Double Room with a View: Kreuzfahrtschiff mit Gleisanschluss – Motel One am Hauptbahnhof Berlin

Blick aus dem Motel One am Berliner Hauptbahnhof
Das ist der View: Blick aus dem Motel One auf den Hauptbahnhof, an dem neue Hotels entstehen

Ein Hotelportrait von Benita Sieg (Fotos) und Dirk Lehmann (Text)

„Wir könnten den Tisch fünf Zentimeter schmaler machen“, sagt der eine, einen Taschenrechner in der Hand, „der Durchgang zwischen Bett und Wand wäre noch breit genug.“ Sein Kollege ist ganz begeistert, weil er dann die Wand ein wenig versetzen kann, um drei Zentimeter. Er gibt sofort die veränderten Maße in den Computer ein, und alle Zimmer im Flur verschieben sich ein Stück. Genug, dass die Nische, die sich bisher an dessen Ende zeigte, groß genug wird, um ein weiteres Zimmer daraus zu machen. Bingo! Die beiden klatschen sich ab…

Das Hotel von außen
Vom Siegeszug eines Konzepts: Zimmer ab 69 Euro, zentrale Lage, großes Haus, kleine Zimmer

So stelle ich mir das Gestalter-Team von Motel One vor. Ein Gruppe von Tüftlern in einem Großraumbüro, Hotel-MacGyvers, die ständig das Grundmaß unserer Lebensweise hinterfragen. Ein Badezimmer muss mehr als fünf Quadratmeter messen? Wer sagt das? Hotelgäste brauchen Schränke? Seit wann? Wer wenig Platz hat, ist auch mit billigen Möbeln zufrieden? Das Gegenteil stimmt! Günstig gleich miese Qualität? Blödsinn!

Das Motel One-Konzept ist eigentlich genial: gute Lage, gute Einrichtung, extreme Raumausnutzung. Wie ein Kreuzfahrtschiff, das im Zentrum der Stadt liegt. Allerdings ohne Bespaßung, ohne Vollpension. Der Gast bekommt nur das Zimmer, alles andere kostet extra. In Berlin, der Stadt mit der höchsten Hoteldichte Deutschlands und den niedrigsten Übernachtungspreisen, so könnte man argumentieren, braucht man das eigentlich nicht. Und doch ist Motel One auch in der Hauptstadt erfolgreich. In kurzer Zeit poppten hier acht Hotels mit dem türkisen Logo aus dem märkischen Sand. Und sind immer gut gebucht. Weil die Gäste wissen, was sie erwartet? Weil sie die klaren Räume schätzen? Weil man eigentlich nicht mehr braucht in einer aufregenden großen Stadt als ein stilvolles kleines Zimmer?

die lichtdurchflutete Lobby
Lebensart, neu erzählt: Lichtdurchflutet ist die Halle, das Frühstück trägt man sich selbst zum Sofa

Ich bin nach Berlin gefahren, um hier ein Wochenende mit meinen Töchtern zu verbringen, wobei die Große nur kurz vorbei kommt, ich werde vor allem mit Benita durch die Stadt fahren. Wie so oft habe ich mein Rad dabei. Man hängt es in Hamburg in den EC, fährt zwei Stunden, und ist dann in Berlin mobil. Und muss damit klar kommen, dass auch in Bezug auf das Verkehrskonzept Berlin die coolere Stadt ist, es gibt viele vorbildliche Fahrradwege und zumindest gefühlt weniger unfähige SUV-Fahrer in ihren aufgebockten Shopping-Unimogs. Doch, halt, ich schweife ab.

das Hotelzimmer  Design-Lampe auf dem Zimmer

schöner Blick – große Terrasse  Blick auf den Berliner Hauptbahnhof
Smartes Design, gute Nachbarschaft, neuer Fan: schöne Zimmer nahe dem Kanzleramt

