Kleines Licht für ein großes Anliegen: Die Ewige Flamme brennt für den Weltfrieden
Ein Reisebericht von Susanne Baade und Dirk Lehmann
Ich weiß nicht, wie ich darauf gekommen bin, ihm die Arbeit abzunehmen. Wahrscheinlich hatte ich nur das Bedürfnis, während unserer Auszeit mal wieder zu radeln. Jedenfalls habe ich meine Beine ausgestreckt, seine Füße in den ausgelatschten Flipflops freundlich von den Pedalen wegkomplimentiert und stattdessen meine Outdoor-Sandalen darauf platziert und getreten. Die Rikscha machte einen Satz nach vorn, und es gelingt uns, die kleine Rampe hinaufzufahren (bei den letzten beiden musste der Fahrer absteigen und schieben). Jetzt nimmt er die Beine hoch – fragt sich wahrscheinlich: „Was ist nur mit den Touristen los heutzutage?“ – und lässt mich sein Motor sein. Nach einer Weile gefällt es ihm, er ruft seinen Kumpeln etwas zu, was ich nicht verstehe. Breit lächelnd lenkt er das Dreirad durch den weitläufigen Park von Lumbini.
Unterwegs in Nepal: Passagiere sitzen oft auf Bussen und noch öfter auf Gepäckträgern
Am Morgen sind wir mit unserem schwarzen Mercedes aufgebrochen. Zuerst ging es noch über das Vorgebirge des Himalayas, die Straße windet sich durch dichten Urwald, Schilder warnen vor Nashörnern, Elefanten und Leoparden. Doch wir sehen nur Kühe und faule (oder kluge?) Affen, die an der Straße hocken und darauf warten, dass man ihnen Essen zuwirft. Dann geht es hinein in die Ebene des Terai. Reisplantagen, Bananenstauden und Mangobäume, Kühe und Wasserbüffel, hier ist Nepal flach und fruchtbar. Schwüle Hitze liegt auf dem Land.
Andere waschen vor Feiertagen ihre Autos: Dieser Mann schrubbt seine Wasserbüffel
Uns begegnen Busse, auf deren Dächern so viele Fahrgäste zu sitzen scheinen, wie in der Fahrgastkabine. Und je näher wir einem Ort kommen, desto mehr Ochsenkarren, Radler und Fußgänger flanieren auf der schmalen Fahrbahn. Kinder in den weißen Hemden der Schuluniformen, Männer mit einer Frau auf dem Gepäckträger, Frauen in bunten Saris, und ständig sind sie mitten auf der Fahrbahn unterwegs. Hupend bahnt sich unser Fahrer den Weg. In Kathmandu hatte ich mich noch über diese nervige Angewohnheit der Autofahrer geärgert, jetzt gehöre ich selbst zu den Nervensägen. Und muss erkennen, ohne Hupe würde man kaum vorankommen. Verkehr ist in Nepal ohne Lärm undenkbar.
Weißheit für den Weltfrieden: Die von Japan errichtete World-Peace-Pagoda
Gegen Mittag haben wir uns erfolgreich bis Lumbini durchgehupt. Am Rande der Stadt, in der Prinz Siddharta geboren wurde, ist eine Art Buddha-Park entstanden. Buddhistische Staaten aller Welt haben hier Tempel errichtet. Es ist eine Art Weltausstellung zur Weltfriedensreligion mit Bauwerken aus China und Myanmar, Thailand und Kambodscha. Aber auch Frankreich und Deutschland sind hier mit Tempeln und Stupas vertreten. Die großen buddhistischen Nationen im fernen Europa.
Regeln in buddhistischen Tempeln: Schuhe ausziehen und immer im Uhrzeigersinn um Gebetsmühlen und Stupas gehen
Wir haben drei Rikschas gemietet und fahren im Konvoi (selbstverständlich eher neben- als hintereinander) über das gewaltige Gelände mit dem zentralen Wassergraben. Immer wieder halten wir an, stellen die Schuhe ab und sehen uns die Tempel an, die man nur barfuß betreten darf. Achim verschont uns nicht. Er kennt sich sehr gut aus mit dem Buddhismus, schildert wie Buddha zur Erleuchtung fand, dass er direkt nach seiner Geburt sieben Schritte gegangen ist, dass er seine Erkenntnisse anfangs den Tieren offenbart hat, und dass er die Erde als Zeugen angerufen hat. Die wichtigsten Stationen werden in Bildern und Skulpturen dargestellt, jede Handhaltung hat eine Bedeutung.
