Pah, ist doch alles bloß Marketing, dachten wir noch, als in den vergangenen Monaten immer mehr Veranstalter verkündeten, dass es a) zu den Ferien-Terminen 2013 noch weniger kurzfristig buchbare Reisen geben werde als in den Jahren zuvor, und dass b) Last-Minute-Trips nicht günstiger sein werden als rechtzeitig gekaufte Reisen sondern sogar eher teurer.
Klar doch, dachten wir, und meinten darin vor allem erzieherische Maßnahmen zu erkennen: Mit solchen Aussagen und mit Frühbucherrabatten will man die Kunden dazu bringen, schon im Februar den Sommer-Urlaub klar zu machen. Wie langweilig. Vor allem aber wie vorhersehbar. Es ist verständlich, dass die Anbieter so früh wie möglich das Geschäft machen wollen. Für uns Reisende ist das aber eigentlich kein Vorteil. Wer etwa für den Sommer einen Camping-Urlaub geplant hatte, spekuliert nach ein paar verregneten Tagen im Zelt vielleicht darauf, in den Herbstferien spontan doch noch in die Hitze zu fliegen. Egal wohin. In einigen Bundesländern begann die Schule erst in der zweiten Septemberwoche. Da ist es längst zu spät für Frühbucherrabatte.
Auch wir kamen Mitte September noch auf die Idee, in Wärme zu reisen. Nach einer ausgiebigen, friesisch-sommerlichen Radtour durch die Niederlande (mit zwei tropischen Tagen in Amsterdam) wollten wir uns noch eine Woche am Meer gönnen, an irgendeinem sonnenverwöhnten Badestrand, um fit zu sein für das Hamburger Grau, das ja gern von November bis April andauert. Und wir rechneten damit, dass es doch noch das ein oder andere Schnäppchen gebe. Oder vielleicht sogar die eine oder andere schöne Reise.
Aber schon die Seite der Urlaubspiraten hätte uns stutzig machen sollen. Wir zählen ja längst zu den knapp 400.000 Fans der Deals-Blogger, die oft überraschende Tipps und Sonderangebote zu Tage fördern. Doch für die Herbstferien hatten die Berliner nicht viel zu bieten. Ein eher maues Kreditkarten-Angebot der Comdirekt-Bank wurde beworben (Kann man mit einer DiBa-Visa-Card im Ausland nicht auch kostenlos Geld abheben? ;-)), ein Flug nach Kuala-Lumpur und ein über Ab-in-den-Urlaub zu buchendes Hotel in der Schweiz, das in totaler Abgeschiedenheit gelegen, Zimmer für 23 Euro ohne Frühstück anbietet; was eigentlich die spannendste Reise war, aber leider erst für den Winter gebucht werden konnte.
Auch JT-Touristik machte uns wenig Hoffnung. Die sehr aufgeräumte, klare Buchungsübersicht zeigte nur wenige interessante Angebote. Und viele davon entpuppten sich in dem Moment, in dem man sie prüfen wollte, als Seifenblasen. Manche platzten, weil der vermeintlich günstige Reisepreis vor allem einer viel zu kurzen Reisedauer geschuldet war (wir wollen eine Woche wollen, so manches Schnäppchen war nur günstig, weil es für vier Tage galt). Andere lösten sich auf, weil entweder die Leistungen nicht stimmten (Abflug ab Amsterdam) oder das Gesamtpaket schlicht zu teuer war – 699 Euro pro Person für sechs Tage in einem Studio ohne Verpflegung in einem 2-Sterne-Hotel in Cala D’or? Und so checkten wir bei JT wieder aus.
Skurril waren unsere Erfahrungen mit Opodo. Das Online-Reisebüro, das so heißt, weil man den Namen auch über Kopf lesen kann, ignorierte schlicht die von uns eingegebenen Daten. Hatten wir Cookies deaktiviert? Den falschen Browser verwendet? Nein. Alles okay. Wir wollen im Zeitraum zwischen dem 1. und dem 8. Oktober reisen. Doch ständig „aktualisiert“ das Programm unsere Terminwünsche. Einst gab es sogar eine Regelung, dass Last-Minute nur dann so genannt werden dürfe, wenn zwischen Buchung und Reiseantritt maximal zwei Wochen liegen. Offenbar gilt das nicht mehr. Jedenfalls änderte Opodo die von uns eingegebenen Daten, wir sollen in knapp vier Wochen reisen.
Wir versuchen unser Glück bei denen, die einst ausgewiesene Last-Minute-Reise-Anbieter waren. Und erleben unser pink-farbenes Wunder. Ltur, einst Vorreiter beim Verkauf kurzfristiger Reisen, lockt mit „Super-Last-Minute-Top-Reisezielen“ auf Mallorca. Für 1032 Euro. Pro Person. Pro Woche. Wir sind neugierig. Vielleicht bekommen wir für das Geld ein Zimmer in einem famosen Hotel? Doch dann meldet die Website: „leider kein passendes Angebot gefunden“.
Ähnlich enttäuschend verläuft die Suche auf lastminute.de. Zu fast allen Angeboten, die wir anklicken, und die dann in minutenlangen Abfrageprozessen aktualisiert werden, heißt es: „Die Reise ist leider ausgebucht“. Besonders deprimierend verläuft unsere Suche bei Ab-in-den-Urlaub und Tui. Fast jede Reise, deren Verfügbarkeit wir prüfen, ist „leider ausgebucht“. Und nach stundenlanger, ermüdender Recherche geben wir auf.
Wir wissen, dass Veranstalter nicht mehr große Kontingente an Hotelzimmern buchen, die sie dann irgendwann lieber günstig auf den Markt werfen als dass sie leer bleiben. Wir wissen, dass die Airlines nicht ausgebuchte Flüge eher streichen und die Passagiere auf andere halbleere Maschinen verteilen, bis diese voll sind. Das ist schon lange so.
Doch in welchem Ausmaß das System inzwischen perfektioniert wurde, das war uns nicht klar. Reisen in Länder wie Ägypten werden nicht an die Neugierigen oder Mutigen verramscht – sie werden schlichtweg kaum noch angeboten. Gute Hotelangebote gibt es im Überfluss. Doch die Zahl der Flüge ist so reduziert worden, dass die Preise enorm sind. So ist für Ltur Marokko inzwischen exotischer als Thailand und mit knapp 1500 Euro pro Person pro Woche fast so teuer wie die Malediven.
Okay. Wir haben kapiert: Last-Minute ist tot.
Schade. Denn eigentlich waren Last-Minute-Reisende nicht bloß Schnäppchenjäger. Es waren Abenteurer, für die die aufregende Zeit des Jahres bereits auf dem Weg zum Flughafen begann, wo Last-Minute-Reisen einst verkauft wurden, denn viele fuhren mit gepacktem Koffer zum Airport – und wussten nicht, in welchem Land sie den am Abend auspacken würden. Die Last-Minute-Reise war quasi das Blind-Date mit den eigenen Ferien.
Von diesem Abenteuer ist zuletzt ohnehin nicht viel geblieben. Last-Minute-Reisen sind zu schnöden Restposten verkommen. Jetzt scheinen sie ganz zu verschwinden. Wir fragen uns bloß: Warum heißen die Angebote dann noch so?