Tour de Niederlande: 3. Etappe unserer Radreise – das Uni-Hotel und die Sterne an der Elfstedenroute

von Leeuwarden nach Lütje Lollum
Radreise durch die Niederlande: Freude am Fahren – auf perfekten Wegen an Grachten und Kirchen

Ein Reisebericht von Susanne Baade und Dirk Lehmann

Salz, Wasser, Kuhkacke, gemähtes Gras, Schafe, Wasser, Kuhkacke, Zimt. Hä? Ja, Zimt. Kurz vor Leeuwarden riecht es nicht mehr nach dem typischen Duft, der uns seit Tagen bei unserer Radreise durch die Niederlande begleitet, sondern nach Weihnachten. Wir halten an und recken die Nasen in die Luft wie ein Wolfsrudel. Mhmmm. In der Ferne sehen wir die Bäckerei. Und fahren doch nicht hin. Mit dem Auto hätten wir vielleicht den Abstecher gemacht. Doch mit den bepackten Rädern… Dabei ist das Wetter okay. Nur während wir unterdecks auf der Fähre von Ameland nach Holwerd saßen, nieselte es. Seither schiebt uns gnädig eine stetige Brise durch das Land der Windmühlen und Grachten. Über Radwege, die man gar nicht genug loben kann. Eigentlich müsste man hin und wieder absteigen und den glatten Asphalt küssen. Nur so.

Elf Städte in Friesland

Rund 30 Kilometer sind es von Holwerd nach Leeuwarden. Der dritte Teil unserer Radtour durch die Niederlande führt uns durch die Provinz Friesland, wir werden einige Orte an der Elfstedenroute besuchen. Im Winter, wenn die Grachten zugefroren sind, gleiten an Wochenenden mehrere tausend Schlittschuhläufer von Stadt zu Stadt. Im Sommer folgen viele Radfahrer der 11-Städte-Route. Sie müssen manchmal findig sein. Denn während das System der Knotenpunkte gut funktioniert, verlieren wir immer wieder mal den Wegweiser der Elfstedenroute.

Leeuwarden: Hoteleingang des Stenden  ungewöhnliche Hotel-Flure, die Gänge im Stenden

das Frühstück
Studium live: Das Stenden-Hotel gehört zur Universität Leeuwarden, alle Mitarbeiter sind Lernende

Kurz vor der Stadt, als die Zimtwolke längst im Gestank des Autoverkehrs aufgegangen ist, schalte ich das Navigationsgerät an und gebe die Adresse des Hotels ein. Und wir finden es trotzdem nicht. Liegt es doch an uns, dass wir uns auf unserer Radtour durch die Niederlande hin und wieder verfahren? Dann zeigt Judith auf einen verdammt unscheinbaren Eingang in einem höchstens zweckmäßigen Gebäude. Das von Studenten geführte „Stenden University Hotel“ verbirgt sich mitten auf dem Campus.

Betten-Lehre

Was ist ein Hotel? „Ein Beherbergungs- und Verpflegungsbetrieb für Gäste gegen Bezahlung“ heißt es bei Wiki. Das Stenden-Hotel ist streng genommen eine Lehranstalt. Erfolgt üblicherweise die Ausbildung zur Hotelkauffrau oder zum Hotelfachmann in einem Betrieb unter Anleitung erfahrener Profis, lernen im Stenden-Hotel die Studenten am lebenden Gast. Die jungen Leute, die schon länger dabei sind, trainieren die Frischlinge.

Bootsfahrt in Leeuwarden  am Steuer des Elektrobootes sitzt Kapitän Susanne

Dirk fährt ganz souverän durch die Grachten    schmale Grachten
Aufstrebende Altstadt: E-Boot-Tour – unter wechselndem Kommando – durch Leeuwarden

Vieles gefällt, dass uns etwa der junge Rezeptionist nicht nur eincheckt, sondern auch zum Zimmer führt – das wir in den Uni-Fluren wohl auch nicht gefunden hätten – und alles erklärt. Das kommt in vielen echten Hotels immer mehr aus der Mode. Oder das coole Design der Bar, deren Leuchtwände in einem ruhigen Rhythmus die Farben wechseln. Manches funktioniert aber noch nicht so gut. Beim Frühstück sind die stylish schwarz gekleideten Mitarbeiter so sehr mit sich beschäftigt, dass es uns erst nach mehreren Versuchen gelingt, Kaffee zu ordern. Und als jemand in unserem Zimmer die Minibar checken will, wir aber noch nicht ganz angezogen sind und ihn bitten, etwas später wieder zu kommen, lautet die Antwort, er würde das lieber sofort machen – es gehe ja auch ganz schnell…

