Ein Paar auf Reisen? Girls posen in der Abendstimmung am Meer, das morgens ganz aufgewühlt ist
Eine kleine Reisereportage von Dirk Lehmann
Vorurteile. Nichts als Vorurteile. Zum einen hielt ich die Küche für uninteressant, sie schien mir zu griechisch. Und, hej, es hat nix mit Finanzkrise und billigen Merkel-Hitler-Vergleichen zu tun, dass ich der griechischen Küche gegenüber skeptisch bin, es ist eher die Spätwirkung von Gyros, Souflaki und Grillteller. Zum anderen hielt ich die Landschaft für karg und trist. Und zum dritten, vielleicht war das der gewichtigste Grund, komme ich aus einer geteilten Stadt, habe viele Jahre in West-Berlin gelebt, empfand immer so eine Art Phantomschmerz ob des abgeschnittenen Ostens, dass ich mich einfach schwer tat mit dem Gedanken, nach Zypern zu reisen – in eines der letzten geteilten Länder dieser Erde.
Das Schöne an Vorurteilen aber ist: Dass sie einem einen Grund geben zu reisen. Man muss da hin, um zu überprüfen, ob es wirklich ist, wie man es sich einredet. Wer meint, auf diese Weise könne man sich jede Reise rechtfertigen, hat nicht unrecht. Und trifft doch nicht ganz den Kern der Sache. Dafür gibt es zu viele, die ihre Vorurteile nur pflegen, bis sie einem fett und schwer auf den Schultern hocken. Als sich mir die Gelegenheit bot, nach Zypern zu reisen, habe ich meinem inneren Schweinehund die Fresse poliert und schnell zugesagt. Bin dabei!
Vom Glück des einfachen Lebens: ein Gitarrist, ein Tisch mit Gästen, Fritten, Fisch – in der Ouzeri
Ich bereue die Entscheidung schon, als ich in Larnaca aus dem Flugzeug steige. In Hamburg waren es 11 Grad als ich mich mit hoch geschlagenem Jackenkragen auf den Weg machte. Hier sind es 25 Grad. In Hamburg war es kühl und feucht. Hier duftet die Luft nach Kräutern und einer Blumensüße, die ich nicht sofort zuordnen kann (später stellt sich heraus, dass der Frangipani so wundervoll riecht). Es sind solche Ankunftsmomente, in denen man am liebsten die Schuhe ausziehen würde und eine dieser furchtbaren Reißverschlusshosen anhätte, um daraus sofort eine Shorts zu machen. Und es sind solche Momente, in denen man sich fragt, ob man nicht doch am falschen Ende der Welt lebt.
Ort für die Welt-Anschauung: ein Zimmer wie ein Studio, ein Pool für den Frühsport
Ein schwarzer Van wartet, in dem bereits die anderen Gäste sitzen. Rund eine Stunde dauert der Transfer nach Paphos ins Hotel Almyra, ganz im Westen Zyperns. Da wird ein weiteres Vorurteil dran glauben müssen. Inseln, so meine Erfahrung, haben oft einen seltsam isolierten Hotelmarkt, alle Gastgeber sind irgendwie miteinander verwandt, die Zimmerpreise verblüffend ähnlich. Auf Inseln kommt man auch mit Mittelmaß weiter, der Gast hat keine Alternative, irgendwie bleibt das Geld immer in der Familie. Das ist nicht nur auf deutschen Nordseeinseln so.
Menschen, Tiere, Sensationen: pretty in pink, Spieler im Schatten, Wartende an der Grenze und Joanna Louca, die erfolgreich mit Woll-Shawls handelt
Einiges davon trifft auch für das Almyra zu. Das Haus gehört einem Familien-Clan, der auch das andere Top-Hotel des Ortes betreibt. Wer also eine besonders gute Bleibe sucht, hat nicht viel Wahl. Und hat doch alles richtig gemacht. Wir erreichen ein strahlend weißes Gebäude-Ensemble in einer großen Park-Anlage mit Palmen und Rhododendron-Büschen, direkt am Meer. Mein Zimmer ist ein großer Raum mit bodentiefen Fenstern. Ich schiebe sie zur Seite, höre die Wellen, rieche die salzfeuchte Frische und setze mich für einen Moment auf die Terrasse. Blicke in die Dunkelheit. Atmen. Ankommen.
Unter Sonnensegeln: Ledra-Street – die Shoppingmeile von Nikosia
Es gibt noch ein Abendessen für die späten Gäste aus Deutschland. Jetzt sitzen wir am blanken Holztisch der Ouzeri, ganz vorn am Wasser, und Rob Shipman, der Koch des Almyra, rockt mit dem ersten einfachen Landgerichten all meine Vorurteile über das Essen auf Zypern. Klar gibt es Fritten. Und Salat mit Schafskäse und Oliven. Und gegrillten Fisch mit Knoblauch, Kräutern und Zitrone. Doch alles ist so frisch und aromatisch klar im Geschmack, dass ich beschämt eigentlich schon am nächsten Tag wieder nach Hause fahren müsste. Geläutert. Ein Entschuldigungsschreiben an die Zyprioten hinterlassend.
