Ein Paar auf Reisen: Für pittoresk hielten wir anfangs die einfachen Stein-Hütten in Nepal, bis wir von ihrem dunklen Geheimnis erfuhren – die Kochstellen machen krank
Ein Report von Susanne Baade (Fotos) und Dirk Lehmann (Text)
Im aktuellen Gesundheitsreport der WHO heißt es, dass weltweit rund sieben Millionen Menschen an den Folgen von Smog und Luftverschmutzung sterben würden. In vielen Medien wurde die Meldung aufgegriffen und als Symbolbild zeigte man eine unter grau-schwarzen Rauchwolken liegende Großstadt. Ja, das ist wohl das Bild, das jeder im Kopf hat, wenn es um verpestete Luft. Doch es ist verblüffenderweise nur ein Teil der Wirklichkeit.
Wer den WHO-Bericht liest, erfährt darin, dass zwar ein Teil unserer Klischees zutreffen, es sind tatsächlich die Bewohner armer, vor allem asiatischer Regionen, die vom Smog-Tod betroffen sind. Doch gibt es die meisten Opfer gar nicht in den Straßen, über denen graue Wolken liegen, sondern in den Wohnungen. 2012 sterben 4,3 Millionen Menschen an den Folgen von Luftverschmutzung – in Räumen.
Wirklichkeit und Ideal: Die meisten Häuser in Nepal verfügen nur über offene Feuerstellen, der Qualm dringt durch Fenster und Fugen. In der ”Everest Summit Lodge” in Monjo steht ein Kaminofen
Warum wir in unserem kleinen Online-Reisemagazin, das doch eigentlich eher den schönen Seiten des Lebens zugewandt ist, überhaupt dieses Thema aufgreifen? Weil wir damit in Berührung gekommen sind. Undzwar in jeglicher Bedeutung des Wortes.
Während unserer Trekking-Tour im Himalaya sind die einfachen Steinhütten allgegenwärtig, sie säumen die Wege, meist grob aufeinander geschichtete Felsstück, oft genug nicht einmal verputzt. Türrahmen aus grobem Holz, bunt angemalt, die Dächer flach, meist in leuchtenden Farben gestrichen. Viele Häuser haben keine oder nur winzige Fenster. Einerseits sind die Einwohner dieser Hochgebirgsregion keine besonders geschickten Baumeister, andererseits müssen alle Baumaterialien von weit her angeschleppt werden. Die Häuser der einfachen Menschen sind düster.
Als wir an einem Haus vorbei kommen, aus dessen Mauerritzen und Tür Rauch nach außen dringt, sind wir kurz davor, hinein zu rennen, um ein Feuer zu löschen. Doch Som, sprich: Schumm, unser Guide, hält uns ab. Nein, nein, sagt er, das sei normal. “Nepali-Häuser kein Kamin.” Okay, gehen wir weiter.
Glauben und Hoffen: Einer der größten buddhistischen Tempel – der Stupa Bodnath in Kathmandu
Man hält so etwas für ein folkloristisches Detail, man findet es vielleicht sogar pittoresk, denkt sich nichts dabei. Bis man eines abends in einem Restaurant in Kathmandu angekommen ist, vor uns drehen die Gläubigen ihre Runden um den Tempel der Stupa Bodnath. Sie laufen durch totale Dunkelheit, denn diesmal ist dieser Stadtteil betroffen von den täglichen Stromabschaltungen. Uns am Tisch gegenüber sitzen Katharina und Frank. Und sie werden uns die Augen öffnen. Es wird ein bewegender Abend.
Katharina Dworschak ist Ärztin, ein Mensch, der Gutes tun wollte. Deshalb ging sie nach Nepal und arbeitete in einem Krankenhaus in Kathmandu. Allein das war schon hart, Nepal ist ein armes Land, Gesundheit kostet Geld, vielen hier geht es schlecht. Und es war für Katharina eine erschütternde Erfahrung, dass täglich viele Kinder und Frauen mit furchtbaren Brandverletzungen eingeliefert wurden. Jetzt, da sie von den Verletzungen berichtet, die sie bei den Frauen und Kindern gesehen hat, Verletzungen, die oft wochenlang nicht behandelt wurden, stockt der Ärztin wieder die Stimme. Es nimmt sie mit. Und man versteht, dass sie gegen diesen Missstand etwas unternehmen wollte. Frank Dengler, ihr Mann, arbeitete damals als Ingenieur bei BMW, er ahnte, es muss eine technische Lösung geben.
So entstand das Projekt: “Die Ofenmacher”. Eine einfache Idee, ein Lehmofen, der für verblüffend geringe Kosten in den Häusern installiert werden kann, ein Ofen kostet kaum 10 Euro. Mehr als 5000 hat die von Katharina und Frank initiierte Initiative inzwischen in Nepal errichtet. Unzählige Ofenbauer sind in verschiedenen Regionen des Landes unterwegs. Es ist ein erster Schritt. Ein wichtiger.
Vom Glück der frischen Luft: Kinder an der Türschwelle – Lebensgefahr droht ihnen eher im Haus
Und auch der zweite Schritt erfolgt, die Aufklärung über die nötigen Wartungsarbeiten. Denn ein Lehmofen verrußt mit der Zeit, kann sogar verstopfen. Dann hören die Menschen einfach auf, ihn zu nutzen, und sie kochen wieder mit der offenen Feuerstelle. Es ist gelernt. Es sitzt tief. Jeder ist irgendwie bequem. Und dagegen hilft nur eins Ausbildung, Schulung. Notfalls auch mit drastischen Bildern, die wir unseren Leserinnen und Lesern ersparen wollen.
Wir finden: Die Ofenmacher sind ein tolles Projekt. Und wir mussten heute an sie denken, am Tag an dem die WHO die aktuellen Zahlen zu den weltweiten Smog-Opfern publiziert haben. Von den rund sieben Millionen Menschen, die an den Folgen der Luftverschmutzung sterben, sind 4,3 Millionen in geschlossenen Räumen betroffen. Ein kleiner Teil von ihnen hätte durch einen banalen Lehmofen gerettet werden können.