Ein Paar auf Reisen: Verheißung bei der Anreise – Sardinien leuchtet im Abendlicht
Ein Reisebericht von Susanne Baade (Fotos) und Dirk Lehmann (Text)
Verheißungsvoll las sich die Beschreibung des „Geo Village“ auf Sardinien. Im Internet präsentiert sich das bei Olbia gelegene Hotel als Ferien-Club, umgeben von einem großen Garten, ausgestattet mit Tennisplätzen und Badminton-Halle, mit Innen- und Außenpool. Zudem gesegnet mit halbwegs erträglichen Zimmerpreisen: 900 Euro für vier Personen in einem großen Doppelzimmer, inklusive Frühstück, ein guter Preis für eine Woche Osterferien. Und als dann mein Freund Holger sagte, dass er da einen 1a-Sport-Urlaub verbracht habe – Holger und ich radeln und schwimmen zusammen –, dachte ich: Okay, lass es uns machen.
Wie blöd man selbst als so genannter „Reise-Profi“ sein kann, der seit rund zwei Jahrzehnten professionell über Hotels und Destinationen schreibt, hat mir dieser Oster-Urlaub nachhaltig vor Augen geführt.
Bei der Anreise war alles noch gut. Wir wurden vereinbarungsgemäß abgeholt, man gab uns ein großes Eck-Zimmer mit zwei Räumen, getrenntem Bad und WC. Der Blick war lala, aber okay, die Lage eher mäßig, über dem Hintereingang der Küche, an dem sich hin und wieder die Mitarbeiter des Hauses auf eine Zigarette trafen. Doch, so fragten wir uns: Wollen wir etwa die ganze Zeit im Hotelzimmer verbringen?
Baden in Blautönen: Allerdings kann das Mittelmeer im April noch seeehr kalt sein
Ich habe mir nach diesem Urlaub vorgenommen, eine Liste anzulegen zum Thema: Ausreden, die man sich selbst nicht abnehmen darf. An erster Stelle steht der Satz, „Ach, so schlimm ist es doch nicht. Wer will denn die ganze Zeit drinnen bleiben?“ Wer diesen Satz sagt, sollte ganz schnell mindestens das Zimmer wechseln. Vielleicht sogar das Hotel.
Und diese These wurde am nächsten Morgen belegt. Das Frühstück im Restaurant war lieblos, das Obst nur in große, alles andere als mundgerechte Brocken geschnitzt, suppiges Rührei, Säfte aus Sirup. Nur eine der drei SB-Kaffeemaschinen war betriebsbereit. Und wenn frische Croissants serviert wurden, stürzten sich die ausgehungerten Gäste auf die paar Brötchen wie eine Löwenmeute auf ein dünnes Giraffenbein. Die desinteressierten Kellner standen daneben, unterhielten sich nur miteinander, verschwanden schweigend, wenn man ihnen eine Frage stellte oder Kritik äußerte. Und sie hatten leichtes Spiel, denn die meisten Gäste waren junge Sportler, das Hotel diente ihnen als Trainingsbasis. Von den Herbergen, in denen sie wohl bisher überwiegend gewohnt hatten, waren sie offenbar noch schlechteren Service gewohnt.
Schöner Außenpool und norddeutsche Nixen, Schlange am Kaffee-Automaten und Leere am Buffett
Leider erwies sich auch das Sport-Angebot des Hotels als eingeschränkt. Das Außenschwimmbecken – mit acht 50 Meter-Bahnen – war den oben erwähnten Sportvereinen vorbehalten. Der wolkenförmige Außenpool im Park war zwar allen Gästen zugänglich, aber unbeheizt und Anfang April gefühlt so kalt wie das Südpolarmeer. Und so blieb uns nur das Hallenbad, in dem wir nach Herzenslust herumtollten und die neue Unterwasserkamera ausprobierten.
Wir haben das beste draus gemacht. Wir haben uns einen Mietwagen genommen und mit einem metallic-grünen, verbeulten Fiat Punto die Insel erkundet. Wir haben an den schönsten Strändennördlich und südlich der Stadt gelegen und uns ins eisig-schöne Mittelmeer geworfen. Wir haben in kleinen Dörfern riesige Pizzen bestellt und in Strandpinten unter Heizpilzen coole Drinks geschlürft. Wir haben uns sehr wohl gefühlt auf Sardinien, wir wurden hier mit viel Herzlichkeit versöhnt. Und irgendwann erkannten wir, die Insel hat mehr verdient als nur Kulisse für Hotel-Ärger zu sein. Und damit das nicht noch einmal vorkommt, mieten wir beim nächsten mal ein Apartment!
“Da, der rechte Außenspiegel, auch kaputt.” Es dauert eine Weile, all die Schäden am grünen Fiat aufzunehmen. Dann aber brausen wir über die Insel und toben an ihren schönen Stränden
Viele mögen einwenden, dass es doch viel zu viel Arbeit sei, in einer Ferienwohnung zu übernachten. Alles müsse man selbst machen: Frühstück, Abendessen, Einkaufen, Betten aufschlagen… Aber das ist ein ordentliches Frühstück wert. Und auch das Gefühl, dass man so lange am Tisch sitzen kann, wie man mag, ohne von sardistischen (sorry für den Kalauer hier) Kellnern aufgescheucht zu werden. Zudem ist die Übernachtung selbst in einer sehr gut ausgestatteten Ferienwohnung rund 50 Euro günstiger als im Hotel, da kann man sich ein gutes Restaurant leisten. Wir haben bei www.housetrip.de einige sehr schöne Wohnungen gefunden, etwa dieses in der Nähe von Nebida, mit Pool, von dem man einen schönen Blick aufs Meer hat (hier ein Foto).
Zuletzt gemietet hatten wie eine Wohnung allerdings in Lissabon. Wir lieben die Stadt. Susannes Mutter ist Portugiesin, Susanne selbst hat einige Zeit in der Stadt gelebt, hat hier Freunde und Quasi-Verwandte. Meist wohnen wir bei denen, doch im vergangenen Herbst reisten wir mit Judith und Benita in die Stadt und brauchten mehr Platz. Wir fanden eine traumhaft schöne Wohnung in der Altstadt rund um das Castelo, eine Gegend, die uns viel besser gefällt als das Touri-Remmidemmi im Barrio Alto. Morgens saßen wir auf der Terrasse, Papageien schwirrten durch die Luft, wir schnitzten unser Obst und setzten uns Kaffee auf, wann immer wir wollten. Es war einer der schönsten Herbsturlaube überhaupt. Und so zu wohnen, selbstbestimmt, selbstversorgt, selbstgenügsam, ist auch der Plan für unsere nächste Sardinien-Reise. Wir haben dich nicht vergessen, du wundervolle Insel, und sollst eine zweite Chance haben.
Mädchen mit Hut in einem hübschen Dorf. Das Hotel hingegen sieht uns nicht wieder
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