Es ist die ultimative Reise – ins All. Nur 567 Menschen dürfen sich Raumfahrer nennen. Nur 43 davon sind Frauen. Eine heißt Nicole Passonno Stott. 103 Tage, 5 Stunden und 49 Minuten dauerte ihre überirdische Reise. Wir treffen die Astronautin zu einem Interview im Literaturhaus Hamburg. Nicole, magst du eigentlich Science Fiction-Filme…
von Susanne Baade (Fotos) und Dirk Lehmann (Text)
Nicole Stott: Ich liebe Science Fiction-Filme. Als „Star Trek“ in die Kinos kam, habe ich mir den Film selbstverständlich angesehen.
Da oben?
Sicher. Allerdings in meiner Freizeit…
Es ist ein irgendwie verrückter Gedanke, dass jemand in der International Space Station durch das Weltall rast – und einen Science Fiction-Film sieht. Und doch erzählt diese Episode einiges über Nicole Stott. Über ihren Humor, ihre Offenheit und ihr geerdet-sein. Auch ihre Karriere hat einen eher pragmatischen Verlauf. Die heute 55-jährige arbeitet als Luftfahrttechnikerin bei der Nasa, kommt 1988 in das Space Shuttle-Programm und wird im Jahr 2000 als Astronauten-Kandidatin vorgestellt. 2009 schießt man Nicole zum ersten Mal ins All.
In Filmen über die Ausbildung von Astronauten sieht man immer wieder Szenen, die fast an Folter erinnern. Was war dein schlimmster Moment?
Filme wie „Der Stoff aus dem die Helden sind“ erzählen aus den frühen Jahren der Astronauten-Programme. Inzwischen hat sich viel geändert. Eine erste echte Herausforderung war die NEEMO-Mission, 18 Tage in einer Unterwasser-Station, knapp 40 Meter unter der Meeresoberfläche. Es war eine Super-Vorbereitung auf die Zeit im All…
Man kann vieles simulieren, Astronauten lernen unzählige Handgriffe zu verinnerlichen. Aber wie ist es, wenn es wirklich los geht?
Anfangs hat man so viele Dinge zu erledigen, dass man eigentlich keine Zeit hat, nervös zu sein. Doch wenn die letzte Phase des Countdowns beginnt, packt es dich. Kurz vor dem Start kippt der Orbiter ein wenig nach hinten. Das ist spooky. Man befürchtet zu fallen. Dann setzen enorme Schubkräfte ein, und wenige Sekunden später geht es mit fast 5.000 Km/h ins All. Wenn die Schwerelosigkeit einsetzt, wenn man im Weltall schwebt und die Erde klein unter sich sieht, das ist ein erhabener Moment.
Hattest du nie Angst?
Eigentlich nicht. Ich hatte nur eine Sorge: Mein Sohn war damals noch klein, und ich fragte mich, was wäre, wenn ihm etwas zustoßen sollte? Es hätte sein können, dass ich nicht rechtzeitig zurück bin. Meine erste Mission dauerte immerhin rund drei Monate. Noch heute dreht meine Mutter durch, wenn sie das Foto sieht, das mich beim Außenbordeinsatz zeigt – für sie ist das so ein freaking-out-Moment. Und manchmal wird mir erst im Nachhinein klar, wie besonders es ist, da oben gewesen zu sein.
Man sagt, Reisen verändert. Was macht eine Reise ins Weltall mit einem?
Ohh, das verändert dich auch, undzwar sehr nachhaltig. In der ISS zählen keine Nationalitäten mehr, egal woher du kommst. Zu der Zeit, in der ich da oben war, gab es Besuch von Astronauten aus vielen Ländern der Welt, ich bin auch dem ersten Weltraum-Touristen begegnet. Da oben haben wir uns alle als Erdlinge gesehen, als „Earthlings“. Aus dem All siehst du die Erde in einem anderen Licht – sie ist klein, zart, ein winziges Paradies in einem lebensfeindlichen Universum. Und zurück beginnen viele von uns, sich in sozialen und Umweltprojekten zu engagieren.
Mehr als 100 Tage im Weltraum, mehr als 5 Stunden im Außenbordeinsatz – allein im All. Was hat das mit dir gemacht?
Ich widme mich seither der Kunst und verarbeite so meine Erfahrungen. Ich engagiere mich für Umwelt-Erziehung, und ich zeige den Besuchern im Kennedy Space Center meine Welt. Und noch immer, wenn ich die Halle betrete, in der die Orbiter stehen, überkommt mich eine Gänsehaut.
Fotos USA: Kennedy Space Centre
INTERESSIERT? HINFAHREN!
Meet the Astronauts heißt ein Angebot, das man beim Besuch des Kennedy Space Centres in Florida wahrnehmen kann. Da besteht auch die Möglichkeit, Nicole Stott zu treffen. Wir sprachen mit ihr im Rahmen einer Presseveranstaltung. Vielen Dank für die Einladung.