, erlebt das Dorf wie ein Ferien-Resort. Man zahlt etwa die Halbpension für ein Hotel, kann aber in jedem Haus im Ort essen, ohne einen Aufpreis zahlen zu müssen, die Hoteliers rechnen untereinander ab. Der Bus verkehrt tagsüber kostenlos zwischen Dorf und Bad Kleinkirchheim. Während der Ski-Thermen-Wochen, erhält man bei Vorlage der Liftkarte einen um die Hälfte ermäßigten Eintritt ins Römerbad. Das Dorf als Resort.


Benita geht mit dem Lama "Gassi"

Größer als ein Hund und verdammt eigenwillig: Benita und Judith gehen Gassi mit Lama

Hinter dem Konzept für das Feriendorf als Resort steht die Gemeinschaft der Gastgeber, sie nennen sich die “Doaswalder” und inszenieren sich in einer hübsch-selbstironischen Fotoserie als Baumeister der touristischen-Zukunft. Einer von ihnen ist unser Gastgeber. Wolfgang leitet das Apartment-Hotel “Kirchleitn“. Zwei Dutzend uriger Holzhäuser mit kleinen und großen Wohnungen, ein Haupthaus mit zwei Restaurants und einer Sauna, eine Rezeption, in der man Schlitten leihen und Lebensmittel kaufen kann, etwa Kaffeekapseln für die Nespresso-Maschinen, mit denen alle Apartments ausgestattet sind. Der Wolfgang ist ein geborener Gastgeber, hilfsbereit, zugewandt, immer anwesend, freundlich. Kaum ein Gast, zu dem er nicht eine Beziehung aufbaut.

Susanne mit Lama Legolas

Rudi mit dem Leit-Lama

Herr der Lamas: Susanne mit Legoals, Rudi mit dem Boss, sein Tier trabt immer voraus

Uns erzählt er von den Beweggründen, die dazu geführt haben, das Dorf als Gesamtheit zu sehen. Irgendwann habe man erkannt, dass man sich gegen die großen Clubs nur wehren könne, wenn man dem Gast ähnliche Annehmlichkeiten bietet. Und die größte Herausforderung war, das Konkurrenzdenken zu überwinden. Das gelang, weil Sankt Oswald kein heterogener Riesen-Ski-Ort ist mit Top-Hotels und weniger guten Häusern, mit Platzhirschen und Neidern. Es ist ein Dorf, überwiegend mit 3- und 4-Sterne-Unterkünften. Selbst Skiverleih und Skischule ziehen am selben Strang.

Dirk und die Piste – noch sind es zwei Welten
Sehnsucht der Anfänger: Mal so schön den Berg hinunter zu brausen wie der Mann in Blau

Und der Rudi auch. Statt uns auf Stadtrundfahrt zu schicken, hat Wolfgang für uns beim Rudi ein Lama-Trekking organisiert. Ich finde es anfangs, nun ja, ein wenig seltsam. Warum soll man mit einem Lama durch den Kärntner Wald spazieren? Doch meine Töchter sind begeistert. Nach ein paar Metern finde ich es auch ganz putzig, “Charly” an meiner Seite zu haben, ein schwarz-braunes Zottelvieh, das eher eine gewisse Distanz zu mir hält, als dass es sich von mir streicheln lassen würde. Beseelt führen Benita und Judith ihre Tiere Gassi. Wir kommen am ältesten, noch stehenden Gebäude von Sankt Oswald vorbei und erreichen schließlich einen Punkt, von dem aus man einen schönen Blick hat über das tief verschneite Dorf.

der Hubsi von der Skischule   Dirk fährt elegant den Hügel hinunter

bei Benita läuft es wie von selbst   die Großen gehen auf die richtige Piste
Hubsi (Danke für die Geduld), Dirk und Benita. Und die Pisten, von denen wir träumen

