Zimmer 2001 im Four Seasons Vancouver: ein Raum, perfekt für Fernseher
Wenn die Hotel-Fee zu mir käme und mir sagte, ich hätte drei Wünsche frei, so wäre einer, dass ich immer in einem Four Seasons wohnen dürfe. Die Zimmer sind mit antiken Möbeln eingerichtet, dicke Teppiche umschmeicheln die Füße, im Bad stehen Kosmetik-Produkte von L’Occitaine, und der Roomservice serviert das Club-Sandwich in weniger als 30 Minuten (es kostet alllerdings 20 Dollar; jetzt kann man sich leicht denken, was einer meiner beiden anderen Wünsche an die Hotel-Fee wäre…). Neben klassischen Grand-Hotel-Qualitäten überrascht das Haus in Vancouver mit einem coolen Restaurant, im Yew kann man auch „Vegan Tacos“ bestellen, und uns bei der Ankunft mit einem über der Rezeption hängenden Mobile aus Carbon-Rennrädern von Focus und Pinarello – es ist ein Gruß an die Teilnehmer eines Radrennens (selbstverständlich dürfen die ihre Bikes mit aufs Zimmer nehmen).
Uns gefällt die Gelassenheit in dem Hotel. Niemand stört sich daran, dass wir nicht mit Louis-Vuitton-Taschen kommen sondern mit Mammut-Rucksäcken. Die Dame an der Rezeption kommentiert mit einem Lächeln unsere Holzfäller-Erscheinung (aber ignoriert unseren Holzfäller-Duft) und gibt uns trotzdem nicht die Hinterhof-Suite sondern ein Zimmer in der 20. Etage mit großartigem Blick auf die Stadt.
Kunstpaläste und Hoteltürme: Vancouver Art Gallery und eine Betten-Burg
Es ist ein Transit-Tag, ein Tag zwischen neuer und alter Welt. Wir duschen, packen unserer Rucksäcke um. Und als wir um 21 Uhr mit allem durch sind, beschließen wir, nicht mehr in ein Restaurant zu gehen. Wir bestellen „in room-dining“: Brot, Käse, Salat, Pizza. Als der Room-Service kommt, lassen wir uns den roll- und aufklappbaren Tisch dicht an das Panorama-Fenster unseres Zimmers stellen. Draußen senkt sich die Nacht auf die glitzernde Stadt, wir beginnen zu essen. Und müssen erst über die Pizza lachen, die kostet 16 Dollar, was – das zeigte ein schneller Online-Vergleich – kaum teurer als die von Pizza-Service um die Ecke, allerdings hat die Four-Seasons-Pizza nur den Durchmesser einer Untertasse. Wir schneiden sie in besonders schmale Stücke, die wir besonders lange kauen. Dann beginnen wir zu reden. Wir sind ein Paar auf Reisen, und wir haben uns vorgenommen, uns nach jedem Länder-Trip darüber zu verständigen, was wem wie gefallen hat.
Ich: „Wenn du zurück blickst auf unsere sechs Wochen in Kanada – welche Eindrücke nimmst du mit?“
Susanne: „Mich hat erstaunt zu sehen, wie viel Städter in mir steckt. Ich habe mich vor der Wildnis gefürchtet, ich hatte Angst vor den Bären. Doch später, als die Tour in die Fryatt-Hut hinter uns lag, habe ich mich gefreut über jeden Bären, den wir sahen. Etwa den Weißen, der vor uns über die Strasse gelaufen ist, der war etwas besonderes. Mir hat es gefallen, wie die Kanadier mit ihrem Wild Life umgehen – man darf die Tiere nicht füttern, sie sollen wild bleiben. Mir kommt es so vor, als ob man sich hier die Welt zwischen Menschen und Tier zu teilen bereit ist, statt sie schlicht zu dominieren. Und dass ich die Erdhörnchen ins Herz geschlossen habe, brauche ich dir ja nicht zu sagen. Was hat dich beeindruckt?“
Bären und Einsamkeit: ein brauner Schwarzbär und der Blick auf das Fryatt-Valley
Dirk: „Klar, das Fryatt Valley. Die lange, harte Wanderung, dann das monströse Gewitter mit Blitz, Donner und Hagelschauer, die kalte, aber sternenklare Nacht danach und die darauf folgenden Sommertage in totaler Einsamkeit. Ich mochte die Weite der Landschaft, durch die wir später mit dem Wohnmobil gefahren sind. Manchmal habe ich mir die Frage gestellt, wie es wohl den Menschen vor rund 150 Jahren gegangen sein muss, als sie in diese endlosen Wälder kamen.“