E-Boot-Tour

Es macht dennoch viel Spaß, in diesem Haus zu wohnen. Die Unverstelltheit der jungen Leute begeistert, ihre Freundlichkeit, ihr Engagement. Das Frühstück ist eine Wucht, vielfältig (Obstsalat, Müsli, Schokostreusel, Käse, Kasslerbraten, Eierspeisen), frisch. Selbst die Lage passt, mitten in der Uni, nahe des Stadtzentrums. Zudem überrascht uns das Steden-Team mit einer Innovation: Seit einiger Zeit betreibt die Uni drei Elektroboote, mit denen die Gäste des Hauses auf Stadtrundfahrt gehen könnten. Und wir begeben uns auf eine Rundreise durch die Grachten Leeuwardens, vorbei am schiefen Turm bis hin zum höchsten Turm.

auf dem Weg nach Lütje Lollum

noch mehr Neugierige Schafe am Wegesrand   unser B´n´B

Spieleabend: Susanne gewinnt beim Rommee Cup   Frühstück

die Besitzer erzählen uns vom Umbau der Ställe in das B´n´B  Hühner liefern die Eier zum Frühstück

voll ausgestattet
Schlicht schön ist Friesland. Das Bed&Breakfast von Lutjelollum war ein Bauernhof, Manja und Tjeerd zeigen Fotos vom Umbau. Zahlenspielerei vor der Weiterfahrt – Rummikub

Unter Sternen schlafen

Nur weil er als Woll-Färber vor allem mit Schafen zu tun hatte, war er nicht blöd. Der Hobby-Astronom Eise Eisinga bezweifelte, dass die für 1774 erwartete Sternen-Konstellation zum Weltuntergang führen würde. Um seine Landsleute davon zu überzeugen, baute er in siebenjähriger Arbeit ein Planetarium in sein Wohnhaus in der Stadt Franeker. Noch heute zeigt das Werk, dessen Räder von Gewichten in Schwung gehalten werden, mit erstaunlicher Genauigkeit wie sich die Planeten um die Sonne drehen. Dafür tickt das ganze Haus, und von der blau gemalten Decke hängen goldene Kugeln. In unserer Zeit würde man Eisinga wahrscheinlich einen Nerd nennen, vielleicht gar einen Spinner. Wir sollten auf unserer Radreise durch die Niederland mehr Verrückte treffen.

in Franeker besuchen wir das Privat-Planetarium von Eisinger   Planetarium mit Bett
Dem Himmel so nah: Wollfärber Eise Eisinga hat sein Haus zum Planetarium umgebaut 

Judith und Benita staunen über das winzige, vor allem sehr kurze Bett, in dem Eisinga und seine Frau geschlafen haben, die Kinder in einer Schublade darunter. Über das Kopfsteinpflaster der friesischen 13.500-Einwohner-Stadt Franeker mit ihrem malerischen Ortskern aus Backsteinhäusern und Grachten rollen wir nach Lütjelollum. In dem Dorf übernachten wir heute in einem ehemaligen Bauernhof. Manja Smit und Tjeerd Rinsma haben das unter Denkmalschutz stehenden Haus zu einem hübschen Bed and Breakfast umgebaut, an den Wänden kleben grüne Tapeten, weiße Lederstühle umringen schwarze Tische. Und nach mehreren Partien Rummikub schlafen wir im schön renovierten, einstigen Kälberstall. Die Köpfe schwirren uns vor Zahlen. Am Morgen wuseln nach dem Frühstück die Hühner um unsere Füße, während wir die Taschen an die Räder klicken und den Anhänger montieren. Weiter geht unsere Radtour durch die Niederlande.

wundervolle Wolken begleiten uns nach Workum

die Stadt Workum   warten an der Zugbrücke

das B´n´B "Olestaete"   die Besitzerin

 das bezaubernde B´n´B in Workum   das Esszimmer

das Ijselmeer
Zwischen dunklen Wolken: In Workum – wo uns eine Klapp-Brücke den Weg verstellt – wohnen wir im Bed-and-Breakfast „Olestaete“. Gestalterin Petrouchka hat ein wundervolles Haus geschaffen

Dunkel hängt der Himmel über dem Land. Doch der Regen bleibt aus. Wir erreichen Workum nach mehrstündiger Fahrt durch eine dramatische Landschaft. Erstaunlich, wie unterschiedlich die Orte Frieslands sind. Hat sich Leeuwarden als aufstrebende Studentenstadt mit viel Historie präsentiert, zeigte sich Franeker als pittoreske Backsteinschönheit, so erleben wir das einst dem Hanseatischen Bund angehörende Workum als Stadt der Kunst – mit Galerien, Museen und Läden, in denen Blumen und Lenkdrachen verkauft werden, Obst und Gemüse aus biologischem Anbau und spanische Spezialitäten. Ein Mix, der mehr für den Genuss am Leben steht als für protestantische Tugenden.

