Philippinen: Palawan – Roadtrip auf der Straße des Lebens

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Manchmal gibt einem das Leben die Möglichkeit, Träume zu verwirklichen. Und obwohl schon viel gereist, träumte Dirk davon, einmal auf Palawan zu sein. Er sah sich in einem Minibus vom einen Ende zum anderen der Insel fahren. Schläfrig im Wagen sitzend. Eine unfassbare Landschaft zieht vorbei. Und dann ergab sich eine einmalige Gelegenheit: ein Flug auf die Philippinen, Weiterreise nach Palawan, ein schwarzer Minivan. Hitze. Schläfrige Fahrgäste. Und eine lange, windungsreiche Straße vom einen Ende der Insel zum anderen

eine Reisereportage von Dirk Lehmann (ausnahmsweise: Text und Bild)

„250 Kilometer“, lautet die Antwort des Fahrers auf meine Frage, wie weit es sei nach El Nido. Und ich lehne mich entspannt zurück. 250. Da kann es sich nur um einen Irrtum gehandelt haben, als der Hoteldirektor des Daluyon-Resorts in Sabang heute morgen beim Abschied sagte, ich solle seinen Kollegen von ihm grüßen – wenn ich am Abend ankomme. Am Abend! Mit einem souveränen Knall schließt die Tür des modernen, schwarzen Mini-Buses in dem ich sitze. Und es geht los.

Schon nach wenigen Minuten bahnt sich ein kleiner Konflikt an: Nur mürrisch folgt der Fahrer meiner Bitte, die Klimaanlage etwas runter zu drehen. Die Philippinos lieben eisige Innenräume. „Okay?“ fragt er nach einem minimalen Dreh am Temperaturregler. „No“, antworte ich, „too cold“. Und sehe sehr wohl, wie er bald schon wieder ein winziges Stück nach unten dreht. Später noch ein Stück. Dann wieder ein wenig. Bis ich laut klage, dass ich meine Wintersachen in Deutschland gelassen hätte. Er lacht. Das ständige Spiel um die Temperatur wird uns die ganze Fahrt über begleiten.

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Der Fahrer heißt Ellen. Er spricht seinen Namen leicht französisch aus. Wie Alain Prost, der Rennfahrer. Wir werden ungefähr einen Tag zusammen sein. Denn anders als in Deutschland, wo man auf einer Autobahn rund zwei Stunden unterwegs wäre für diese Distanz, stecken hier in 250 Kilometern ein Land, ein Kontinent, eine Welt: Zivilisation und Einsamkeit, Plantagen und Urwald, Hitze und Unwetter, Snack-Restaurants mit freiem W-Lan und einfache Palmblatthütten mit nackten Kindern.

Das alles wird verbunden durch eine Straße, die so sehr Lebensader ist, wie man sich diesen Begriff im wahrsten Wortsinne vorstellt. Sie bietet alle Aggregatzustände eines Fahrweges und ist, wo sie am besten ausgebaut wurde, nur einspurig zu benutzen – denn die Menschen trocknen ihren Reis auf dem Asphalt. Reis ist heilig. Nie würde ein Auto oder gar Lastwagen einfach über Reis fahren. Und so warten die Fahrzeuge, lassen einander passieren. Es ist leicht, dieses Land zu lieben. Man braucht aber eine Weile, es zu verstehen. Es lohnt, sich diese Zeit zu nehmen.

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Palawan. Ich habe schon viel gesehen von der Welt. Und doch mich danach gesehnt, diese entlegene Inselgruppe kennen zu lernen. Schon als das Flugzeug, von Manila kommend, über grüne Puschel im Südchinesischen Meer einzuschweben begann, klebte ich am kleinen Fenster. Unter mir von Bäumen und Gebüsch überwucherte Felseninseln im flaschengrünen Pazifik, Fischerboote, bunte Hütten unter Palmen, die Landebahn von Puerto Princesa, ein einfaches Abfertigungsgebäude, Hitze wie ein Schlag ins Gesicht. Großartig.

Am Anfang dieser Tour über Palawan stehen klassische Abenteuer. Vor der Fahrt zum Hotel, geht es in einem bunten Outrigger-Boot durch die Honda-Bay mit ihren vielen Badeinseln. Mal schwimme ich vor Cowrie-Island, mal schnorchle ich vor Starfish-Island, und auch ein Ausflug zu Snake-Island wird angeboten, es ist eine langgezogene, eine Lagune umschließende Insel, die aussieht wie eine Schlange. Schließlich braust das Boot zurück zum Anleger. Das grüne Wasser spritzt, bunte Wimpel flirren in der milden Luft, über uns türmen sich hohe Wolken.

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Das Hotel liegt im Zentrum einer traumhaft-tropischen Bucht. Doppelgeschossige Bungalows unter Palmen, eine mit viel Herzblut gepflegte Grünfläche, Blumenbeete, ein Pool, ein langer Strand. Am Abend sitze ich mit einer bunten Gästegemeinschaft am Tisch, wir essen gebratene Langusten und gegrillten Tintenfisch, Gemüse und Kartoffelbrei, wir trinken San Miguel-Bier und tauschen uns aus über unsere Vorhaben in den nächsten Tagen. Ich erzähle, dass ich erst – wie alle anderen – in den Untergrund paddele, dann aber fliegen werde.