Land und Leute: Brot, Salat mit Schafskäse, Streetart und der Hinweis auf Einsturzgefahr
Aber die letzte Prüfung steht noch aus. Am frühen Morgen hält der Kleinbus, der mich nach Nikosia bringen wird, vor dem Hotel. Rund anderthalb Stunden dauert die Fahrt in die geteilte Stadt. Ich treffe Joanna Louca, die Wolle zu farbenfrohen Shawls und Tüchern verarbeitet. Anfangs kommt mir das Business-Modell so tragfähig vor, wie der Plan, in der Arktis Kühlschränke verkaufen zu wollen. Wer braucht in so einem Land ein Woll-Tuch? Doch offenbar funktioniert ihr Laden gut. Aber ich bin nicht hier, um mit Joanna über ihr Geschäftsmodell zu streiten. Mich interessiert ihre Vergangenheit. Sie ist eine Grenzgängerin, hat Verwandte auch im heute türkischen Teil der Stadt. Und jetzt, da sie darüber spricht, spürt man, wie schwer es ihr fällt, den Status Quo anzunehmen.
Die Geschichte Zyperns – und damit auch die der Teilung des Landes – ist nicht leicht zu durchschauen. Schon immer war die kleine Insel ein Spielball der Großmächte in dieser Region: Phönizier, Assyrer, Perser, Griechen, Römer, Byzanz, Genuesische Herrschaft, Venezianische Herrschaft, Osmanische Zeit, und Mitte des 19. Jahrhunderts kommen die Briten. Sie bleiben bis 1960. Zypern soll ein autonomer Staat sein. Durch einen Putsch der Nationalgarde soll der Anschluss an Griechenland erfolgen. Daraufhin schicken die Türken ihre Streitkräfte. Seither ist Zypern geteilt.
Der allgegenwärtige Duft der Insel: Frangipani
Nikosia ist eine seltsame Stadt, reich und arm, hässlich und schön, verloren und herausgeputzt. Die Teilung hat zu ähnlichen Entwicklungen geführt wie in Berlin in den ersten Jahren nach dem Mauerbau. Inzwischen tut sich was, die Menschen scheinen sich zu arrangieren mit dem Status-Quo. Die Grenze kann leicht überwunden werden, eine eher spielerisch um Kunden buhlende Shopping-Meile hat sich etabliert. Doch in der Mittagszeit hocken die Verkäufer eher locker beieinander und essen. Und auch finde den Weg an einen der auf der Straße stehenden Tisch des Restaurants Zanettos (nein, das ist kein Online-Schuhportal) und ordere erwartungsvoll Bauernbrot und Salat mit Schafskäse und Baklava, so süß und klebrig, dass ich meinen Zahnarzt schon schimpfen höre. Am Nachmittag fährt der Linienbus wieder zurück ins Hotel. Und ich halte es wie eine junge Österreicherin hinter mir. Sie war allerdings so clever, sich ein Nackenkissen mitzunehmen. Mein Kopf bummelt ständig gegen das Fenster. Irgendwann döse ich doch weg.
Konnte nicht ohne: Koch Rob Shipman liebt Zypern, sein Mitarbeiter erntet Kräuter im Garten
Später, im Hotel, sitze ich bei Rob Shipman und sehe ihm zu, wie er eines seiner Sushi-Gerichte zubereitet. Roher Fisch, so arrangiert, als würde er aus schaumigen Wellen springen. Nun ja, sieht schlimm kitschig aus, schmeckt aber grandios. Rob macht sowas, seit er in Japan bei einigen Chefs gelernt hat. Er liebt die Küche des Landes, ist mit einer Japanerin verheiratet. Und warum arbeitet er hier, warum nicht für eine Hotelgruppe mit Häusern in Japan? Hat er. Aber das ist nicht gut ausgegangen. „Zum einen halte ich mich nicht so gern an die Mengen- und Kostenangaben der Controller. Zum anderen habe ich das hier vermisst. Ich liebe Zypern.“ Er nickt mit Kopf ungefähr in eine Richtung, wo die Palmen sich im Wind wiegen und die Wellen gegen Strand anrennen. Verdammte Scheiße, er hat recht.
Zwei Tage bin ich hier. Alle Vorurteile glücklich abgearbeitet. Jetzt kann es losgehen, die Insel zu entdecken.
Schön, auch ohne Übertreibung: Kitsch hat Zypern gar nicht nötig
.
Hinweis: Die Recherchereisen für diesen Blog werden zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien, Reedereien und/oder PR- bzw. Tourismus-Agenturen. Unsere journalistische Freiheit bleibt davon unangetastet. Wir danken den Thanos Hotels und Sabine van Ommen-PR in Berlin.
Interessiert? Hinfahren!
Thanos Hotels auf Zypern