Ein Platz in der Sonne: Am Morgen warten die Matten noch auf den Yoga-Meister
Ein Reisebericht von Susanne Baade und Dirk Lehmann
Keine Terminkalender, kein Stress, keine Verpflichtungen, kein…, äh, halt, stopp. Eigentlich stimmt das nicht. Selbst in einem paradiesischen Hotel, das ganz der Entschleunigung gewidmet scheint, gibt es einen klar strukturierten Tagesablauf. Der beginnt um 7.30 Uhr morgens mit einer Tasse Tee und endet um 22 Uhr mit mattem ins Bett sinken. Ein typischer Tag im „Ananda in the Himalayas“.
7.30 Uhr. Es klingelt an der Tür. Man bringt uns frischen, leicht gesüßten Ginger-Lemon-Tee ans Bett. Dafür haben wir am Abend einen Zettel ausgefüllt, auf dem wir ankreuzen können, wann der Tee serviert werden soll. Es ist ein schönes Ritual.
Frühsport an einem Ort, der seine Gäste berührt: Yoga im Hotel „Ananda“
8.30 Uhr. Morgengymnastik. Am ersten Tag lassen wir uns im Fitness-Studio bei den „Morning-Stretches“ dehnen. Danach gehen wir ins Atrium, einer runden Freifläche in einer Senke, und verbiegen uns selbst beim dynamischen Hatha-Yoga. Die einstündige Session endet mit fünf Sonnengrüßen.
9.40 Uhr. Frühstück. Susanne bekommt ein Vata-Porridge serviert (und hasst es), ich erhalte zwei dünne Roggenpfannkuchen, gefüllt mit einer leicht scharfen Linsen-Paste (nun ja). Dazu gibt es ein köstliches Mix-Getränk aus Wassermelonen- und Orangensaft; Kaffee sollen wir nicht trinken. Und verzichten schweren Herzens darauf.
10.30 Uhr. Wir nutzen den Pool, ein 25-Meter-Becken, umgeben von Bambus. Pfaue stolzieren zwischen den Liegen.
13.00 Uhr. Mittagessen auf der Restaurant-Terrasse, die wie eine Baumwipfel-Plattform in der Krone des Waldes schwebt. Es gibt eine Gemüse-Suppe, ein einfaches Hauptgericht (für mich meist mit Linsen oder Brokkoli, denn Pitta-Typen sollen vor allem grün essen) und ein Dessert. Verantwortlich für das Essen ist Ashis Rout, er modernisiert die ayurvedische Küche, inszeniert sie, gourmetisiert sie. Bei den meisten Gerichten gelingt ihm das, etwa beim leichten Geflügelsalat auf Ananas (unten links) oder beim Tofu-Spießchen (rechts). Wir treffen ihn in der Show-Küche des Ananda, wo er uns die Grundlagen der ayurvedischen Küche erklärt, das typgerechte Kochen. Pitta, so sagt er, können eigentlich alles essen und neigen dazu, zu viel in sich hineinzustopfen. Deshalb bereitet er ihnen keine fettreichen Gerichte zu, kein rotes Fleisch, kein Käse, keine Tomaten. Vata hingegen sind empfindliche Esser, fühlen sich schnell voll. Ihnen kocht er Kraftfutter mit Spinat und Frischkäse, es muss gut nähren. Und es ist wie sie oft, wenn man mit einem Aryuveda-Experten spricht: Vieles, was sie sagen, trifft zu. Manchmal fühlt man sich geradezu ertappt.
Die Zutaten des Meisters: Ashis Rout inszeniert die ayurvedische Küche
14.00 Uhr. Die Anwendungen im Wellness-Center, in dessen Eingang ein geschmückter Ganesha hockt, haben eigentlich keine bestimmten Uhrzeiten. Doch meist gehen wir kurz nach dem Essen in das große Gebäude, in dem Massagen verabreicht werden für Körper, Kopf und Füße, in dem man Reiki bekommt und meditiert. Es gibt ein Fitness-Studio und die Saunen (für Frauen und Männer getrennt). Und auf dem Weg in die Behandlungskabine muss man vorbei an einem Mann, der im Schneidersitz auf dem Boden hockt und Querflöte spielt. Anfangs gefällt die Musik, nach drei, vier Tagen fragt man sich, ob man das wohl zwei oder drei Wochen aushält?
16.Uhr. Tea-Time im Haupthaus. So ganz lässt sich der britische Einfluss auf Indien nicht leugnen, zum frischen Darjeeling gibt es gewürfelte Sandwiches, Küchlein und Kekse.
17.00 Uhr. Puuuh, war das ein anstrengender Tag. Ausruhen.
19.30 Uhr. Wir gehen zum Abendessen. Vata- und Pitta-Tee sollen den Appetit anregen. Statt Wein – Alkohol ist nicht gut – wird Wasser eingegossen. Das Menü hat drei Gänge, eine Vorspeise, oft mit Fleisch oder Fisch, eine Suppe, meist auf Linsen-Basis, und einen Hauptgang. Abends wird kein Dessert serviert.
22 Uhr. Total erschöpft gehen wir schlafen. Uff, stimmt ja, bloß nicht den Tee-Zettel vergessen.
Feuer und Flamme für Blumen: Jeden Tag gibt es frische Arrangements
Abschieds-Komitee: Auch gute Zeiten enden irgendwann
Warum fühlt sich eine Stunde beim Zahnarzt an wie ein halber Tag, wohingegen eine Woche in einem schönen Hotel bereits nach gefühlten drei Tagen endet? Warum nimmt man sich vor, auch im „normalen“ Leben jeden Morgen Yoga zu machen, hat aber schon am ersten Tag danach keine Zeit? Warum will man sich auch weiterhin gesund und ayurvedisch ernähren – und kann doch nicht „Nein“ sagen, als einem der Kellner einen ganz vorzüglichen indischen Wein empfiehlt? Plötzlich heißt es also Abschied nehmen. Wir packen die Rucksäcke, nehmen die Parade der winkenden Ananda-Mitarbeiter ab und sitzen selig auf der Rückbank im Auto. Ja, wir werden wieder kommen. Ganz sicher. Bald schon. Nächstes Jahr? Für mindestens zwei Wochen. Wir müssen herausfinden, ob wir die Musik aushalten.
Auf der von 0 bis 10 reichenden Entschleunigungsskala haben wir im Ananda locker eine 11 erreicht. Jetzt geht es weiter nach Delhi. Es ist unsere letzte Etappe in Asien, dann wechseln wir den Kontinent und fliegen nach Buenos Aires und weiter nach Montevideo. Von da beginnt eine Reise, auf die wir uns seit Monaten freuen: Wir fahren mit der MS Bremen in die Antarktis.