Wie, um Himmelswillen, kommt man auf die Idee Lama-Touren anzubieten? Rudi erzählt von seinem Beruf als Heizungsfachmann, vom Tod seiner Frau, von eigener Krankheit, wie er sich für die Tiere begeistert habe und plötzlich für den Wunsch, ein neues Leben zu starten. Inzwischen bietet er mit Partnerin Ulrike, “Uli”, einen ganzen Strauß an Touren an, man kann stunden- und tageweise mit den Lamas trekken. Rudi erklärt, warum man es überhaupt tun solle: Das Tier geht sein Tempo, Lama-Trekking ist auch Entschleunigung. Es trägt dein Gepäck, Lama-Trekking ist also auch eine Erleichterung. Und manchmal bocken Charly, Legolas und Co einfach, eine Lama-Tour hat also auch mit Demut zu tun.

wir fahren mit der Seilbahn auf den Nock-Berg
Abfahrer: Blick aus der Kabine der Brunnach-Bahn auf Sankt Oswald und das Tal

Mehr Demut als in diesem Moment geht eigentlich nicht. Wieder ist der Hubsi zu mir geeilt und erklärt mir, dass ich nicht locker genug bin. “Du fährst zu verkrampft. Du willst zu viel…” Und er zeigt auf meine Spur. Man sehe richtig, wie mein Ski eine Scharte in den Schnee schneide. Ich müsse mir Zeit lassen. Hubsi schlägt vor, für heute Schluss zu machen. Susanne und ich stimmen zu, Benita ist beleidigt, sie wäre gern noch weiter gefahren, und Judith hat sich ohnehin schon zurück gezogen. Als Teenager treiben einen offenbar vor allem zwei Interessen: Chillen und Facebook. Am liebsten beides, in der linken Hand ein Smartphone, in der rechten der iPod.

Das Nock In   lecker Kasspatz´n
Auffahrt statt Aufstieg: Mit der Brunnachbahn fahren wir zu den Kasspatz’n auf 1900 Meter Höhe

Doch unsere Abenteuerlust lässt nicht nach. Wir fahren mit der Seilbahn auf die Brunnachhöhe, essen im Ausflugslokal Nock-In verdammt gute Kasspatz’n (unsere dritte Portion in zwei Tagen) und machen uns dann auf eine Schneeschuhwanderung mit Gerhard. Er ist Jäger und kümmert sich um die Versorgung der Tiere, legt Futter aus, beobachtet das Damwild. Wir sind ungefähr eine Stunde gewandert, und von Sankt Oswald ist nun gar nichts mehr zu sehen und zu hören, zum Glück auch die furchtbaren Schlager nicht mehr, die nachmittags aus den Lautsprechern bei der Skischule scheppern. Der extrem viele Schnee – man kann bis zur Hüfte einsinken – packt die Landschaft wie in dicke Decken, eine große Ruhe liegt über dem Wald und ein besonderer Zauber.

und plötzlich kam der Nebel – Zeit für eine Schneeballschlacht   Judith wehrt sich ordentlich
Schneeballschlacht im Nebel: Aber die Trefferquote ist so bescheiden, das Spiel endet 0:0

Gerhard, inzwischen weit über 70 und immer noch erstaunlich fit, ist ein Jäger, wie er im Buche steht: Seine Kleidung ist braun und grün, in seinem Rucksack stecken ein Fernglas, ein Taschenmesser und ein paar Äpfel, die er schält und in kleinen Spalten an uns verteilt. Wir haben rund ein Dutzend Hirsche beobachtet, die uns dann doch wohl gewittert haben und weitergezogen sind. Jetzt stehen wir an der Futterstelle, wo Gerhard die Streu ausbringt und zuerst aber ein Gruppenfoto von uns macht.

