Bei einer Messerstecherei, so eine Meldung, ist im Hamburger Hotel „Nord“ ein 33-jähriger getötet worden. Verletzt wurden außerdem ein 34-jähriger Mann und eine 26-jährige Frau, die unter Tatverdacht steht. Unverwundet blieb die 28-jährige Begleiterin des Todesopfers. Schluck! Da fragte man sich, kann man eigentlich noch in Mexiko Urlaub machen, nach all dem, was da in den letzten Monaten passiert ist, und dann liest man von zwei Paaren in einem Hamburger Hotel. Statt Stadturlaub, Musical und Romantik gibt es Seele baumeln im wahrsten Wortsinne.
Laut Eigenwerbung liegt das „Nord“ im „Herzen der Freien und Hansestadt“. In Wahrheit führt die Bremer Reihe hinterm Hauptbahnhof mitten in die Drogenszene der Stadt – billige Sex-Shops und DVD-Tausch-Börsen, triste Kneipen mit absurd anheimelnden Namen und junge Aggro-Typen. Dass auf einer Mülltonne neben dem edel aussehenden Pissoir am Hansaplatz ein Aufkleber fordert „Yuppies verpisst euch“, wirkt wie ein Witz. Unter den 325 Hamburger Hotels auf Tripadvisor wird das „Nord“ auf Rang 295 geführt. Eigentlich fiele die Bewertung schlechter aus, wären da nicht die positiven Urteile von Juliane1234 und dem Hamburger (!) Ben Möller, beide haben aber nur zu diesem Hotel etwas gepostet. Dagegen schreibt Heiko aus Nindorf: „Es waren die schlimmsten 2 Übernachtungen, die ich bisher erlebt habe.“ Julchenjp aus Aschaffenburg bezeichnet das Hotel als „Katastrophe“, der Tripadvisor-Top-Autor Arbeitskreis betitelt seine Kritik mit „Ekelhaft“, und i-woz-there aus London mahnt: „Avoid Hotel Nord like the plague“.
Im Hotel, das man wie die Pest meiden sollte, will man keine Fragen beantworten. Nein, man könne keine Zimmer zeigen. Nein, Fotos seien nicht erlaubt. Im weiteren Verlauf der Recherche bestätigt sich, was im ersten Bericht über die Messerstecherei im Hotel Nord vermutet wurde, dass es sich um eine Straftat im Drogenmilieu gehandelt hat: Einer Abhängigen aus einer Kieler Millionärsfamile wird vom Vater das Hotelzimmer bezahlt, Langzeitmiete 39 Euro pro Tag. Sie lebt da mit ihrem Dealer. Die beiden lernen zwei andere arme Schweine kennen. Die beziehen das Nachbarzimmer. Eines Tages will der Neuling im Zimmer der Alteingesessenen Hehler-Ware verstecken. Darüber geraten sie in Streit. Der Neuling zieht ein Messer. Die abhängige Tochter aus Millionärsfamilie haut ihm eine Flasche über den Kopf. Er stürzt zu Bode. Sie sticht ihm das Messer in Brust. Was ein Drama.
Der Nachrichtendienst Google News listet mehr als 50.000 Suchergebnisse auf zu „tot im Hotel“. Und arbeitet man sie durch, verstört es ein wenig, dass Hotelzimmer, in denen prominente Tote gefunden wurden, besonders gefragt sind. So war die Suite des „Beverly Hilton Hotels“ Los Angeles, in dem Whitney Houston gestorben ist, schon kurz nach dem man sie wieder reservieren konnte, auf Monate ausgebucht. Andere Hotels werben gar mit ihren prominenten Toten. Selbst nach umfangreicher Renovierung bietet das „Ritz Paris“ die Coco-Chanel-Suite an, die Einrichtung mit den großen Spiegeln und den Kristall-Lüstern sei eine Hommage an die Modeschöpferin.
Im „Clipper Garden Home“ in Berlin, so heißt es, werde allerdings nicht damit geworben, dass in einem der Zimmer der Komiker Dirk Bach gestorben sei. Und das kalifornische „Landmark Hotel“, in dem man Janis Joplin tot auffand, wurde sofort danach in „Highland Gardens Hotel“ umbenannt. Wie wird es wohl dem Norge im Herzen der Freien und Hansestadt ergehen? Und würden wir in so einem Zimmer wohnen wollen? Susanne sagt, im Ritz vielleicht, die haben bestimmt längst die Matratze getauscht. Und Dirk würde statt ins Nord lieber ins Highland Gardens einchecken.