Tempel einer fernen buddhistischen Nation namens Deutschland: große Anlage mit Skulpturen-Park im Garten, der den Erleuchtungsweg Buddhas zeigt
Haltung und Vorbild: Buddha im aufrechten Lotossitz und aufrechte Lotosblüte im Teich
Wir lernen, dass es viele Buddha-Wesen gibt, etwa einen Buddha der Gegenwart und einen der Zukunft. Und wir erkennen die unterschiedliche Ikonographie etwa zwischen nepalesischem und tibetischen Buddhismus. Und während Achim auf eine ausgemalte Decke im deutschen Tempel weist und erklärt, bleiben Besucher stehen und lauschen. Achim blüht auf, es macht Spaß, ihm zuzuhören. Auch wenn uns der Kopf raucht. Schließlich gelangen wir in das Heiligtum von Lumbini, eine niedrige Halle, in der es dunkel und dunstig ist, sie überdacht die Grundmauern des Geburtshauses Buddhas. Groß ist der Andrang, groß auch die Andacht. Die Menschen verbeugen sich, küssen den Boden, stecken Geld in eine übervolle Donation-Box. Ganz in weiß gekleidet sind die Pilger aus Sri Lanka, manche weinen vor Glück.
Zu Buddha reisen: mit der Rikscha in Lumbini und ganz gelassen – Susanne und Achim – auf der Rückbank der betagten aber sehr bequemen Mercedes-Limousine
Auch wir stehen einen Moment an dem längst von so viel Ergriffenheit blanken Holzgeländer und sehen auf die zerfallenen Backsteinfundamente. Nüchtern betrachtet hat dieser Ort nicht viel Charme, eine muffig-dunkle Halle mit miserabel restaurierten Mauerresten. Eine riesige Donation-Box voller Geld. Und doch ist die Aura spürbar, die Gefühle der Gläubigen scheinen die Luft geradezu aufzuladen. Erst als uns der Polizist, der darauf achtet, dass alle mal dran kommen, auffordert, den Platz ganz vorn zu räumen, wird uns klar, dass auch wir die Zeit und alles andere um uns herum vergessen haben.
Sie suchen Erleuchtung: Die Mönche unter dem Bodhi-Baum studieren einen Lampen-Prospekt
Draußen scheint die Sonne. Unter einem weit ausladenden Bodhi-Baum – Pappel-Feige – hocken in Orange gekleidete Mönche und studieren einen Prospekt für Leuchtmittel. Energiesparlampen statt Erleuchtung. Wir knoten unsere Gebetsfahnen in den Baum und sehen noch den Menschen zu, die im Schatten verweilen, Mönchen zuhören, beten oder die aufgestellten Tafeln mit den Sätzen Buddhas lesen: „Wer mit bösen Hintergedanken handelt oder spricht, dem folgt das Leid wie der Karren dem Ochsen.“
Die Anziehungskraft Buddhas: lange Warteschlange vor dem Eingang zum Heiligtum, Tafeln mit Weisheiten, unter Pappelfeigen sitzen Mönche und beten mit den Gästen
Anhänger aus Deutschland: Auch wir knoten eine Gebetsfahne in den Baum. Und, Achtung, immer mit dem blauen Wimpel anfangen – Blau steht für Luft
Als wir uns von den Rikschafahrern verabschieden, halte ich meine Hand auf und verlange von meinem Fahrer einen Tipp. Schließlich bin ich einen Großteil der Strecke gefahren. Der Fahrer in seinen pink-farbenen 3/4-Hosen ist erschrocken. Doch dann stimmt er ein in mein Lachen. Irgendwie scheint mein Humor in Nepal nicht so gut anzukommen.
