Ein Paar auf Reisen: Das Dorf Bezau im Bregenzer Wald. Gegenüber der Kirche steht seit 1648 der Gasthof „Gams“ – inzwischen das erste Hotel mit 365 Valentinstagen im Jahr
Ein Hotelportrait von Susanne Baade (Fotos) und Dirk Lehmann (Text)
Wie fühlt es sich wohl an, wenn man sich so sehr nach einem Ort verzehrt? Ständig steht er davor, träumt davon, drinnen zu sein – da wo das Lachen ist, die Wärme und die Nähe der anderen. Und irgendwann war die Sehnsucht so stark, dass er anfing, sich hinein zu mogeln in die Stube. Er schlüpft im letzten Moment durch eine sich schließende Tür, schleicht sich in einem unbeobachteten Augenblick durch einen Seiteneingang. Um sich dann auf diesem wundervoll bequemen Sofa einzukuscheln – am liebsten, wenn da noch jemand sitzt. Das ganze Leben dieses Streuners scheint auf diesen Moment ausgerichtet zu sein. Und doch erträgt es der Kater mit stoischer Ruhe, dass man ihn vor die Tür setzt. Er kommt wieder, keine Frage. Maunz.
Kuschelparadies bei der Kirche: Paare kokoonen am Pool, der Kater auf der Chaiselongue
Nein, der Kater gehört nicht zum Haus, sondern zum Nachbarn. Und deshalb ist er der einzige Gast des Kuschelhotels „Gams“ in Bezau, der genau das nicht bekommt, nämlich Kuscheleinheiten. Sobald ein Mitarbeiter das Tier entdeckt, wird es vor die Tür gesetzt. Der Kater erlebt hier etwas, was man nach einer Woche Urlaub in diesem Hotel an diesem Ort der Harmonie vielleicht sogar ein wenig vermisst: Reibung, Auseinandersetzung, Streit.
Als wir erzählten, dass wir in ein Kuschelhotel fahren würden, waren die Reaktionen geteilt. Frauen bekamen diesen weichen Sehnsuchtsblick, wie ihn auch der Kater hat, wenn er vor der großen Glasfront steht und hineinschaut zu den Menschen am Kaminfeuer. Männer guckten meist seltsam desinteressiert: „Ein Kuschelhotel? Wozu braucht man ein Hotel zum kuscheln?“ Und ihre Miene ähnelte der des Katers, wenn er hinaus getragen wird.
Kein Ort für Menschen mit Herzchen-Allergie: Auf den roten Brokatsesseln erfolgt der Check-In; die grün-leuchtende Glasstruktur ist der über mehrere Etagen reichende Weinschrank; zur Teichform soll es nie eine Alternative gegeben haben; zur gepolsterten Fensterfront würden uns allerdings mehrere einfallen; von der im Boden eingelassenen Badewanne hat man einen schönen Blick; das Team des DaVinci-Spa verwöhnt uns mit einer Synchronmassage
In solche Gesichter blickten Ellen Nenning und Andreas Mennel nur, als sie vor Jahren ihre Umbau-Pläne für die „Gams“ präsentierten. Banken und Behörden waren sich einig: „So nicht.“ Durch den plötzlichen Tod ihres Vaters war die 18-jährige Ellen plötzlich Hoteldirektorin geworden. Es dauerte eine Weile, bis sie erkannte, dass das altehrwürdige Gasthaus nur mit Busreise-Gruppen nicht erfolgreich weiter zu führen wäre. Mit ihrem Partner entwickelte sie das Kuschel-Konzept und einen umfangreichen Umbau. Ausgerechnet die Extravaganz der Architektur hat letztlich den Weg geebnet: Die Behörden wollten keinen zylinderförmigen Anbau zulassen. Und die für ihre Dickköpfigkeit bekannten Einwohner Bezaus, die „Wälder“ – weil im Bregenzer Wald lebend –, wollten sich von den Behörden nicht vorschreiben lassen, wie sie bauen dürfen. Nach zweijährigem Tauziehen war der Sieger klar: die Liebe.
