„Tut uns leid. Für Sie ist kein Zimmer frei.“ Wenn ich nach Berlin zur Internationalen Tourismus Börse fahre, übernachte ich meist bei meiner besten Freundin. Ich habe lange in Berlin gelebt, Karolina wohnt noch da. Und die Zeit der ITB ist ein Fix-Termin für unser Wiedersehen. In diesem Jahr wurde nichts daraus, kurzfristig musste Karolina verreisen.
Es gibt kaum einen schlechteren Zeitpunkt, sich auf die Suche nach einem Zimmer zu machen als kurz vor einer Messe. Die meisten Hotels sind ausgebucht und die Preise deutlich höher als normal. Über Airbnb fand ich eine Wohnung auf der Roten Insel. Ich liebe dieses Tortenstück Berlins, das begrenzt wird von Bahnlinien, und dessen markantestes Gebäude der Schöneberger Gasometer ist. Seinen Namen verdankt dieser Kiez der traditionell linken Gesinnung seiner Bewohner.
Ich hatte ein Zimmer in einer Altbauwohnung, Hochparterre, eigenes Bad, nicht eigentlich ein Wohnraum, eher ein Vortragssaal mit professioneller Lichtanlage und einem Schlafsofa in der Mitte. Nicht irre schön. Aber sauber, mit eigenem Bad. Und groß genug, dass ich mein Rad darin abstellen konnte. Denn wenn es das Wetter erlaubt, nehme ich mein Rad mit nach Berlin. Und während die anderen Messebesucher im Stau stehen oder sich in volle S-Bahn-Züge quetschen, radel ich zum Eingang Nord, wo es einen Fahrradständer gibt. Aber ich schweife ab.
Mit dem Zimmer war alles in Ordnung, es kostete angemessene 34 Euro pro Nacht (etwa 150 Euro weniger als ein Hotelzimmer), und das Vermieter-Paar Vera und Konrad war sehr freundlich. Nach der Messe radelte ich durch das von Altbauten aus der Jahrhundertwende geprägte Stadtviertel, in dem ich selbst mal gewohnt habe. Es wäre alles eine ganz harmlose Geschichte geblieben, wenn, ja wenn ich nicht, kaum zwei Tage zurück in Hamburg, eine E-Mail von Airbnb erhalten hätte: „Du hast eine neue Bewertung erhalten!“, hieß es darin (mit Ausrufezeichen): „Lies hier deine Bewertung.“ Klick also auf den Link, und dann lese ich: „Dirk war ein sehr netter und unkomplizierter Gast. Gerne jederzeit wieder!“
Wahnsinn, nun werden also auch wir Gäste bewertet. Glücklicherweise sind mein Gastgeber und ich gut miteinander ausgekommen. Was aber, wenn man an jemanden gerät, der Radfahrer nicht ausstehen kann, der Facebook-Süchtige zum Kotzen findet, Spätheimkehrer oder Langschläfer. Wie wird wohl meine Bewertung ausfallen, wenn ich mal ein Zimmer eklig finde und mein Geld zurück haben will? Und wenn mein Gastgeber dann in seiner Bewertung schreibt, „Dirk war unerträglich, ich kann andere Airbnb-Anbieter nur warnen“. Bin ich dann unvermittelbar?
Kann ich gegen eine schlechte Bewertung vorgehen? Und wenn ja, an wen wende ich mich? Muss ich beweisen, dass ich ein ganz normaler Gast war oder muss der Gastgeber beweisen, dass ich mich wie ein Schwein benommen habe? Wer regelt so eine Angelegenheit in einem Streitfall? Klar, ich habe auch von Vandalismus gelesen, von Gästen, die die Wohnungen ihrer Hosts schlicht kurz und klein geschlagen haben. Aber hier geht es jetzt um all die anderen Fälle, in denen sich zwei nicht einigen können, und es am Ende nicht sein darf, dass der eine den anderen schlecht macht. So ein mini shitstorm ist dochdas schlimmste was einem passieren kann – in unserer Bewertungsgesellschaft.
Zudem frage ich mich, wie sich das weiter entwickeln wird: Werden wir Gäste bald auch von Hotels bewertet? Spätestens wenn man einmal schlechte Noten (in unserer Bewertungsgesellschaft ist alles unter fünf Sternen schlecht) bekommen hat, sollte man hellhörig werden, wenn es von der Hotelrezeption heißt: „Tut uns leid, für Sie ist kein Zimmer frei.“