Weite und noch mehr Weite: Fahrt nach Prince Rupert und durch die Hitze von Kamloops
Susanne: „Dass das Land so jung ist, ist mir auch auf die Nerven gegangen. Diese pragmatischen, durchaus hässlichen Städte – ein paar Häuser rund um die Hauptstraße, Tankstelle, Restaurant, Bar, Wohnhäuser. Klar viele Einwohner kennen ihre Vorfahren, so wusste Ricks Frau Yvonne, wer aus ihrer Familie wann aus Frankreich eingewandert ist. Aber das überrascht nicht, schließlich ist es kaum 100 Jahre her. Dennoch: Die Menschen in diesem Land sind so wahnsinnig aufgeschlossen und neugierig. Nie musste man fragen, immer war schon Hilfe zur Seite.“
Dirk: „Und immer waren die Kanadier überrascht, wenn wir ihnen erzählten, dass wir eine back-country-experience hinter uns haben. Darin erinnern sie mich an die Australier. Die leben auch vor allem in Städten, umgeben vom bush, vor dem sie sich fürchten, und sie bewundern alle, die sich da hinein gewagt haben. Selbst würden sie nie auf die Idee kommen. Überhaupt haben mich die Kanadier überrascht. In den Kleinstädten irgendwo zwischen Salmon Arms und Prince Rupert haben wir sehr viele dicke Pick-Up-Fahrer gesehen. In den Metropolen Calgary und Vancouver herrscht derselbe Fitness-Kult wie in europäischen Großstädten, da gibt es sogar Fahrradfahrer. Und du weißt, dass mein Herz nicht für die SUV-Rabauken schlägt sondern für den Radler…“
Tempomacher und Ratloser: Rennradler bei Jasper, Blogger bei Tunkwa Lake
Susanne: „Ach komm, so raubeinig fahren die Kanadier gar nicht. Im Gegenteil, nirgends bin ich so entspannt Auto gefahren wie in diesem Land. Erinnere dich an Tunkwa Lake – wir standen vor einem von Einschusslöchern zersiebten Schild und versuchten uns in dieser Seenlandschaft zu orientieren, als ein schwarzer SUV auf uns zu raste und in einer Staubwolke anhielt. Ein Typ mit schwarzer Brille stieg aus. Und was passierte? Er fragte uns, ob wir uns verfahren haben. Ich jedenfalls warne dich davor, dir in Portugal ein Rennrad zu leihen. Dort fährt man vielleicht kleinere Autos, aber im Straßenverkehr verhalten sich die Portugiesen wie Eroberer – volle Fahrt voraus.“
Gegen Mitternacht gehen wir ins Bett. Die Nacht ist kurz. Schon um 9 Uhr wird – wie vorher vereinbart – unser Gepäck abgeholt. Um 10 Uhr sitzen wir in der S-Bahn zum Flughafen. Um 13 Uhr startet unsere Air-Canada-Maschine nach Toronto. Auf dem Flug von Toronto nach Frankfurt haben wir Pech, die Maschine ist spät dran und wird nur so einigermaßen gereinigt, viel Unrat liegt herum, zwei Toiletten sind randvoll. Doch wir schaffen es, rechtzeitig zur Umsteigeverbindung nach Lissabon zu landen. Und als wir da, nach rund 22 Stunden in drei Flugzeugen laden, sind wir wie betäubt von der Mischung aus Müdigkeit und Hitze, denn anders als in Vancouver, wo der Herbst begann mit Temperaturen um 18 Grad und Regen, schlägt uns in der Hauptstadt Portugals die Hitze des Spätsommers entgegen. Mehr als 30 Grad heiß ist es.
Und schon dieses Ausgangsszenario passt perfekt zu dem, was wir in Portugal erleben möchten – eine Reise in die Zeit. Nach der Abgeschiedenheit sehnen wir uns jetzt nach Geschichte, nach Vergangenheit. Statt Grizzlys suchen wir hier nach Tempelrittern. Vancouver wurde vor rund 125 Jahren gegründet, die Geschichte Lissabons reicht bis in das Jahr 1200 vor Christus zurück. Nachdem uns das weite Land in Nordamerika Raum geschenkt hat, hoffen wir in einem der ältesten Länder der Welt vor allem Zeit zu finden.
Spätsommerabend in Lissabon: in einer Cervejaria am Praça do Comércio
Mit Unterstützung von: British Columbia Tourism, Canusa, Four Seasons Vancouver