Das Gams ist eine Erfolgsgeschichte wie es sie in der Hotellerie nur wenige gibt. Von vielen Medien anfangs bestenfalls ignoriert, oft schlicht verhöhnt, war das Romantik- und Kuschelhotel bei den Gästen sofort beliebt. „Wir sind überrannt worden“, sagt Ellen Nenning. In den ersten Jahren lag die Auslastungsquote des mit Anbau nun 35 Zimmer zählenden Hauses bei 90 Prozent. Heute, fast zehn Jahre später mit inzwischen 70 Zimmern, sind es knapp 80 Prozent.
Im Gemsen-Marsch: Schneeschuhtour mit Pius durch den tief-weißen Bregenzerwald
Die was hier eigentlich suchen? Zweisamkeit. Das opulent und modern, geradlinig und verspielt, marokkanisch und bregenzerwäldisch gestaltete Haus ist ganz auf Paare ausgerichtet. Überall findet man Sitzgelegenheiten und Ecken für 2, das Licht ist ständig gedimmt, die Stimmen sind immer gedämpft. Und wer als Alleinreisender in dieses Hotel gerät, dem muss es das Fegefeuer auf Erden sein. Wer mit seinem Schatz kommt, wird hier niemals irgendeine Anzüglichkeit oder Zote entdecken. Denn das Kuschelhotel Gams fordert gar nicht zum Kuscheln auf, geschweige denn zu mehr, es stellt nur die Kulisse. Das ist das bemerkenswerte an diesem Hotel – das Kopfkino. Man lässt sich darauf ein. Eigentlich ist dieses Hotel ein Rollenspiel.
Wir aber müssen auch mal raus. Und nehmen Teil an einer Schneeschuhwanderung mit Pius Feurstein. Der Kerl ist ein Original wie aus dem Klischeebilderbuch, vital, alterslos, herzlich. Er begrüßt uns mit einem Ständchen auf seinem Alphorn, fährt dann mit uns in der Seilbahn auf den 1711 Meter hohen Niederen, wo er uns erstmal tief atmen lässt. „Denn das ist doch das Problem von uns Menschen, das wir nicht mehr richtig Luft holen.“ Und führt dann mehr als drei Stunden durch die Berge, hinauf auf windumwehte Kanten, durch unberührten Schnee, an Aussichtspunkte mit Blick auf Balderschwang im Allgäu, in eine warme Hütte. Auf Schlitten rasen wir wieder gen Tal.
Unten Grün, ob Weiß: Rund ein halber Meter Schnee liegt auf dem Niederen, und im Tal zeigen sich braun-grüne Flecken. Kurz vor der Hütte lässt Pius den Flachmann kreisen
Zurück in der schönen Gams merken wir, dass wir anders sind als die anderen Paare. Für uns ist es wichtig, an einem Ort zu sein, spazieren gehen, reden, etwas erleben, zurück kehren, davon erzählen. Im Hotel gibt es viele Paare, die offenbar nichts vermissen außer sich selbst. Und sich an diesem Ort finden. Viele kriegen dabei kaum mit, was Ihnen das Restaurant bietet. Die vielfach ausgezeichnete Gourmetküche von Bernd Moosmann überzeugt mit arabisch inspirierten Gerichten. Und Sommelier Reinhard Bischof trumpft mit seinen Weinempfehlungen so sehr auf, dass man ihm später zu Hause am liebsten eine SMS schicken würde: „Sag mal, was hältst du von…?“
Das spricht vor allem dafür, dass Hotel-Inhaberin Ellen Nenning ein Team hat, das ihr den Rücken frei hält. Sie muss sich nicht mehr um das operative Geschäft kümmern, kann neue Konzepte entwickeln, die Zukunft planen und uns ein paar Fragen beantworten. Wir treffen sie in einer Stube im historischen Teil der Gams, durch einen Wanddurchbruch geht der Blick auf das große Lokal mit Kamin und Bar. Eine marokkanische Lampe schickt bunte Lichtblitze in den Raum.