Kunstdorf am Ijsselmeer

Einem Kunsthändler und einer Inneneinrichterin gehört das Bed and Breakfast „Olestaete“, in dem wir in Workum wohnen. Was die beiden aus dem alten Bauernhof gemacht haben, ist ein wahrlich wundervolles Spektakel – große Zimmer, kontrastreich eingerichtet mit zeitgenössischer friesischer Kunst bestückt. Wir fühlen uns sofort wohl. Und sind ganz ergriffen, als uns Inhaberin Petrouchka de Jager unter das gewaltig hohe Reetdach ihres Hauses führt. Knapp zehn Meter hoch ist der Giebel über dieser schönen Privatunterkunft, mit der es eigentlich nur ein Problem gibt, sie ist ständig ausgebucht. Wir kommen in die große offene Küche, in der eine lange Tafel steht, und beginnen das Abendessen zu kochen. Durch die Terrassentür kann man hinaus laufen in den weiten Garten mit seinen alten Obstbäumen. Benita und Judith streicheln eine Katze.

auf der Fahrt nach Starvoren treffen wir auf das alte Strandbad  Dorf auf dem Weg nach Starvoren

Hafen im Ijsselmeer  wir erreichen Enkhuizen

Ankunft in Amsterdam
Raus aus der Provinz: Wir verlassen Friesland mit seinen Badeanstalten und Hafenstädtchen. Der Zug bringt uns von Enkhuizen nach Amsterdam – in eine der Weltmetropolen des Fahrrads

Es wird auf unserer Radtour durch die Niederlande die letzte Übernachtung in Friesland sein. Am nächsten Tag fahren wir am Ijsselmeer entlang bis Stavoren. Da gönnen wir uns eine Portion Fish and Chips, bis uns das Schiff ans nach Enhuizen bringt. Anders als geplant, fahren wir nicht mit dem Rad nach Amsterdam sondern nehmen den Zug. Und dann werden wir uns durch eine der Welthauptstädte des Radverkehrs schlagen, auf einem Hausboot wohnen, mitten drin im jüngst 400 Jahre alt gewordenen System der Grachten. Wir werden uns im neu eröffneten Reichsmuseum vor Rembrandts „Nachtwache“ drängen, und im Anne-Frank-Haus weinen. Wir werden eine private Stadtrundfahrt per Boot machen und dem Charme dieser Metropole erliegen, die selbst rappelvoll an einem heißen Wochenende schlicht liebenswert ist.

Stenden University Hotel

Zur Universität Leeuwarden gehört dieser Ausbildungsbetrieb, in dem Studenten vor allem Hotel-Management lernen. Auf dem Weg in die Zimmer, durch lange Flure, vorbei an Seminarräumen, kommt man sich manchmal etwas seltsam vor. Doch macht es Spaß, sich selbst – noch zu Lebzeiten! – als Trainings-Objekt zur Verfügung zu stellen.

Rengerslaan 8, Leeuwarden

Bed and Breakfast Lutjelollum

Nur wenige Kilometer von Franeker entfernt liegt dieses hübsche B&B in einem einstigen Bauernhof, wo die Melkanlage war ist jetzt die Spielecke, die Ställe sind zu Zimmern umgebaut worden und klassisch, aber stilvoll eingerichtet. Es gibt einen großen Garten, freilaufende Hühner und Pferde. Das Frühstück, das Manja und Tjeerd machen, ist eine Wucht.

Lutje Lollum 1

Olestaete

Ebenfalls in einem früheren Bauernhof, allerdings am Ortsrand der kleinen Künstlermetropole Workum, liegt dieses B&B, es ist modern eingerichtet, zwischen glatt verputzten, weißen Wänden steht ein Mix aus antiken und neuen Möbeln, in Fluren und Zimmern hängt friesische Kunst. Petrouchka und Marc sind zudem sehr sympathische Gastgeber.

Aldewei 26, Workum

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Feuerwerk_pushresetHinweis: Die Recherchereisen für diesen Blog wurden zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien, Reedereien und/oder PR- bzw. Tourismus-Agenturen. Unsere journalistische Freiheit bleibt davon unangetastet. Wir danken dem Niederländischen Büro für Tourismus und Convention.