Entdeckungsreise in die Zeit: Vom Palast in Kapilavastu, in dem Siddharta seine Jugend verbrachte, sind nur die Grundmauern geblieben und ein überwucherter Lotosteich. Wir interessieren uns für die Geschichte, die Kinder im Dorf sind neugierig auf die Besucherin mit den blonden Haaren
Bevor wir uns auf den beschwerlichen Rückweg nach Kathmandu machen, besuchen wir noch das Dorf Kapilavastu, hier stand vor einigen hundert Jahren der Palast, in dem Siddharta seine Kindheit verbracht hat. Geblieben sind nicht mehr als ein paar Grundmauern in einem völlig überwucherten Areal. Wir kommen uns vor wie frühe Entdecker. Kaum ein Mensch begegnet uns, gewaltige Spinnweben spannen zwischen den Bäumen, darin hocken ihre großen schwarzen Baumeisterinnen.
Zwei Männer in einer Kabine: Die rote Selbstfahr-Seilbahn wurde mit Mitteln der Weltbank erbaut, in ihr überquert man den reißenden Fluss per Hand-Antrieb
Die buddhistische Gelassenheit begleitet uns auf der Rückfahrt. Wir lassen uns treiben, besuchen die Grenze zu Indien, essen in einem Restaurant ein einfaches Reisgericht, fahren mit einer hangetriebenen Seilbahn und reihen uns endlich in Kathmandu ein in den Strudel von Menschen, die die Stupa Boudnath umrundet, selbstverständlich immer im Uhrzeigersinn. Mit einer Höhe von 38 Metern zählt der weiße Kuppelbau mit den gelben Flecken des Safran-Wassers zu den größten seiner Art. Abends umrunden hunderte von Gläubigen den Sakralbau, zünden Kerzen an, beten neben der Kuppel.
Weiße Kuppel mit gelben Flecken: Spuren des Safran-Wassers, mit denen der Stupa Boudnath jährlich geweiht wird. Der Elefant ist im Buddhismus ein Symbol für Weisheit und ein gutes Gedächtnis – die Kerzen zeigen den Gläubigen den rechten Weg
Boudnath ist ein eigenwilliger Stadtteil Kathmandus. Die engen Gassen sind zu schmal für Autos und Lastwagen, und so fehlt hier das ständige Hupen. Achim erinnert noch einmal, dass der Stupa quasi ein dreidimensionales Mandala sei, als hätte man es an seiner Bildmitte in die Höhe gezogen. Und wir sagen, lass uns hier doch was essen. Dann sitzen wir einem der vielen, vor allem vegetarischen Rooftop-Restaurants rund um den Stupa und genießen den letzten gemeinsamen Abend bei Kerzenschein. Der Strom ist mal wieder ausgefallen, Teile Kathmandus liegen im Dunkel.
Achim erwartet die nächste Reisegruppe und wird ihnen sein Nepal zeigen und erklären. Wir beneiden sie ein wenig um dieses Privileg. Wir verbringen unsere letzte Nacht in Nepal im Haatiban-Resort, einem schon etwas betagten Hotel in den Bergen über Kathmandu. Auch hier regiert wieder so eine seltsame Männerwirtschaft, die einem nie eine saubere Tischdecke auflegen, die nie auf die Idee kommen, dass man gern draußen frühstücken würde, auf der Terrasse, von der aus man einen Panoramablick auf die Stadt und den Himalaya hat. Und doch ist der im Wald, auf rund 1800 Metern Höhe gelegene Ort ein wundervolles Refugium. Perfekt, um Kraft zu tanken für die Weiterreise nach Indien. Denn wir verlassen Nepal und machen uns auf in den Norden Indiens. Zuerst geht es nach Rishikesh und dann weiter nach Delhi. Es werden während dieses Sabbaticals unserer letzten Tage in Asien sein.
Abschied von Nepal: Letzter Blick vom Haatiban Resort auf das Kathmandu-Tal, vorn die Stadt, dahinter der Himalaya. Abendhimmel und Morgenstimmung im Garten
Auf der von 0 bis 10 reichenden Entschleunigungsskala, auf der wir infolge der Anstrengungen der vergangenen Tage bis auf 4 abgerutscht waren, erreichen wir in Haatiban mühelos eine 6. Doch wir wissen, dass wir eine Weile brauchen werden, um all das zu verarbeiten, was wir in diesem Land erfahren haben. Aber wir haben uns einen guten Ort gesucht, um diese reiche Reise nachwirken zu lassen. Und freuen uns auf die nächsten Tage.