Ausgezeichnet: In der offenen Küche arbeiten Profis mit vielen Hauben; am Tisch sorgen Kerzen für Romantik; Bäume wirken wie Kunstwerke, und der Blick hat diesen Rahmen verdient
push:RESET: Was ist das für ein Gefühl, die „Beate Uhse“ der Hotellerie zu sein?
Ellen Nenning: Der Pfarrer ist ja tatsächlich einmal gefragt worden, wie er es zulassen könne, dass in seiner Nachbarschaft so ein „Freudenhaus“ eröffne. Doch er unterstützt uns seit Anfang an. Ihm war wichtig, dass die Mehrheit im Dorf das Hotelprojekt gut heißt, und dass hier Arbeitsplätze für die Einheimischen geschaffen werden. Natürlich gibt es immer noch diese seltsamen Vorbehalte, als würde man hier etwas verbotenes tun. Doch unser Geschäftsmodell wird nicht mehr hinterfragt.
push:RESET: Wann war Ihnen das klar?
Ellen Nenning: Bei einem Hotel-Kongress in Wien saßen hunderte gestandene Geschäftsführer im Saal, und der Moderator fragte: Was denn so besonders sei an einem Kuschelhotel, auch in andere Häuser würden Paare einchecken? Und ich antwortete: Mag sein. Aber in unser Hotel checken nur Paare ein. Es war richtig zu spüren, wie es in den Köpfen der Anwesenden „Klick“ machte.
push:RESET: Inzwischen gibt es einige Kuschelhotels, der Wettbewerb ist härter geworden. Was war für Sie immer ein No-Go?
Ellen Nenning: Alles, was wir tun, hat nur einen Zweck – Kulisse zu sein für die eigene Geschichte der Paare. Wir bieten ihnen Zeit zu zweit, Dunkelheit, Vorhänge, die Möglichkeit, einander näher zu kommen. Aber wir sind kein Anbahnungsinstitut, sind nicht schlüpfrig, erst recht nicht explizit.
Jung, erfolgreich, sucht: Hotelinhaberin Ellen Nenning hat ein modernes Konzept entwickelt für ein Traditionshaus, einen runden Anbau entworfen und historische Räume aufgeräumt
push:RESET: Woher stammen eigentlich die Ideen für die Gestaltung des Hotels?
Ellen Nenning: Einen Teil davon haben wir in der spannendsten Phase der Projektplanung gesammelt, ganz am Anfang – als wir durch viele Hotels in aller Welt gereist sind, um uns inspirieren zu lassen. Daran denke ich gern zurück, an diese Freiheit und Unbeschwertheit. Und ich kann nur jedem empfehlen, sich solche Momente zu bewahren. Sie lassen sich nicht wiederholen.
push:RESET: Huch, Sie meinen: Wer das Glück nicht in dem Moment lebt, in dem es einem begegnet, der muss mit Partner später ins Hotel „Gams“ gehen?
Ellen Nenning: Ja, auch das sind unsere Gäste. Die stärkste Gruppe bilden aber Paare mit kleinen Kindern, die inzwischen groß genug sind, um sie für ein Wochenende bei den Großeltern zu lassen. Und das Paar gönnt sich eine Auszeit. Die hatten wir als Gäste für unser Hotelkonzept gar nicht richtig auf den Plan. Und für die wollen wir jeden Tag zu einem besonderen machen.
Gams. Genießer- und Kuschelhotel, Platz 44, A-6870 Bezau, Tel. +43-5514 2220, www.gams.at
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Hinweis: Die Recherchereisen für diesen Blog werden zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien, Reedereien und/oder PR- bzw. Tourismus-Agenturen. Unsere journalistische Freiheit bleibt davon unberührt. Wir danken Ellen Nenning und ihrem Team vom Kuschelhotel Gams, sowie der tollen Crew von Maro & Partner (mit dem weißen Golf).