Ein Sabbatical bedeutet die Chance, Neues auszuprobieren – wir wollen schweben lernen: Dieses Jahr hat es uns über Ostern nach Malta verschlagen. Wir kommen abends an, und es gewittert. Blitze zerteilen den Himmel, Wolken rasen über das Hotel hinweg, ein lautes Spektakel der Natur. Am nächsten Morgen lacht die Sonne als ob nichts gewesen wäre, und wir holen uns den ersten Sonnenbrand des Jahres am Strand der Golden Bay. Den Sonnenuntergang genießen wir in einer Strandbar mit Sand zwischen den Zehen und einem Martini in der Hand. Das ist erst der Anfang, und mich macht der Gedanke glücklich, dass wir dieses Jahr selber entscheiden können, wie viel Strand wir erleben wollen.
Das Abenteuer unseres Urlaubs wartet einen Tag später auf der Insel Gozo auf uns. Wir setzten mit der Fähe von Malta auf die kleine Nachbarinsel über. Heike Merz und Thomas Zurawski betreiben seit 18 Jahren die Tauchbasis „Nautic Team“ in Marsalforn und bieten uns einen Tauch-Schnupperkurs an. Dirk ist schon häufiger getaucht, aber für mich und Judith ist es das erste mal und ich bin gespannt, ob mir das Tauchen so gut gefallen wird wie das Klettern. Ich stelle es mir aufregend vor, die Barriere zwischen mir und dem Wasser zu überwinden, hinab in die Tiefe zu gehen.
Die Vorbereitungen hierfür sind aufwendig. Im Materiallager von Nautic Team zwängen sich Dirk, Judith und ich in verschiedene Anzüge, Masken und Jacken müssen angepasst werden. Auch Benita, mit sieben Jahren noch zu jung zum Tauchen mit Pressluft, bekommt einen Neopren-Anzug und ein Schnorchel-Set, um neben uns her zu treiben. Als alles ausgesucht ist, fahren wir in die Xwejnibay.
Leider ist es heute sehr windig, mit recht hohen Wellen und starke Strömung presst sich das Meer in die Bucht. Wir beschließen, es dennoch zu wagen und bereiten uns auf die erste Unterwasser-Exkursion vor. Mit einem Pick-up sind wir in die Bucht gefahren, auf der Ladefläche stehen die Kisten mit der Ausrüstung. Jetzt gilt es, sich in die vorhin angepassten Anzüge zu zwängen. Zudem binde ich mir einen Bleigürtel um die Hüfte und schnalle noch die Pressluft-Flasche auf die Schulter, ich wiege mindestens zehn Kilogramm mehr als sonst. Ilona, unsere Tauchlehrerin, reicht mir ihre Hand, um mich hoch zu ziehen. Ich kann kaum stehen und frage mich kurz, was ich hier in der Mittagssonne eigentlich tue – eingezwängt, fast bewegungsunfähig und mit Blei beschwert, damit ich auch wirklich untergehe. Langsam stakse ich Dirk, Judith und Ilona hinterher ins Wasser.
Ich bin aufgeregt, als wir unter Wasser atmen sollen und gehe kaum unter, weil meine Lungen voll mit Sauerstoff sind. Ilona packt mir noch mehr Blei in die Weste, und auch deshalb drehe ich mich mich beim Tauchen ständig auf die linke Seite. Es ist anstrengend, und leider stellt sich bei mir kein Zustand der Entspannung ein. Zu sehr bin ich mit der Technik beschäftigt, damit die Jacke mit Luft voll- oder leer zu pumpen, die Balance mit den Gewichten zu wahren und ruhig durch die Schläuche zu atmen. Erst als Ilona mich an die Hand nimmt, tauche ich entspannt mit ihr unter.
Im aufgewühlten Wasser kann man kann leider kaum etwas sehen, und es gefällt mir nicht, dass ich kein richtiges Körpergefühl entwickeln kann, zu sehr schaukeln mich die Wellen hin und her, das Blei irritiert meine Balance, und es beschäftigt mich, dass ich die Tauchtiefe nur über die Tarierweste regulieren kann, gebe ich über einen Regler Pressluft hinein, tauche ich auf, lasse ich die Luft ab, geht es nach unten. Doch ich kriege es einfach nicht hin, und nach einiger Zeit treibe rücklings zum Strand und schaue den anderen zu. Ich bin mir nicht sicher, ob dies das richtige für mich ist, oder ob ich nur zu ungeduldig bin. Später, als wir drei uns dann an der Kaimauer umziehen, stellen wir fest, dass jeder seine Schwierigkeit gehabt hat, obwohl wir uns einig sind, dass Judith Fischqualitäten besitzt, so leicht ist es ihr gefallen. Sie will auf jeden Fall wieder runter und Dirk sowieso.
Eins hat sich beim Tauchen aber richtig gut angefühlt – etwas Neues ausprobiert zu haben. Genauso wie beim Klettern ging es darum, sich zu überwinden und zu versuchen, sich auf die Situation einzulassen, auch wenn es mir diesmal schwerer gefallen ist.
Abends sitzen Dirk und ich auf dem Balkon des Hotels und schauen über das Häusermeer von St. Julien´s. Unsere Sehnsucht, neues zu Entdecken und auszuprobieren ist lange noch nicht gestillt. Auf eine gewissen Weise hat uns diese Woche einen Vorgeschmack auf die Auszeit gegeben – das Ziel muss sein, einen guten Mix aus Neuem, Bekannten, Anstrengung und Erholung, Gewöhnlichem und Ungewöhnlichem hinbekommen.