2. Etappe: Höhe Startort Monjo: 2850 Meter • Höhe Zielort Namche Bazaar: 3440 Meter • Distanz: ca. 5 Kilometer • Gehzeit: ca. 3 Stunden • Besonderheiten: großer Höhenunterschied, schlimmer Anstieg, erster Blick auf den Mount Everest
Ein Reisebericht von Susanne Baade und Dirk Lehmann
Es ist kalt, als wir gegen 8.30 Uhr aufbrechen zu dieser kurzen, aber recht anspruchsvollen Etappe. Ihre Herausforderung: die Höhe. Schon gestern haben wir deutlich spüren können, dass Höhe schlapp macht – ging es hinauf, wurden wir schnell kurzatmig. Namche Bazaar liegt auf 3440 Meter. Besonders der letzte Anstieg soll lang und steil sein. Und atemraubend.
Kühne Konstruktionen für Wanderer: Hängebrücken überwinden reißende Flüsse, unser Guide Som geht voraus. Das Geröll schreckt ihn nicht, er lebt in Kathmandu
Die Höhenkrankheit ist ein Phänomen, das man schon lange kennt, aber noch nicht sehr lange versteht. Noch bis ins 18. Jahrhunderte wunderte man sich nur über das seltsame Unwohlsein auf den „Kopfwehbergen“. Heute weiß man, woher Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, Erbrechen und Taumel kommen. In der Höhe nimmt der Sauerstoffpartialdruck ab, zwar enthält die Atemluft auf 5000 Meter genau so viel Sauerstoff wie auf 1000 Metern. Doch dessen Druck verringert sich, während der Druck anderer Gase in der Atemluft zunimmt. Wer auf die beschriebenen Symptome nicht mit sofortigem Abstieg aus der Höhe reagiert, riskiert lebensgefährliche Erkrankungen.
Kurz hinter Monjo beginnt der Sagamartha National Park. Auf großen Tafeln wird vor den Risiken der High Altitude Mountain Sickness gewarnt. Um die Gefahren zu minimieren, lassen viele Veranstalter – darunter auch der DAV-Summit Club – ihre Trekking-Gruppen immer wieder Akklimatisationstage einlegen. Wir sollen uns in Namche Bazaar an die Höhe gewöhnen.
Vielleicht eine der schönsten Hängebrücken im Himalaya, sicherlich aber eine der wichtigsten: die etwa 70 Meter hohe Hillary-Bridge
Bis dahin lernen wir einen typisch nepalesischen Aspekt der Höhe kennen: die Hängebrücke. Mehrere davon überspannen den Kashi Nadi, dessen Verlauf wir folgen. Bis wir an eine Stelle geraten, wo ein weiterer Fluss in den ersten mündet. „Water from Tibet“, sagt Som, zeigt nach Westen und dann nach Osten, „nepali Water.“ Und dann in den Raum dazwischen: „Hillary-Bridge.“
In 70 Metern Höhe, mit Gebetsfahnen geschmückt, überquert die kühne Stahlkonstruktion den Fluss. Vorsichtig betreten wir die geschraubten Eisen-Planken. Man kann durch sie hindurchschauen und das in der Tiefe tosende Wasser sehen. Wenn jemand über die Brücke geht, schwankt sie im Rhythmus der Schritte. Und wenn ein Viehhirte seine Yaks darüber treibt, muss man sich sputen. Die schwer beladenen Tiere in den Karawanen treiben sich gegenseitig voran. Wir wurden vor Verletzungen gewarnt.
Als wir die Brücke verlassen haben, führt uns Som an einen Felsvorsprung und zeigt gen Osten. „Mount Everest“, sagt er feierlich. Und, tatsächlich, da ragt er neben einer Tanne in den Himmel, das hohe Haupt geziert von einer zarten Wolkenkrone.
Man hat ihn so oft schon auf Fotos gesehen und ist deshalb gar nicht darauf vorbereitet wie großartig der Anblick des höchsten Berges der Welt ist – der Mount Everest
Dann beginnt der zähe Anstieg nach Namche Bazaar. In engen Schleifen. Über blank gelaufene Steine. Durch den Staub, den die Yak- und Esals-Karawanen aufwirbeln. Das Rufen der Tiertreiber. Die Porter hört man schon von weitem kommen, lauter Nepal-Pop scheppert aus ihren Handys. Gegen Mittag erreichen wir den Ort, der umgeben ist von Bergen, die Bühne eines alpinen Amphi-Theaters. Darin eine Vielzahl weißer Häuser mit bunten Dächern. Namche ist Zentrum der Sherpa-Kultur im Himalaya, ist Akklimatisationsort mit vielen Hotels und Guesthouses und Kreuzungspunkt zweier wichtiger Trekkingrouten. Ein verrücktes Nest voller Outdoor-Shops, Cafés (mit Illy- und Lavazza-Kaffee), Restaurants und Pizzerien. Ein Ort, der in der Entlegenheit der Berge, die hier bis weit über 6000 Meter hoch sind, so verblüfft wie in der Wüste Nevadas die Glitzerstadt Las Vegas.
Über Stock und Stein geht es hinauf zum Sherpa-Dorf Namche Bazaar, das sich im bunten Häuser-Halbkreis um einen tiefen Taleinschnitt versammelt
Doch noch haben wir für all das keinen Sinn. Es war eine anstrengende Etappe. Höhe und Hitze haben uns zugesetzt. Als wir das Zimmer im Namche Hotel betreten, lassen wir uns auf die Betten fallen. Müde. Erschöpft. Wenn uns jetzt jemand fragen würde, auf welcher Stufe der Entschleunigungsskala wir wohl angelangt seien, wir würden nur matt mit den Schultern zucken. Keine Ahnung. Isdochauchegal.