„Genießen Sie den romantischen Wasserblick“, heißt es in der Beschreibung des Buchungsportals HRS unter der Überschrift „Stadt der Grachten – Amsterdam“. Angeboten wird aktuell in den sogenannten „Deals“ (nein, dafür gibt es kein deutsches Wort) ein „Hotel Aramis“, angeblich für den halben Preis. Gemeint ist aber nicht das gleichnamige Budget-Apartment in der Innenstadt sondern das 4-Sterne-Hotel „Artemis“ in Amsterdam-Zuid, einem Hochhausstadtteil in der Nähe des Flughafen Schiphol. Doch soll es hier nicht um so einen banalen Fehler gehen. Vielmehr verblüfft die Lyrik, mit der man das Haus in den E-Mail-Angeboten anpreist: „Genießen Sie den romantischen Wasserblick des Restaurants, dessen Gestaltung durch Piet Mondrian und seine…“ Hier muss man auf „mehr“ klicken und wird auf die Website weiter geleitet.
Erst schmerzt die holprige Grammatik. Dann vor allem der falsche Eindruck. Überschrift und Text suggerieren, man blicke vom Restaurant auf eine Gracht. Wir hatten auch darüber nachgedacht, das Artemis zu buchen. Im solide gemachten, schicken 4-Sterne-Hotel bekommt man Doppelzimmer zu einem unschlagbar günstigen Preis schon ab 50 Euro pro Nacht (ohne Frühstück). Wir haben uns dagegen entschieden, weil das Artemis acht Kilometer vom Zentrum entfernt liegt, in einem Business-Park nahe der hier sechsspurigen Autobahn A4 und einer der wichtigsten Bahnlinien Amsterdams, die zum nur zwei Kilometer entfernten Flughafen führt, der immerhin der viertgrößte Europas ist (siehe Screenshot, das kleine rote A markiert das Hotel). Romantischer Wasserblick?
Wer sich der HRS-Lyrik hingibt, kann leicht den Eindruck gewinnen, vom Hotel blicke man auf eine der charakteristischen Wasserstraßen Amsterdams. Aber weit gefehlt. Sehr weit. Der Blick vom Restaurant geht auf ein Wasserbecken in einem Business-Park, der seit der „Krise“ – in den Niederlanden zur Zeit das Trendwort – einer Geisterstadt gleicht. Viele Bürogebäude in Amsterdam-Zuid stehen leer.
Aber nicht nur die Lage-Beschreibung weckt falsche Erwartungen. Auch die Art, wie das Hotel charakterisiert wird: So heißt es über das Restaurant des Hauses, das mit seinem „modernen Design“ besticht, es sei „durch Piet Mondrian und seine Bewegung inspiriert“. Auf der Hotelwebsite wird dagegen das „Dutch Design Concept“ erwähnt, etwa die Klarheit und die „geometrischen Einflüsse“ von Mondriaan, Dudok und Rietveld. Und tatsächlich überzeugt das „Artemis“ mit einer gewissen Gradlinigkeit, die auch bedingt ist durch die Klötzchen-Architektur am Stadtrand.
Gradlinig ist auch die Preispolitik. 20 Euro kostet das Frühstück pro Person, 20 Euro der Parkplatz (ist im Preis des HRS-Arrangements allerdings enthalten), 2,40 Euro die Fahrt mit der Tram in die Stadt, die Reise dauert allerdings mindestens eine halbe Stunde. Viele Gäste bemängeln zudem die Geruchs- und Geräuschbelästigung, das WC, so heißt es tatsächlich in mehreren Kritiken, sei nur durch eine nicht dicht schließende Glastür vom Raum getrennt. Wer lieber den Duft der Grachten in der Nase hat, wohnt in der City zu Zimmerpreisen, die mindestens doppelt so hoch sind. Romantischer Wasserblick kostet extra.
Uns hat diese Hotel-Lyrik neugierig gemacht. Und wir haben bei HRS weitere Beispiele gefunden. So führt das Angebot „Neueröffnung in Zürich: The Flag, künstlerisches Design für zwei“ zu einem Haus im Stadtteil Altstetten, etwa sechs Kilometer von der City entfernt. Der „Deal“ bietet das Doppelzimmer für 59 Euro an statt für 173 Euro. Wow! Das ist eine Ersparnis. Doch auch hier wirkt HRS-Fantasie. Eigenmächtig vergibt man dem – tatsächlich smart gemachten – Apartment-Hotel drei Sterne. Auf der Website des Betreibers heißt es: „Hotelleriesuisse hat The Flag mit zwei Sternen ausgezeichnet.“ Dafür kann man selbst im teuren Zürich kaum 173 Euro pro Nacht verlangen. Ein ebenfalls mit zwei Sternen klassifiziertes „Ibis“ vermietet Doppelzimmer ab 67 Euro. So viel also zur Behauptung, man spare mehr als 60 Prozent.
Stimmiger ist die Beschreibung des „Hotel Marceau Bastille“ in Paris. „Erleben Sie Pariser Charme und entdecken Sie das historische Gebäude“, heißt es etwas kryptisch. Tatsächlich befindet sich das Hotel in einem schön renovierten Haus aus dem 19. Jahrhundert (wie man das nur entdecken soll?). Und auch der Preis stimmt. Für 99 Euro pro Nacht inklusive Frühstück bekommt man viel Hotel für sein Geld. Allerdings spart man weit weniger als HRS behauptet. Im Deal heißt es, das Zimmer koste normalerweise 199 Euro. Laut Hotelwebsite (siehe Screenshot) beträgt aber die „best available rate“ 185 Euro, die „best rate“ 155 Euro, die „early booking offer“ nur 145 Euro. Und wer die internationalen Hotelbuchungssites von trivago bis onhotels durchwühlt, kriegt das Doppelzimmer mehrfach für rund 100 Euro angeboten.
Es ist nicht ganz klar, was sich HRS von solchen, zumindest übertriebenen Anpreisungen verspricht. Wer ein Hotel mit „Wasserblick“ bucht und weit außerhalb der Stadt in einem Business-Komplex landet, wird doch genau so enttäuscht sein, wie jemand, dem man eine falsche Ersparnis vorgaukelt oder mehr Sterne als ein Haus tatsächlich hat. Völlig unabhängig davon, ob das Preis-Leistungs-Verhältnis eigentlich gut ist, erzeugt man so doch vor allem Frust. Und Misstrauen gegenüber dem Anbieter.
Hoteliers fühlen sich von falschen, bzw. unaufrichtigen oder gar epresserischen Gäste-Bewertungen angegriffen. Wir Gäste verlangen mehr Fairness von den Portalen, die eigenmächtig Sterne vergeben, Preis-Unterschiede übertreiben und Hotel-Lyrik publizieren. In der Paar-Therapie würde man sagen: „Wir müssen miteinander reden.“