Berlin, Potsdamer Platz, an einem Sonntagmorgen. Vor dem „Ritz Carlton“ steht ein silber-grauer Ferrari. Ein verblüffend stiller Moment an einem der belebtesten Orte Deutschlands
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Ein Hotelportrait von Susanne Baade (Fotos) und Dirk Lehmann (Text)
„We are Ladies and Gentlemen serving Ladies and Gentlemen“ lautet der Claim der amerikanischen Luxushotel-Gruppe, die in Deutschland zwei Häuser betreibt. Wir haben die Gelegenheit, das Ritz-Carlton Berlin auf seine Paar-Tauglichkeit zu testen – und sind angetan vom jungen Geist im gediegenen Ambiente des hohen Hauses am Potsdamer Platz
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Hinter der modernen Hochhaus-Fassade ist die Einrichtung klassisch, der Service besonders, und die Bildbände sind fast zu schön, um darin zu blättern
Deutschland tut sich schwer mit Hochhäusern. Selbst Berlin, die einzig wahre Metropole des Landes, will nur an einigen Orten hoch hinaus. Am Potsdamer Platz, da darf die Stadt dem Himmel entgegen ragen. Denn hier soll jener Geist wieder belebt werden, der den Platz vor mehr als 100 Jahren prägte als einen der verkehrsreichsten im alten Europa, als gesellschaftlichen Spannungsort. Die deutsche Teilung hatte dem ein Ende gesetzt. In West-Berlin gab es sonntags immer einen Flohmarkt auf dem Potsdamer, und seit Mitte der 1980er Jahre schwebte die M-Bahn auf ihrer Teststrecke über den Platz. Die Brache am Todesstreifen wirkte dadurch noch bizarrer.
Als hier vor rund elf Jahren das „Ritz-Carlton“ eröffnet wurde, da wertete man das als wichtigen Meilenstein für die Rückkehr des einstigen Berliner Verkehrszentrums zu neuer Größe. Als Beispiel für die neue Aufbruchstimmung galt auch die Architektur, das 70 Meter hohe Hotel sei eine Hommage an die amerikanischen Hochhäuser der 1920er Jahre, an den Chicagoer Stil, eine Mischung aus Art Déco und klassischer Moderne. Man bewunderte die Einrichtung, die kosmopolitische Freitreppe, den pathetischen Kronleuchter, den 850 Gäste fassenden Ballsaal und die zauberhafte Brasserie „Desbrosses“, ein Restaurant von 1885, das eins-zu-eins im französischen Städtchen Mâcon ab- und im Hotel wieder aufgebaut hatte. Mit all dem setzte das Ritz-Carlton Maßstäbe. Und es sorgte für ersten Glamour am Potsdamer Platz.
Zur Teezeremonie gehören handgemachte Gefäße und handverlesene Blätter. Im Zimmer stehen handgearbeitete Möbelstücke und Antiquitäten
Inzwischen, mehr als ein Jahrzehnt später, spürt man hier tatsächlich die Energie der Metropole. Und das Ritz-Carlton zeigt noch eine andere Qualität – die eines Refugiums. Man kehrt diesem „Mythos von einer Stadt“, so der deutsche Regisseur Nico Hofmann über Berlin, den Rücken und betritt einen Ort der Zuwendung. Jemand fährt das Auto in die Garage, das Gepäck wird uns abgenommen („wir bringen es auf Ihr Zimmer“), und verblüffenderweise spricht uns schon kurz nach dem Check-In fast jeder mit Namen an. Wie machen die das bloß?
Unsere Juniorsuite liegt in der sechsten Etage. Wohnzimmer, Schlafzimmer, zwei Bäder, Blick auf eines der begrünten Dächer des verblüffend vielgestaltigen Hotels. Die Einrichtung entspricht dem Ritz-Carlton-Spirit: solide, handgefertigte Möbel, bequeme Sessel, ausdrucksstarke Lampen, echte Kunst an den Wänden, Tapeten und Teppiche ergänzen einander, die Vorhänge sind schwer. Jedes Stück steht für Solidität, jedes hat Charakter. Das große Bad verfügt über eine Dusche (mit Sitzgelegenheit!) und eine Whirlwanne, das WC hat eine eigene Tür, eine richtige. Es ist an alles gedacht worden..
