Reis, Blumen und ein Bund für die Ewigkeit: Zur Hochzeit ihres Freundes Kristoff reist Susanne nach Mallorca. Und freut sich, das graue Norddeutschland zu verlassen – auch wenn ein Ryanair-Flug von Norddeutschland in einem Bierzelt am Flughafen von Lübeck beginnt
Jetzt werde ich doch nervös, spätestens in 20 Minuten muss ich los. Aber wo liegt der Personalausweis? Es ist meine erste Reise ohne Dirk seit unseres Sabbaticals. Ein Freund heiratet auf Mallorca, zusammen mit einer Freundin aus Köln fahre ich hin (Dirk konnte leider nicht mit). So sehr ich mich auf die Feier freue, so wenig mag ich diese Aufgeregtheit – das ist normalerweise Dirks Part. Wenn er gestresst ist, bleibe ich immer ruhig. Jetzt bin ich nervös. Doch völlig unnötig. Ab Hauptbahnhof fährt der Ryan Air-Zubringerbus nach Lübeck, von dort geht der Flieger nach Mallorca. Die Fahrt ist öde, die Landschaft grau, und das hässliche Bierzelt, das hier als Terminal fungiert, steigert die Reisefreude nicht gerade. Schade, eigentlich empfinde ich An-und Abreise als Teil der Urlaubsfreude. Doch auch das gelb-blaue, sehr schlicht eingerichtete Flugzeug versprüht vor allem den Charme eines Billigfliegers. Sogar eine Tasche fehlt am vorderen Sitz, um ein paar Sachen zu verstauen. Wohin mit dem „Handgepäck“, dass nun auf meinem Schoß liegt? Ryan Air lässt nur ein Stück Handgepäck zu, und mein Rollkoffer ist über dem Sitz verstaut. Doch als wir durch die Wolkendecke brechen, ist das alles egal, die Sonne scheint, die Entspannung setzt ein. Unter mir Marseille, dann das Meer und schließlich die Insel.
Ein Haus in Llubí: Die „Casa Mona“ wurde von der Argentiniern Marcella liebevoll renoviert – ein bezaubernder Garten gehört zu dem alten Haus mit den grünen Fensterläden. Morgens wecken uns die Kirchenglocken
Mein Freund Kristoff und seine Frau Sandra leben in Llubí. Es ein typisches Pueblo im Zentrum der Insel – mit Kirchplatz, einem Café am Markt, in dem ältere Herren sitzen. Meine Freundin, die auch Sandra heißt, und ich wohnen in der „Casa Mona“, das in der gleichen Straße liegt wie die Kirche und das Standesamt. Das alte Herrenhaus wurde von Marcela umgestaltet, die vier Monate zuvor aus Madrid hierher gezogen ist. Sie hat als Art Direktorin beim Film gearbeitet, doch mit der Krise in Spanien fand sie, dass es an der Zeit sei, ihren Traum zu leben und die „Casa Mona“ zu eröffnen. Zwei Wohnungen hat sie bereits im oberen Stockwerk eingerichtet, es gehören zwei große Wohnräume und ein kleines Bad dazu. Der bezaubernde Garten erinnert an den Park Güell in Barcelona, den Gaudí gestaltet hat – auch hier laden Sitzgelegenheiten aus Stein zum verweilen unter Palmen ein. In Zukunft möchte sie auch eine alte Küche im Garten nutzen und den großen Saal im Haupthaus für Retreats. Sandra und ich teilen uns ein Zimmer, ein Doppelbett und eine große Bettdecke, an der sie genauso gerne zieht wie Dirk sonst.
Reis werfen gehört wie in Deutschland zu den Gepflogenheiten einer mallorquinischen Hochzeit, das Verteilen von Zigaretten durch die Kinder des Tabakladenbesitzers ist sicherlich nicht in beiden Kulturen gleichermaßen verankert. Nach mehreren Mojitos hielten einige der Hochzeitsgäste die Teufel für echt – und ließen sich mit Geschrei zum wilden Tanz überreden.
Die Hochzeit sollte klein und unkonventionell sein, lediglich 60 Personen seien zum Standesamt und Mittagessen eingeladen, später kämen dann noch rund 60 Freunde zur Party. Ich liebe südländische Feiern, sie werden immer viel größer als geplant und spätestens wenn „tio Enrique“, das Enfant terrible der Familie, zu viel getrunken hat, geht die Post ab. So war es zumindest bei den portugiesischen Hochzeiten meiner Familie mütterlicherseits. Ein solcher Onkel Enrique wird nicht erwartet – man könnte auch sagen „Gott sei Dank“ – , dafür aber viele gut gelaunte nette Menschen, „Arroz Negro“ (Reis mit Oktopus- und Tinte) und leckere Mojitos. In der großen Halle der Bodega wird schon getanzt, bis auf der Empore plötzlich Teufel erscheinen. Sie lärmen, schreien und treiben uns mit ihren Mistgabeln ins Freie, wo Trommler auf ihre Instrumente schlagen, als müssten sie um ihre Seele kämpfen. Feuerwerk schießt aus ihren Harken und Forken, sie tanzen mit dem Brautpaar den kraftvollsten Hochzeitstanz, den ich je erlebt habe.
Eigentlich vertreiben die Teufel, die „Demonios“, zum Fest des Sant Antoni de Abad im Januar den Winter und bitten den Heiligen der Haustiere um Schutz für das Vieh. Doch statt Kühen, Schafen und Schweinen begeistert das magisch-wilde Durcheinander die Gäste der Hochzeit. Und die Party nimmt richtig Fahrt auf, Deutsche und Mallorquiner trinken mit Gin Tonic Brüderschaft. Man tanzt ausgelassen. Es wird viel gelacht. Und nach ein paar Stunden hat man den Eindruck, Spanier und Deutsche würden am liebsten die Nacht durchmachen. Bis der DJ gegen zwei Uhr morgens einpackt. Er ist platt. Wir hätten noch gern weiter getanzt. Doch der Besitzer der Bodega de Son Ramón schließt das Lokal ab und nimmt uns im Auto mit nach Llubí. Was für eine grandiose Feier!
Barfoot Luxury in Cala Ratjada– endlich wieder Sand zwischen den Zehen und in den Haaren
Die Sonne über Mallorca beschert uns ein entspanntes Frühstück mit Marcela im Garten. Später begleitet sie uns noch in den Ort. Und die Zeit mit ihr erinnert mich an unsere Zeit in Lissabon. Auch da hatten wir (wie jetzt die Casa Mona) über Airbnb eine Wohnung gemietet und eine Nähe zu Lissabon empfunden, die man als Hotelgast nur schwerlich erlangt. Zudem kann ich mir kaum ein intensiveres Fest vorstellen, um Menschen eines Landes kennen zu lernen, als eine Hochzeitsfeier. Am Nachmittag machen Sandra und ich einen Spaziergang am Meer. Wir halten die Füße ins Wasser, das noch kalt ist, und dennoch Lust macht auf den Sommer. Ich freue mich auf die nächste Reise mit Dirk – vielleicht heiratet ja bald einer meiner Cousins in Portugal?