Gruppenfoto mit Hund und Schneeschuhen
Gruppenbild mit Leihhund

Die letzten Meter zur Hütte mussten wir Schneeschuhe anlegen, es wäre sonst viel zu anstrengend geworden, durch die Schnee zu stapfen. Doch besonders freuen wir uns auf den Rückweg. Gerhard hat ein paar Schlitten hier oben stehen, wir werden die tief verschneite, teils vereiste Straße einfach runter rasen.

der Gerhard führt uns zur Futterstelle   Heu für das Rotwild
Wer viel draußen ist, bleibt jung: Gerhard, der Jäger, ist inzwischen über 70. Seine Passion hält fit

Mit roten Wangen und kalten Füßen erreichen wir Sankt Oswald. Und müssen uns aufwärmen. Alle 30 Minuten fährt der Bus nach Bad Kleinkirchheim. Und wir lassen uns ins Römerbad kutschieren. Es wird ein perfekter Ausklang zu einer anregenden Zeit. Wir treiben durch das warme Wasser, liegen im geheizten Außenbecken und sehen den letzten Skifahrern zu, die in der einbrechenden Dunkelheit die beleuchtete Piste herunter geschossen kommen. Das Bad ist ein wunderbarer Ort der Ruhe, der sich in ein seiner Wirkung auf selbst durch ein paar junge Männer nicht beeinflussen lässt, die einige Male aus dem Becken klettern, sich im Schnee wälzen und dann schreiend ins warme Wasser springen. Spannend eigentlich, was die Berge mit einem machen. Dass sie in einem das Bedürfnis auslösen, sich zu spüren, lebendig zu sein.

Benita und Judith sind schnell mit ihren Schneeschuhen
Ein Foto wie ein Kalenderblatt: Benita und Judith im tief verschneiten Wald der Nockberge

Richtiger Winter fühlt sich großartig an. Und er verändert den Tagesablauf völlig. Meist schlafen wir schon kurz nach 22 Uhr tief und fest und ermattet ein. Selbst Judith, die eigentlich gern bis Mitternacht chillt und chattet, um dann am nächsten Morgen bis 11 zu schlafen, hat schon am zweiten Tag ihren Rhythmus geändert. Es fühlt sich nicht schlecht an. Es ist ein geliehenes Zeitmaß. Wenn wir uns auf die Rückreise begeben, werden wir es einfach hier lassen. Doch bis dahin werden wir jeden Moment auskosten.

Aprés-Ski im Tal   Entspannung finden wir im Römerbad
Variationen eines Themas: Aprés Ski – klassisch, in der Bar, und modern, in der Therme

Während unserer Zeit in Sankt Oswald haben wir uns ein wenig durchs Dorf gefuttert. Mir hat besonders der Wild-Abend im “Berghof” gefallen. Ich esse selten Fleisch, zu Hause eigentlich gar nicht. Auch hier haben wir uns überwiegend von Kasspatz’n ernährt, doch dieses mürb-würzige Wild… Den letzten Abend verbringen wir wieder im Restaurant unseres Gastgebers. Wolfgang setzt sich für einen Moment zu uns, wie immer mit Lachfalten im Gesicht.

Ob es uns gefallen habe in Sankt Oswald, will er wissen. Wir nicken. Was denn das beste war, will er wissen. Und wir zählen auf, dass uns die Lamatour gefallen habe, aber auch die Schlittenfahrt, die Therme war schön und der Skikurs war anstrengend aber gut, das Hotel gefiel uns und das Essen im Steinhaus – mein zweites Fleischgericht in vier Tagen –, besonders das im Heu gegarte Fleisch, die Wanderung mit Gerhard, der Blick vom Berggipfel, und irgendwer sagt plötzlich, dass wir ja einfach alles aufzählen würden. Was das denn für eine Bewertung sei…?

Wolfgang lacht. “Ihr müsst’s wieder kommen, um euch eine richtige Meinung zu bilden.”

ein letzter Lichtstrahl erhellt den Baum., bevor die Wolkendecke sich wieder schließt
Plötzlich Licht: Nach einem Nebeltag fällt ein fetter Sonnenstrahl auf ein weißes Bäumchen

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