Die Bar ist der Proberaum, der Curtain Club die Bühne für die coolen Drinks von Mixology-Rockstar Arnd Heißen, der seine Cocktails spielerisch in Szene setzt
Wir richten uns ein, hängen unsere Kleider in die Schränke, ziehen die Bademäntel über, gehen uns im Gym austoben. Wir schwimmen im verblüffend kleinen Pool und ruhen uns aus im unsagbar bequemen Boxspring-Bett. Schließlich sind wir bereit für einen Abend im Ritz-Carlton. Wir lassen uns in der Tea-Lounge in die Welt der Tees einführen, nehmen uns ein paar kleine Sandwiches. Und dann sitzen wir in einem der schweren Ledersofas, blättern Bildbände und beobachten Menschen im Hotel. Bis es endlich 18 Uhr ist und sich die Vorhänge „Curtain Club“ öffnen, der Bar des Hotels. Hier treffen wir Arnd Heißen. Der Mann im Tweed-Anzug zählt zu den kreativsten Köpfen der deutschen Bar-Szene. Und in Köpfen serviert er auch seine Drinks.
Heißen hat schon einige Preise für seine Leistungen für die Bar-Kultur erhalten, belegte den zweiten Platz bei der angesehenen World Class Competition und wurde mit dem Mixeology-Award ausgezeichnet. Seit einiger Zeit experimentiert er mit der olfaktorische Dimension von Cocktails. „Ich frage meine Gäste, welchen Duft sie mögen, welches Parfum, und dann kreiere ich einen Drink um ihre Präferenz herum.“ Spannende Kreationen entstehen auf diese Art, Hingucker, ein Genuss für Auge, Nase und Geschmacksnerven. Und sie haben dazu geführt, dass der Club des Ritz-Carlton zu einer Berliner Institution geworden. Eine Leistung, die für eine Hotel-Bar, die ja überwiegend wechselnde Gäste hat, eine Besonderheit ist.
Quasi der Darkroom der Trink-Kultur: Im zum Hotel gehörenden Club „Fragrances“ erlebt man Drinks auf sinnliche Weise – die Cocktails basieren auf großen Parfums
.Und so überrascht das Ritz-Carlton auf mehreren Ebenen, erweist sich erst klassischer als die moderne Fassade vermuten lässt, nur um dann moderner zu sein als die klassische Einrichtung nahe legt. Arnd Heißen bietet ja auch diverse Seminare in seinen Bars an, „Behind the Curtains“ für den Einstieg in die Mixology, und „Fragrance Experience“ für das Experiment um Duft und Drink. Wir aber genießen heute ganz das Privileg Gast zu sein, unterhalten uns mit dem Barmann, der seine Kindheit in Lettland verbracht hat und nippen an Kreationen mit Namen wie „Alice in Wonderland“ oder „The Poet & the Alchimist“.
Wir erleben das Hotel als Ort mit Anspruch, aufstrebend, keine Angst vor Größe. Es passt zum Geist, der den Potsdamer Platz einst prägte. Und der hier neu aufsteigt.
Was uns gefällt:
Sie sagt: Mir gefällt die Ruhe, die das Hotel ausstrahlt, die Souveränität. Und natürlich mag ich die große Badewanne… Das Frühstück zählt sicherlich zu den besten Berlins. Nur der etwas umständliche Check-Out hat mich überrascht.
Er sagt: Ein perfekter Ort. Das Essen in der Brasserie ist ein Erlebnis, und die Drinks von Arnd Heißen haben mich nachhaltig beeindruckt. Im Zimmer habe ich mich sehr wohl gefühlt, obwohl die Einrichtung gar nicht ganz mein Stil ist. Aber die Präzision und Hingabe, mit der alles gemacht wird, ist bemerkenswert.
Die Sonne scheint in die französische Brasserie aus dem 19. Jahrhundert, die das kulinarische Zentrum ist des Ritz-Carltons am wieder belebten Potsdamer Platz
Hinweis: Die Recherchereisen für diesen Blog werden zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien, Reedereien und/oder PR- bzw. Tourismus-Agenturen. Unsere journalistische Freiheit bleibt davon unangetastet. Wir danken dem Ritz-Carlton Berlin
Interessiert? Hinfahren!
The Ritz-Carlton, Potsdamer Platz 3, 10785 Berlin, Tel. 030-337777, www.ritz-carlton.com