Vom Burnout ins Sabbatical: Im aktuellen Spiegel 06/12 finden sich zwei Artikel, die einander auf eigentümliche Weise ergänzen: In der Titelstory „Die gestresste Seele“ geht es um eine enorme Zunahme von Burnout-Fällen, die sich im Laufe der Diagnose als Depression darstellen. Psychische Störungen, so heißt es, sind der häufigste Grund für Krankenhausaufenthalte – noch vor Herzinfarkt, Schlaganfall und Rückenschmerz. Die Zahl der Deutschen, die wegen Depressionen behandelt werden müssen, hat in den letzten zehn Jahren um 117 Prozent zugenommen. Zwar lassen sich die Ursachen für diese dramatischen Anstieg schwer ermitteln, doch vermutlich tragen auch die wachsenden Anforderungen im Job ihren Teil dazu bei. Und welcher Arbeitnehmer hat in letzten Jahren nicht am eigenen Arbeitsplatz erfahren, was Arbeitsverdichtung bedeutet?
Im Wirtschaftsteil der Zeitschrift dann ein Artikel mit dem Titel „IBM plant die Arbeitswelt von morgen“. Demnach besteht die Firmenbelegschaft der Zukunft nur noch aus einer Kerntruppe mit Festanstellungen, die restlichen Arbeitskräfte rekrutiert man je nach Bedarf und Projekt aus einer „Wolke von Freiberuflern“. In dieser Talent-Cloud sollen die Arbeitswilligen gegeneinander konkurrieren, dafür werden sie bewertet wie Hotelzimmer, allerdings nach Kriterien wie: Wer hat beim letzten Projekt gut abgeschlossen? Wer hat sich korrekt und zuverlässig verhalten? Wer war beliebt bei Chefs und/oder Kollegen? Wie bei Facebook sollen die Mitarbeiter per like-Button gerankt werden und erhalten als höchste Auszeichnung das goldene Siegel. Doch nicht genug, nicht nur interne Bewertungen sollen bei der Auswahl mit einfließen, sondern auch Kriterien von außen, etwa die Bewertungen aus Sozialen Netzen.
Damit ist der Mensch endgültig als Ware in der modernen Arbeitswelt angekommen. Er wird zu einer Resource – geprüft, durchleuchtet und seiner Privatsphäre beraubt –, die je nach Gebrauch und Kompetenz benutzt und danach wieder abgelegt wird. Krankheitsfälle, ungewöhnliche Hobbys, der Wunsch nach Auszeiten können damit zu unüberwindbaren Hürden in der Berufskarriere werden. Das Sabbatjahr wird keine Option mehr sein, um sich und der Welt näher zu kommen.