Unser Hotel liegt direkt am Hauptbahnhof, elf Etagen hoch, mit einem Eckturm. Die weiße Fassade wird von schmalen, jeweils über zwei Geschosse reichende Fensterkästen dominiert, die dem Haus eine aufstrebende Eleganz verleihen. Wir gehen auf die Glasfront zu, eine breite Tür öffnet sich, und wir stehen im weitläufigen Eingangsbereich. Die Sonne spielt durch die Fenster, malt goldene Streifen auf den dunklen Holzboden und lässt die türkis-farbenen, Arne Jacobsens berühmten „Ei“ nachempfundenen Sessel leuchten. Zwischen ihnen flackert ein Flachbild-TV-Kamin. „Cool“, ruft Benita, lässt sich gleich in einen der Sessel plumpsen und beginnt, zu drehen.

das Kanzleramt in Berlin

Wer genau hinsieht, erkennt das Motel1-Konzept sofort: weitläufige öffentliche Bereiche, eher pragmatisch gestaltet, mit Inseln des Designs, die das Gesamtensemble aufwerten sollen. Die Atmosphäre ist freundlich, eine große Entspanntheit geht von allem und allen aus, selbst wenn es mal voll ist. Und nicht einmal als die Frau hinter der Rezeption sagt, dass man für die Übernachtung und Extras im Voraus zahlen müsse, begehre ich auf. Es erscheint mir völlig normal. Wir lächeln einander an, ich schiebe ihr meine Kreditkarte zu.

Unser Zimmer liegt in der 11. Etage. Wir dürfen wählen zwischen einem Zimmer mit schmalem Bett (1,40 Meter) und Terrasse oder einem mit breitem Bett (1,60 Meter) ohne Terrasse. Und wir entscheiden uns für die Terrasse, obwohl man die zu dieser Jahreszeit kaum wirklich nutzen kann (dass es sich zudem neben einer wühlenden Neunjährigen in einem engen Bett nicht sooo doll schläft, hätte ich wissen müssen). Minutenlang stehen wir auf dem Balkon, sehen dem Treiben am Hauptbahnhof zu, blicken über die Stadt, Kanzleramt, Siegessäule, Potsdamer, Charité, das weite Grün des Tiergartens. Ein Budget-Hotel mit Luxus-Blick.

das Bad ist leider winzig  wildes Teppich-Muster
Winziges Bad und ein Teppichmuster, das einen ganz schön wuschig machen kann

Wir haben das Zimmer nie ausgemessen, es ist nicht größer als 16 Quadratmeter. Und kam uns doch nie zu klein vor. Verblüffend, was die Motel One-MacGyvers trotzdem alles darin untergebracht haben: Bett, Regal, Tisch, Stuhl, Föhn, ein Fernseher von Löwe, eine Artemide-Lampe. Und viel Charme. Die Gestalter sind Meister der Raumeffizienz. Sobald man sich eingerichtet hat im kleinen Zimmer, fühlt man sich ganz großartig. Dennoch werde ich nicht verraten, an welcher Stelle sich noch drei Zentimeter einsparen ließen.

blaue Sessel in der Lobby  Benitas Lieblinge – die Pfefferminz-Bonbons

Dirk im 16qm Zimmer  blaues Sofa in der Lobby
Das Motel 1 aus Sicht von Benita: Sie mochte besonders die blauen Bonbons

Was uns gefällt:

Sie sagt: Ich mochte besonders die grün-blauen Bonbons, die schmeckten so toll nach Pfefferminz, und ich bin immer wieder heimlich zur Rezeption und habe mir welche eingesteckt. Insgesamt bestimmt 10 oder 15. Ob die mir böse sind deswegen? Der Blick von der Terrasse war toll.

Er sagt: Kleines Zimmer, verhältnismäßig kleiner Preis, gute Lage mitten in der Stadt, oben nervt der Verkehrslärm so gut wie gar nicht. Ich habe mich wohl gefühlt. Besonders überrascht war ich vom Frühstück. Es war nicht sehr vielfältig, doch was es gab, war gut. Und: Die Croissants zählen zu den Top-10 in meinem Hotel-Croissants-Ranking.

Abendhimmel über Berlin

Motel One, Invalidenstr. 54, 10557 Berlin, www.motel-one.com/Berlin

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Hinweis: Die Recherchereisen für diesen Blog werden zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien, Reedereien und/oder PR- bzw. Tourismus-Agenturen. Unsere journalistische Freiheit bleibt davon unangetastet. Wir danken Motel One und LMG Management.