Der Underground River ist die große Sehenswürdigkeit des Puerto Princesa Subterranean River Nationalpark. Ein Naturschutzgebiet seit den 1970er Jahren, UNESCO-Weltkulturerbe seit 1999. Ein sieben Kilometer langer Fluss hat sich hier durch den Karst gearbeitet, rund ein Kilometer davon sind mit Paddelbooten befahrbar. Ich trage einen Helm und lasse mir von den obligatorischen Guides die Felsformationen erklären.

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Das wahre Faszinosum dieses Nationalparks sind die von schroffen Felswänden umschlossenen Lagunen, die herabhängenden Luftwurzeln, das wuchernde Grün, das Schreien der Makaken, Schmetterlinge groß wie Kolibris. Es ist diese Welt der Luft und Weite, die mich fasziniert. Das Ausleger-Boot bringt mich zum Hotel. Von da geht es mit einem der typischen Tricycles zum Ugong Rock.

Der Karst-Fels wurde zu einem Kletter- und Kulturpark ausgebaut, ein echtes Eco-Tourism-Projekt, das von der Kommune verantwortet wird. Nach einem kurzen Moment der Andacht folge ich dem Guide, zwänge mich durch enge Felsnischen, klettere durch Höhlen und ziehe mich an Seilen hinauf bis zum Gipfel. Weit geht der Blick über die Reisfelder. Und dann fliege ich – an einem Flying-Fox hängend – zurück. Mit einem kurzen Schreck-Moment zum Schluss. Es ist nicht meine erste Zip-Line, aber die Bremse ist extrem kurz und hart. Mit hohem Tempo rase ich in die letzten Meter. Und bleibe federnd hängen. Uff.

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Erstaunlich, was man mit einer so zauberhaften Landschaft heute machen muss, um Gäste anzulocken. Später stehe ich noch mit einigen Verantwortlichen des Ugong Rock beisammen. Wie es mir gefallen habe, wollen sie wissen. Ich lobe das Kletter-Abenteuer und den kurzen Flug, währenddessen ich mir ein wenig seltsam vorkam, wie ich über die Wasserbüffel hinweg flog. Superman in kurzen Hosen, mit einem roten Helm auf dem Kopf. Ob es erfolgreich sei, will ich wissen. Die Verantwortlichen nicken eifrig. Immer mehr Gäste kämen vom Underground River auch hierher. Der Tourismus bringe Geld. Sie erzählen von einer armen Region und Experten aus den Alpen, die beim Aufbau der Anlage geholfen haben. Zum Schluss entschuldigen sie sich für die harte Landung, aber ich sei ganz schön schwer…

Der schwarze Minivan hält vor dem Ugong Rock, ich springe in den Wagen. Als Alan los fährt, ist der Himmel blau, und die Sonne scheint. Das muss ich hier erzählen damit man versteht, wie schnell sich die Verhältnisse ändern können. Auf unserer Fahrt durch die Berge geraten wir wie aus heiterem Himmel in graue Wolken, es regnet wie aus Kübeln. Und endet so unvermittelt wie es angefangen hat.

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Auf der Puerto Princesa North Road kommt man leicht in jenen Groove wie man ihn nur in einem Land wie diesem erleben kann. Ein Reisen im Zustand dauerhaften Dösens, der Kopf wackelt, ständig fallen einem die Augen zu, man trinkt wieder einen Schluck, nagt Nüsse, träumt weiter. Auf Palawan, das ist der wesentliche Unterschied zu vergleichbaren Autotouren durch Länder wie Nepal oder Vietnam, besteht kaum Gefahr für Leib und Leben.

Sechs Stunden dauert die Fahrt, inklusive einer kurzen Snackpause in Barangay. Und während der Fahrer und einige der anderen Passagiere noch rauchend in der Bar sitzen, schlendere ich durch den kleinen Ort mit seinen einfachen Hütten unter Wellblechdächern. Vor einem hält ein grüner Jeepney, ein für die Philippinen typischer Minibus auf einem Jeep-Chassis. Der Wagen ist proppenvoll, auf dem Dach sitzt noch ein Fahrgast und auf der hinten angebrachten Plattform auch. Was ihr Ziel sei, will ich wissen. Auch sie fahren nach El Nido.

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„Ich muss euch was zeigen“, sagt Ellen. Er hat den Wagen an einem Rastplatz auf einem Hügel angehalten. Und jetzt folgen wir ihm durch dichtes Grün und stehen schließlich an einem kleinen Aussichtsplatz. Ellen macht eine weitreichende Geste. Wir sehen hinab auf eine wie aus dem Bilderbuch für Buchten geformte Bucht. Grün überwuchert das Land, ein Palmen gesäumter Strand, ein Streifen strahlend weißen Sandes. Das Meer leuchtet in all seinen Farben. „Das ist El Nido.“

Philippinen_Palawan–©DLehmann–pushreset-4

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Der Puerto Princesa Subterranean River Nationalpark ist ein Naturschutzgebiet seit den 1970er Jahren, UNESCO-Weltkulturerbe seit 1999.

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